Mitarbeiter der Behörde unterhalten sich am 14.10.2015 beim Tag der offenen Tür in der Ausländerbehörde in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) im Raum 324 «Ausländerrecht».
Magdeburgs Ausländerbehörde kämpft weiter mit Personalmangel und zunehmenden Anträgen. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance / ZB | Jens Wolf

Transparenz bei Problemen Ausländerbehörde Magdeburg: "Wir wollen wirklich – Es ist einfach gerade zu viel"

18. April 2024, 09:37 Uhr

Gesetzesänderung, fehlendes Fachpersonal und deutlich mehr Beratungsbedarf: Die Magdeburger Ausländerbehörde arbeitet aktuell am Limit. In Gesprächen mit Betroffenen setzt die Chefin auf Transparenz und versichert, alles für eine Verbesserung zu tun. Die Intel-Ansiedlung wird für neue Probleme sorgen.

Wie viele Jahre muss ich in Deutschland leben, um eingebürgert zu werden? Kann ich mit einer Duldung außerhalb der EU reisen? Wann wird mein Aufenthaltstitel verlängert? - Fragen, die Antje Schirmer täglich hört.

Auch bei einer Info-Veranstaltung in der Uni Magdeburg sind viele Menschen mit ähnlichen Anliegen gekommen. Die Fachbereichsleiterin der Ausländerbehörde bleibt über zwei Stunden da und redet, bis die Techniker das Licht im Hörsaal ausschalten wollen. Bleibt freundlich, aber bestimmt. Verteilt am Ende an rund zwei dutzend Gästen ihre Kontaktdaten, um Einzelfälle nochmal zu prüfen.

Die Kollegen wollen wirklich, schaffen es aber gerade nicht.

Antje Schirmer Leiterin der Ausländerbehörde

Im Publikum rund 200 Gäste, davon auch einige Mitarbeiter der Behörde, die privat dabei sind. Schirmers Botschaft an diesem Abend: "Wir wollen uns nicht verstecken. Die Kollegen wollen wirklich, schaffen es aber gerade nicht." Momentan bleibt ihr nicht viel übrig, als die Menschen zu bitten, Geduld bei ihren Anliegen zu haben. Das Telefon stehe nicht still, auch ein Besuch der Behörde ohne Termin sollte vermieden werden.

Die Ausländerbehörde hatte zu einer Info-Veranstaltung in der Uni Magdeburg eingeladen.
Rund 200 Menschen folgten im Hörsaal den Ausführungen der Mitarbeitenden der Ausländerbehörde bei einer Info-Veranstaltung. Bildrechte: MDR/Max Hensch

Neue Leiterin vor großen Aufgaben

Schirmer hat ihr Amt zum Jahreswechsel übernommen. Stand damals: Über 2.000 offene Anträge zur Einbürgerung standen aus. 17 von knapp 100 Stellen waren durch Schwangerschaft, Elternzeit oder Krankheit unbesetzt. Dadurch warten Menschen auf wichtige Dokumente, einige sind gefrustet, auch an diesem Abend.

Mehr Personal für die Behörde zu finden, sei jedoch keine leichte Aufgabe, sagt auch Schirmers Vorgesetzter, Ordnungsbeigeordneter Ronni Krug: "Das sind mittlerweile halbe Juristen. Es gibt allein zum Aufenthaltsrecht 70 Gesetzesänderungen. Nur die, die das durchschauen und verstehen kann ich letztendlich in der Ausländerbehörde arbeiten lassen."

Mitarbeiter sind mittlerweile halbe Juristen.

Ronni Krug Ordnungsbeigeordneter

Daher sei es auch schwierig, Personal aus anderen Bereichen der Verwaltung zu verschieben. Aktuell soll ermittelt werden, wie viele Mitarbeiter der Behörde fehlen, dann muss Krug das nötige Geld in den eng gestrickten Haushalt der Stadt Magdeburg bekommen.

Dafür ist die Ausländerbehörde unter anderem zuständig • Asylverfahren, Duldung Aufenthaltserlaubnis und Einbürgerung
• Registriert Klienten im Ausländerzentralregister, stellt Dokumente aus
• Arbeitserlaubnis, Betreuung von Studenten und Arbeitskräften aus dem Ausland
• Bewilligt freiwillige Ausreisen und Abschiebungen

"Da habe ich manchmal das Gefühl, diejenigen, die auf Bundesebene diese Gesetze gemacht haben, haben sich über die praktische Umsetzung bei den Kommunen überhaupt keine Gedanken gemacht. Der logische Gedankengang wäre gewesen: Ich sorge dafür, dass die Kommunen finanziell und personell richtig ausgestattet sind. Aber diese beiden Punkte hatte der Bundesgesetzgeber überhaupt nicht auf dem Schirm. Oder wollte sie nicht auf dem Schirm haben." Krug fordert in diesen Bereichen dringend Unterstützung des Bundes.

