Ein Mann legt am Mahnmal Magda Blumen nieder.
Mit einer stillen Kranzniederlegung haben Mitglieder des Landtags und der Landesregierung in Magdeburg an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Klaus-Dietmar Gabbert

Terminchaos Kranzniederlegung für Opfer des Nationalsozialismus in Magdeburg – Bauerndemo auf Sonntag verschoben

26. Januar 2024, 16:35 Uhr

Die geplante Demo der Landwirte in Magdeburg am Samstag ist auf Sonntag verschoben worden. Zuvor gab es Kritik an der teilweisen Absage des Holocaust-Gedenken, das zur gleichen Zeit im Landtag hätte stattfinden sollen. Der 27. Januar ist seit 1996 ein gesetzlich verankerter Gedenktag, der an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau erinnert.

Mit einer stillen Kranzniederlegung haben Mitglieder des Landtags und der Landesregierung in Magdeburg an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Landtagspräsident Gunnar Schellenberger sprach am Samstagvormittag das Totengedenken am Denkmal der verfolgten und ermordeten Magdeburger Sinti und Roma.

"Wir sind uns aller Opfergruppen bewusst und ihrem Gedenken verpflichtet", sagte Schellenberger. Es sei eine bleibende Aufgabe, mahnend an die Verbrechen zu erinnern und entschieden dafür einzutreten, dass Menschen keine Verbrechen erleiden müssen.

Der Bauernverband Sachsen-Anhalt hatte seine geplante Protestkundgebung zuvor auf Sonntag verschoben. Wie die Organisation am Freitag mitteilte, reagierten die Landwirte damit auf die Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nationalsozialismus am Samstag. Man wolle diese nicht beeinträchtigen. Die Protestkundgebung finde nun am Sonntag um 16 Uhr auf dem Domplatz in Magdeburg statt.

Nicht vergessen steht auf einem Kranz am Holocaust-Gedenktag 4 min
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MDR SACHSEN-ANHALT Fr 26.01.2024 10:19Uhr 03:55 min

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Holocaust-Gedenken bleibt abgesagt

Parlamentspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) unterbrach am Freitag nach dem Bekanntwerden der Demo-Verschiebung unerwartet die Landtagssitzung und bat die Fraktionsvorsitzenden zu einer erneuten Beratung über den Umgang mit dem Holocaust-Gedenken. Es blieb jedoch bei der Absage.

Aufgrund der Tatsache, dass man bereits alle Gäste ausgeladen und viele Dinge umorganisiert habe, sei einstimmig entschieden worden, keine Rolle rückwärts zu machen, sagte der Landtagspräsident.

Ursprünglich sollte die Kundgebung bereits am Samstag stattfinden. Weil aber am 27. Januar bundesweit der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird, entschied sich der Bauernverband Sachsen-Anhalt dafür, die Veranstaltung zu verschieben. Auch weil Ministerpräsident Reiner Haseloff seine Teilnahme an den Bauernprotesten wegen des Holocaust-Gedenktages abgesagt hatte. Das teilte die Staatskanzlei MDR SACHSEN-ANHALT mit.

Haseloff bietet Gespräch an

Haseloff wolle demnach stattdessen bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus in Wittenberg dabei sein. Das habe Priorität. Auch nach der Verschiebung der Demo blieb Haseloff bei seiner Entscheidung. Er biete den Bauern ein Gespräch in der Staatskanzlei an, um die Problemlagen zu erörtern, hieß es.

Veranstaltung könnte am 1. März nachgeholt werden

Zunächst hatte der Landtag die Veranstaltungen sowie eine geplante Kranzniederlegung in Magdeburg abgesagt. Aufgrund der erwarteten Teilnehmerzahl der Demo im vierstelligen Bereich sowie deren Traktoren sei es nicht möglich, am Domplatz und im Plenarsaal für ein angemessenes, würdiges Gedenken zu sorgen.

Außerdem könne man eine ungehinderte An- und Abreise sowie die vollständige Sicherheit der Teilnehmer des Gedenkens nicht gewährleisten. Auf MDR-Nachfrage sagte Schellenberger, er habe befürchtet, dass ein stilles Gedenken nicht möglich sei: "Ich habe als Hausherr die Verantwortung. Dieser Verantwortung muss ich mich dann stellen."

Die Entscheidung habe er gemeinsam mit dem Verwaltungschef getroffen, nachdem er am Morgen von der Demo erfahren habe. Der Landtagspräsident kündigte an, die Veranstaltung schnellstmöglich nachzuholen. Mitglieder des Ältestenrates nannten im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT als neues Datum den 1. März. Die Kranzniederlegung fand nun doch wie geplant am Samstag in Magdeburg statt.

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Entscheidung löst Kritik in der Landtagsfraktion aus

Innerhalb der Landtagsfraktionen hatte die Entscheidung nach Bekanntwerden Kritik ausgelöst, weswegen der Ältestenrat während der laufenden Plenarsitzung kurzfristig einberufen wurde. Schellenberger räumte den Fehler ein, die Fraktionsvorsitzenden in seine Entscheidungsfindung nicht mit einbezogen zu haben. Instinktlos sei die Entscheidung aber nicht gewesen: "Da wir wissen, was wir heute noch für aktuelle Debatten hatten, war ein hoher Druck im Haus. Und ich glaube, sicherlich kann man das eine oder andere in der Information besser machen."

