Tulpenfeld in Schwaneberg bei Magdeburg 45 min
Bildrechte: MDR/Jim Günther

Schwaneberg Generationswechsel in Deutschlands größtem Tulpenzwiebelbetrieb

07. März 2024, 09:19 Uhr

Seit 1930 produziert die Familie Degenhardt ganz in der Nähe von Magdeburg Tulpenzwiebeln. Ende April beginnt die Blüte, die jedes Jahr Hunderte Schaulustige anlockt. Hinter dem Blumenmeer stecken jede Menge Arbeit und Menschen mit Leidenschaft. Demnächst übernimmt dort bereits die fünfte Generation die Verantwortung im Familienbetrieb.

Der frühe Vogel ist sein bester Freund. Ab halb sechs ist Sebastian Sellmann auf den Beinen. Die Tulpen-Saison startet, sobald sich erste Triebe auf den Feldern rings um den kleinen Ort Schwaneberg bei Magdeburg zeigen. Gemeinsam mit seiner Mutter, Christiane Degenhardt-Sellmann, kontrolliert der junge Landwirt täglich das Wachstum der jungen Blumen.

Tulpen haben feine Wurzeln, brauchen für gutes Wachstum kontinuierliche Wasserversorgung. Der Blumenzwiebel-Betrieb bewirtschaftet 400 Hektar besten Börde-Boden, aber ausreichender Regen blieb über Jahre aus. Die vorausschauenden Investitionen in einen eigenen Brunnen und eine sogenannte Tröpfchenbewässerung zahlen sich jetzt aus.

Ein junger blonder Mann in Jeans und Pullover steht inmitten weißer Tulpen auf einem Feld
Sebastian Sellmann ist Landwirt und Tulpenzwiebelproduzent in fünfter Generation. Bildrechte: Jim Günther

Ausbildung zum Landwirt, dann Studium Agrarwissenschaften

Spezielle Schläuche versorgen jedes Tülpchen zu jeder Zeit mit ausreichend Wasser – ohne wertvolles Nass zu verschwenden. Hinter der effizienten Methode steckt auch jede Menge Technik. Kein Problem für den 23-jährigen Sebastian, der nach seiner Ausbildung zum Landwirt im Fernstudium seinen Agrar-Bachelor macht.

Neben der täglichen Arbeit auf dem Feld bedeutet das allerdings eine zusätzliche Belastung. "Meine Zeit teile ich mir so ein, dass ich erstmal alles betriebliche erledige. Dann versuche ich, mich abends um das Studium zu kümmern. Das fällt natürlich ab und zu schwer, wenn der Tag so 16 - 17 Stunden hat," gibt Sebastian zu. Aber er weiß, wofür er so hart arbeitet. Er wird in absehbarer Zukunft den Familienbetrieb in Schwaneberg von seinen Eltern übernehmen.

Magdeburg: Betrieb startet mit Gärtnerei in der Stadt

Landwirtschaft, speziell die Tulpenzwiebeln, stecken in Sebastians DNA. Vor circa 140 Jahren fing die Geschichte der Tulpenzwiebel-Zucht in Sachsen-Anhalt ganz harmlos mit einem Ball an. "Mein Urgroßvater wuchs in Magdeburg auf und schoss als Kind einen Fußball in ein Gewächshaus. Die Scheibe ging kaputt und der Chef des Gewächshauses meinte, das könne er jetzt mal abarbeiten. Das hat er gemacht und daran so viel Gefallen gefunden, dass er Gärtner wurde", erzählt Christiane Degenhardt-Sellmann. "Er hieß Ernst Degenhardt. Also ernst war er nicht. Er war ein quirliger Mann, auch sehr innovativ mit den Blumenzwiebeln."

1905 gründet Ernst Degenhardt in Magdeburg seine Gärtnerei und expandiert 1930 auf die Ländereien in Schwaneberg, spezialisiert sich dort neben Blumenkohl auf die Produktion von Blumenzwiebeln. Nach dem Krieg flüchtet die Familie vor der Zwangskollektivierung weit in den Westen bis nach Neuss im Rheinland.

Dort bauen Christiane Degenhardt-Sellmanns Großeltern eine neue Gärtnerei auf, die ihr Vater Wolfgang übernimmt. Auch Christiane tritt in die blumigen Fußstapfen und studiert Gartenbau. Im Münsterland, der Heimat ihres Ehemanns Benedikt Sellmann, lässt sich das junge Paar in den Neunzigern nieder und gründet eine Familie.