Prognosen zeigen: Deutlich mehr Zuwanderung

Allein im vorigen Jahr stieg die Zahl der Ausländer in Magdeburg um rund 5.000 auf über 39.000. Krug liegen Schätzungen vor, die davon ausgehen, dass sich diese Zahl im Zuge der Intel-Ansiedlung verdoppeln könnte. Der Druck auf die Behörde wächst, Schirmer und Krug denken laut über Lösungen nach. Der Umzug in das größere Gebäude im Norden der Stadt bietet zumindest räumlich neue Möglichkeiten. In Kürze sollen einige Anträge online gestellt werden können. Aus Sicht von Krug ist der digitale Weg Teil der Lösung: "Bei den Massen an Anträgen, die wir jetzt haben und in den nächsten Jahren haben, werden wir das Problem nicht personell in den Griff bekommen. Das wird nur über die Prozesse gehen."

Doch in der Digitalisierung liegen viele Vorhaben auf Eis, für entscheidende Schritte nach vorne fehlt es aktuell noch an Zeit, das Tagesgeschäft fordert das knappe Mitarbeiter-Kontingent. Etwa eine Möglichkeit, Klienten den Bearbeitungsstand ihrer Anträge anzeigen zu können, wird für die Mitarbeiter wohl vorerst Wunschtraum bleiben. Wie wichtig das wäre, zeigen Fragen auf der Info-Veranstaltung: Einige Anträge liegen bereits seit Jahren vor.

Eine weitere Überlegung: Künstliche Intelligenz, die selbstständig digitale Anträge vorprüfen könnte. Bei der Sachbearbeiterin kämen dann die komplizierten Fälle an. Hier macht Krug jedoch klar, damit bewege man sich wahrscheinlich juristisch auf dünnem Eis. Am Rande des rechtlich Möglichen war eine zuletzt eingeführte Dokumenten-Box, um bei der Ausgabe von Papieren Zeit zu sparen.

An der Magdeburger Ausländerbehörde wird um jede Minute Zeit gerungen, die in die Beratung oder das Bearbeiten von Anträgen investiert werden kann. Das Problem: Durch viele Gesetzesänderungen sind die Menschen verwirrt, fragen häufig nach. Aber entlasten die Gesetze wenigstens die Behörde? Schirmer wird deutlich: "Den Effekt sehe ich gar nicht, muss ich jetzt sagen. Es macht alles nur komplexer, schwieriger, weil man kann ja die Kollegen gar nicht mehr ausreichend informieren."

Lob von Vereinen

Dass die Mitarbeiter trotzdem ihr möglichstes tun, bestätigen auch Migrationshelfer der Sozialverbände, die die Info-Veranstaltung besuchen. Sie loben die gute Zusammenarbeit - ein versöhnlicher Moment, in dem man Schirmer ansieht, warum sie diesen Job macht: " Es ist eine Herzensangelegenheit. Man muss bloß immer aufpassen, dass man nicht ausbrennt. Im Übrigen auch die Kollegen, weil man ist da dabei, das hat immer mit Schicksalen zu tun. Und das ist mir halt auch sehr bewusst, deshalb bin ich auch immer ansprechbar und blocke das nicht alles ab."

Die Info-Veranstaltung im Hörsaal der Uni Magdeburg hatte der Syrisch-Deutsche Kulturverein organisiert. 2022 hatte der Verein gegen die Zustände in der Ausländerbehörde demonstriert. Mittlerweile hat sich die Situation laut Sprecher Aram Badr gebessert. So sei es jetzt leichter, durch neue Technik Sprachbarrieren zu überwinden. Auch das neue Gebäude sei positiv zu bewerten, jedoch sei die Personalsituation keine Entschuldigung für Versäumnisse beim Bürgerservice.

Die Behörde ist die wichtigste Schnittstelle für Menschen aus dem Ausland. Sie steht im Zweifelsfall zwischen ihnen und einem guten Leben.