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Eva von Angern, nannte die Entscheidung des Ältestenrats bei MDR SACHSEN-ANHALT einen "klugen Kompromiss". Wenn draußen mehr als 150 Traktoren Lärm machten, sei die Gedenkveranstaltung nicht so möglich, wie man sich das vorstelle: "Die Versammlungsbehörde hat leider keine Verfügung aufgegeben, dass zu einem bestimmten Zeitraum einfach nicht gehupt werden darf. Aber wenn wir ehrlich sind, wäre es wahrscheinlich auch schwer durchsetzbar gewesen. Ich bedauere das sehr. Die Woche hat sieben Tage und es gibt viele Orte in Sachsen-Anhalt, wo man demonstrieren kann."

Von Angern ergänzte, sie hätte sich gewünscht, dass auf die Opfer des Holocausts Rücksicht genommen wird: "Es ist genau ein Tag im Jahr, wo man das hätte tun müssen. Bei allem Druck, der besteht bei den Bäuerinnen und Bauern, den ich nachvollziehen kann, kann ich deren Entscheidung jetzt nicht mehr nachvollziehen."

Eva von Angern, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Landtag Sachsen-Anhalt, stellt auf einer Pressekonferenz vor der Bundespressekonferenz die Forderungen ihrer Partei einer gerechten Lastenverteilung der Krisenkosten und Wiedererhebung der Vermögensteuer vor.
Eva von Angern (DIE LINKE) spricht von einem "klugen Kompromiss". Bildrechte: picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Rüdiger Erben, kritisierte bei MDR SACHSEN-ANHALT, dass seine Fraktion von der ursprünglichen Absage aus den Medien erfahren habe. Das sei ein Unding. Außerdem sei die Absage unsensibel gewesen. Erben äußerte die Erwartung, dass die Versammlungsbehörde für die Zeit der Gedenkstunde am Denkmal eine Beschränkungsverfügung für die Hegelstraße erlässt.

Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zeigt sich verständnisvoll

Verständnis für die Absage der Gedenkveranstaltung äußerte der Wissenschaftliche Leiter des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Jonathan Mack. Mack sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstagabend, eine würdige und störungsfreie Gedenkveranstaltung sei im Sinne der Opfer wichtig und dürfe nicht durch Lärmunterbrechungen überlagert werden.

"Der Zentralrat hat auch Verständnis für politische Demonstrationen von Bürgerinnen und Bürgern wie auch der Bauern. Eine solche Demonstration darf nicht verboten werden. Gerade jetzt am Gedenktag für die Opfer des Holocaust erwartet der Zentralrat, dass sich die Proteste nicht von rechtsextremen Kräften vereinnahmen lassen und dass die Veranstalter auch klare Haltung zeigen gegen jede Form von Rechtsextremismus, Antiziganismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit", so Mack.

Landesverband der Jüdischen Gemeinden reagiert mit Unverständnis

Deutlich kritischer äußerte sich der Vorsitzende des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden, Max Privorozki, der sich gegen die Verschiebung der Gedenkveranstaltung aussprach. Privorozki teilte MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstagabend mit, er könne die Entscheidung und die Begründung des Landtagspräsidenten nicht nachvollziehen.

Das Gedenken am Samstag sei nicht nur eine Sache des Landtags, sondern aller Menschen, die in Sachsen-Anhalt lebten: "Wenn es eine angemeldete Demonstration der Bauern gibt, dann ist es doch kein Problem für die Politiker, nach draußen zu gehen und gemeinsam mit den Landwirten eine Schweigeminute zu machen und danach mit der Veranstaltung im Landtag wie geplant fortzufahren. Das wäre sehr gut, um zu zeigen, dass das Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus keine Eliteveranstaltung ist, sondern alle Menschen betrifft."

Dippe: Demo der Landwirte war ordnungsgemäß angemeldet

Ein Mann steht vor einem Traktor
Martin Dippe vom Bauernbund sagt, dass die Demonstration ordnungsgemäß angemeldet wurde. Bildrechte: MDR/Lucas Riemer

Der Präsident des Bauernbunds in Sachsen-Anhalt, Martin Dippe, sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstag, man habe die Demonstration am Samstag ordnungsgemäß angemeldet. Die Frage, ob andere Veranstaltungen, Demonstrationen oder Kundgebungen auf dem Domplatz angemeldet seien, habe die Versammlungsbehörde verneint.

Erst später habe die Behörde auf das Gedenken verwiesen und darum gebeten, mit der eigenen Veranstaltung etwas später zu beginnen und auf das Hupen solange zu verzichten. Das habe man zugesagt.

Dippe nannte die in der Mitteilung des Landtags geäußerte Annahme, dass die Sicherheit der Teilnehmer des Gedenkens durch die Bauern nicht gewährleistet sei, nicht nachvollziehbar. Es gehe den Landwirten nicht um eine politische Richtung. Man habe in den vergangenen Wochen stets friedlich und vernünftig protestiert. Dippe wollte auf Nachfrage nicht ausschließen, dass mit der Absage Stimmung gegen die Bauern gemacht werden sollte.

79. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

Am Sonnabend jährt sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zum 79. Mal. Der 27. Januar ist seit 1996 zentraler und gesetzlich verankerter Gedenktag für die Opfer des Holocausts. Das hatte der damalige Bundespräsident Roman Herzog (CDU) festgelegt.

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