Acker mit bunten Streifen von oben
Acht Tulpensorten in unterschiedlichen Farben baut der Betrieb an. Bildrechte: Jim Günther

Hof in der Börde nach Wende restauriert

Der Kontakt der Degenhardts nach Schwaneberg riss auch in den Jahren der deutsch-deutschen Trennung nie ab. Nach der Wende kehren sie zum Stammsitz der Familie zurück. Schritt für Schritt renovieren sie den Hof und steigen wieder in die Tulpenzwiebel-Zucht ein. Sebastian wächst sowohl im Münsterland als auch in Schwaneberg auf. Hier ist er von Anfang an bei allen Arbeiten rund um die Tulpen dabei.

Ohne Druck der Eltern entschließt er sich, auch Landwirt zu werden. "Nach dem Abi war dann die Überlegung: 'Was machst du als nächstes?' Mir hat die Arbeit schon immer Spaß gemacht, viel draußen zu sein und zu sehen, wie die Pflanzen wachsen und was man mit der Arbeit übers Jahr erreicht, wenn man dann als Lohn erfolgreich ernten kann."

Fotografen kommen zur Tulpenblüte im April

Mitte April startet auf den Schwaneberger Feldern die Tulpenblüte. Jeden Morgen genießt Sebastian Sellmann die Farbenpracht aufs Neue. Acht Sorten in unterschiedlichen Farben baut der Betrieb an. Mit der Bewunderung dieser rauschhaft blühenden Landschaften ist Sebastian nicht allein.

"Wir haben hier ziemlich viele Fotografen. Man kommt morgens, fünf Uhr aufs Feld, da findet man schon die ersten, die noch Blüten mit Raureif fotografieren und abends trifft man die, die den Sonnenuntergang erwischen wollen. Für uns ist das kein Problem. Wir freuen uns, wenn sich die Menschen an unseren Tulpen erfreuen", so Sellmann.

Kleiner grüner Vogel auf einem Feld voller pinkfarbener Blumen
Wenn die Tulpen blühen, kommen jedes Jahr auch viele Fotografen zu den Feldern. Bildrechte: Jim Günther

Vom Münsterland nach Magdeburg zurück

Eine Pracht auf Zeit, Sebastian und seinen Eltern geht es nicht um die schönen Blüten. Sie verkaufen die Zwiebeln der Tulpen an andere Betriebe, die im Winter daraus die beliebten Schnittblumen ziehen. Daher werden die Tulpen, wenn sie am schönsten sind, geköpft. Eine Arbeit, die Sebastian trotzdem gerne macht. Er weiß, die Kraft der Pflanze geht dann nicht in die Blüte, sondern in die Zwiebel. Gute Qualität lässt sich gut verkaufen. Circa sieben Cent bekommen sie pro Stück.

Das Wissen um den Tulpenzwiebel-Anbau wird von einer Degenhardt-Generation an die nächste weitergegeben. Aber auch die Leidenschaft für dieses besondere Produkt. Für den jungen Landwirt steht fest, er übernimmt den Betrieb und zieht dann auch richtig nach Schwaneberg. Und so sitzt auch schon seine Freundin Malin gedanklich auf gepackten Koffern. Noch arbeitet sie als Erzieherin im Münsterland. Ihre eigene Familie, so sieht es jedenfalls im Moment aus, werden die beiden in Sachsen-Anhalt gründen.

Film zum Beitrag: Der Osten – Entdecke, wo du lebst

Nur knapp 100 Kilometer entfernt gedeihen mehr als 600 verschiedene Pfingstrosen-Sorten auf den Feldern von Steffen Schulze. In Nauendorf bei Halle betreibt er einen der führenden Pfingstrosen-Betriebe Deutschlands. Viel Arbeit und Know-how steckt auch in der Zucht dieser faszinierenden Schönheiten. Ein ganzes Blumen-Jahr begleitet die Kamera beide Betriebe, die verschiedener nicht sein könnten und die doch eines eint: blühende Leidenschaft!

"Der Osten – Entdecke, wo du lebst. Pfingstrosen und Tulpen – Mitteldeutschlands Blumenmeer" seit 5. März in der Mediathek und am 12. März, 21 Uhr im MDR-Fernsehen.

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MDR SACHSEN-ANHALT

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Osten – Entdecke wo du lebst | 12. März 2024 | 21:00 Uhr

1 Kommentar

Maria A. vor 7 Wochen

Wunderschöne Fotos, die für den Moment Optimismus aufkommen lassen. Auf jeden Fall machen sie Lust auf den Frühling.

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