Aram Badr, Syrisch-Deutscher Kulturverein

Die Verwaltung müsse hier weiter proaktiv handeln. "Die Behörde ist die wichtigste Schnittstelle für Menschen aus dem Ausland. Sie steht im Zweifelsfall zwischen ihnen und einem guten Leben und die Menschen sind absolut auf sie angewiesen." Gerade mit dem Zuzug rund um Intel befürchtet Badr eine zusätzliche Belastung, da die Antragszahlen weiter steigen würden.

Vorbereitung auf Intel

Was ist noch zu tun, bevor Intel kommt? Antje Schirmer hat noch einiges vor: "Auf jeden Fall die Digitalisierung. Unser Gebäude vernünftig zu Ende beziehen und so auszustatten, dass wir da schön arbeiten können. Wir haben vorhin gerade geguckt, nach einem digitalen System für den Eingangsbereich, weil da immer noch viele Zettel hängen. Das muss verschwinden, einfach auch, um schön auszusehen. Aber nur schön aussehen reicht nicht. Das Thema Servicegedanke ist auch noch ganz oben mit auf der Agenda. Ansonsten die Mitarbeiter zu halten, weiterhin zu motivieren. Das sind so die Kernpunkte. Ich kann es mir nicht leisten, dass irgendeiner da noch abspringt."

Ein Stempel mit der Aufschrift "Hinweis: Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Über eine Genehmigung entscheidet die Ausländerbehörde", 2015
Das Personal in Magdeburgs Ausländerbehörde ist knapp bemessen, gesetzliche Änderungen erfordern eine gehörige Portion Fachkenntnis. Bildrechte: picture alliance / dpa | Jens Wolf

Aktuell bürgert die Behörde Menschen ein, die 2022 Anträge gestellt haben. In diesem Jahr erwarten Krug und Schirmer einen weiteren, deutlichen Aufwuchs der angestauten Anträge, weil das Einbürgerungsrechts geändert wurde. Ab Juni wird sich die Zahl der Menschen, die Anspruch haben, deutlich erhöhen. Dazu kommen Änderungen für die Einwanderung von Fachkräften, und bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber.

MDR (Max Hensch)

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15 Kommentare

Mediator vor 33 Wochen

Sorry, aber offensichtlich besteh bei dieser Behörde noch ganz viel Optimierungsbedarf.
Die vielen Berichte über die Ausländerbehörde in Magdeburg lassen bei mir den Eindruck zurück, dass man sich dort noch als Ausländerverhinderungsbehörde fühlt, die nach der Wende den arbeistlosen Ostdeutschen die ausländische Konkurrenz vom Hals halten sollte. Effektive Verfahren waren da nicht gefragt.

Die Ausländerbehörde scheint in Sachen Effektive und Effiziente Verfahren noch eine steile Lernkurve vor sich zu haben.

Mediator vor 33 Wochen

Anscheinend stinkt es in der Behörde ja gewaltig, wenn da erst mal den Chef austauschen musste und die neue Chefin verklausuliert sagt, dass es noch am Servicegedanken fehlt.
Deutlicher ausgedrückt bedeutet das, dass diejenigen die ihren Job den Ausländern in unserem Land zu verdanken haben anscheinend der Meinung sind, dass sie denen gegenüber und ihrem Arbeitgeber keine Leistungspflicht haben die sich in einer serviceorientierten Denk- und Handlungsweise ausdrückt.

Schon blöd, wenn 20 deutsche Facharbeiter nicht eingestellt werden, weil der indische Ingenieur der ihre Abezilung aufbauen soll keine Arbeitserlaubnis bekommt.

Mediator vor 33 Wochen

Welche anderen Aufgaben hat denn bitte eine Ausländerbehörde abzuwickeln, als sich um die Belange von Ausländern, wozu auch Geflüchtete gehören, zu kümmern? Natürlich wäre es auf der Arbeit viel schöner, wenn es da keine Arbeit zu erledigen gäbe, aber so läuft das eben nicht in unserem Land.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu schützen ist Aufgabe jeder staatlichen Gewalt - mal so aus dem Kopf zitiert - schreibt uns das Grundgesetz vor. Wenn Menschen bei uns obwohl sie arbeiten dürften dies nicht tun können, weil eine Behörde ihre Arbeit nicht erledigt, dann geht das gegen die Würde des Menschen und es kostet den Steuerzahler richtig Geld.

Wie kommen sie auf die dumme Idee, das Geflüchtete nicht dankbar sind für das was unser Land leistet? Nur weil ihnen noch keiner persönlich die Füße geküsst hat?

Sind sie dankbar, das sie es warm, sicher und satt haben und stellen deswegen keine anderen Anforderungen mehr an den Staat? Wohl kaum, aber geflüchtete sollen das wohl tun.

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