Nach Ankauf Wertvolle Marienthaler Handschriften bleiben in Sachsen
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Grit Krause, MDR Kulturdesk
06. Dezember 2023, 17:41 Uhr
Im vergangenen Jahr boten die Zisterzienserinnen des finanziell angeschlagenen Klosters St. Marienthal im sächsischen Ostritz wertvolle mittelalterliche Handschriften auf dem internationalen Kunstmarkt zum Verkauf an. Das wurde scharf kritisiert – denn der Verlust der einzigartigen Werke war zu befürchten. Nun konnte der Freistaat die historisch bedeutsame Klosterbibliothek erwerben. Der Bestand soll weiter erforscht und in einer Ausstellung auch der Öffentlichkeit präsentiert werden.
- Der Freistaat Sachsen hat den Bibliotheksbestand des Klosters St. Marienthal für 5,5 Millionen Euro erworben.
- Zuvor wollte das Kloster einige Objekte auf dem freien Kunstmarkt verkaufen.
- Die Buchkunstschätze aus St. Marienthal sollen 2025 in einer Ausstellung gezeigt werden.
Die Bibliothek des Zisterzienserinnenklosters St. Marienthal ist einzigartig. Allein schon deshalb, weil nur noch wenige Saalbibliotheken dieser Art aus der Barockzeit erhalten sind, aber auch im Zusammenspiel mit dem historisch gewachsenen Bestand von Büchern und Schriften, die sich dort befinden. Die Sammlung umfasst über 2.700 Titel vom 12. bis zum 19. Jahrhundert, darunter acht mittelalterliche Handschriften, 21 Inkunabeln sowie 35 historisch wertvolle Urkunden.
Seit April 2021 gab es intensive Verhandlungen mit dem Freistaat, diese herausragende Sammlung zu kaufen. Das ist jetzt gelungen. Für 5,5 Millionen Euro konnte der gesamte Bibliotheksbestand für die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) erworben werden. Dabei gab der Freistaat 4,5 Millionen Euro und mit einer Million beteiligte sich die Ernst von Siemens Kunststiftung am Erwerb dieses einzigartigen sächsischen Kulturerbes. Für die Wissenschaft sowie für die Öffentlichkeit und kommende Generationen ist es damit dauerhaft gesichert.
Klöster sind geheimnisvolle Orte, die Schätze bewahren. Aber wir müssen Schätze auch mal teilen.
Wertvolle Bestände in der SLUB Dresden
Künftig sollen die gedruckten Schriften als Leihgaben in der Klosterbibliothek verbleiben. Die Handschriften und Inkunabeln wiederum befinden sich derzeit in der SLUB. Darunter das Kapiteloffiziumsbuch des Klosters Altzelle/Altzella von 1174/75 und der etwa 800 Jahre alte, reich illustrierte St. Marienthaler Psalter.
Geplant ist 2025 eine Ausstellung in der Schatzkammer der SLUB mit den Buchkunstschätzen aus St. Marienthal. Danach gehen diese Exemplare in das Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Leipzig, wo weiter an ihnen geforscht wird. Die historischen Urkunden werden in Zukunft im Hauptstaatsarchiv Dresden aufbewahrt werden.
Geplanter Verkauf wertvoller Handschriften sorgte 2022 für Kritik
Im vergangenen Frühjahr sorgte der Konvent, speziell die Äbtissin Elisabeth Vaterodt, für negative Schlagzeilen. Es war bekannt geworden, dass die Schwestern drei Objekte – besagtes Kapiteloffiziumsbuch, den St. Marienthaler Psalter und eine Goldene Bulle aus dem Jahr 1359, eine Urkunde des böhmischen Königs und deutschen Kaisers Karl IV. – auf dem internationalen Kunstmarkt verkaufen wollten. Für vier Millionen wurden die Schriften damals über einen Schweizer Händler angeboten.
Grund dafür war die prekäre finanzielle Situation des Klosters, die sich durch das Neißehochwasser 2010 ergeben hatte. Zwar hatte es Fördergelder für den Wiederaufbau vom Freistaat gegeben, aber offenbar hatten die nicht ausgereicht, um die schweren Schäden an dem barocken Gebäudeensemble zu beseitigen.
Von Archivaren, Historikern und Politikern wurde scharfe Kritik geäußert, denn es bestand die Gefahr, dass diese Schätze, einmal verkauft, für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich würden. Der Druck von außen zeigte Wirkung, die Verhandlungen mit dem Freistaat wurden fortgesetzt und führten jetzt zum Erwerb der gesamten Klosterbibliothek. Die finanziellen Nöte des Konvents seien damit, laut der Äbtissin, Geschichte, man müsse aber jetzt absichern, dass man künftig nicht noch einmal in eine derartige Situation käme.
Bedeutsame Zeugnisse sächsischer Geschichte und Kultur
Die Handschriften aus der St. Marienthaler Bibliothek stammen ursprünglich aus dem Kloster Altzelle bei Meißen, der Grablege der Wettiner. Mit der Reformation wurde das Kloster säkularisiert und die Bestände aus der Bibliothek kamen nach Leipzig, wo sie den Grundstock der Universitätsbibliothek bildeten. Acht Handschriften konnten jedoch nach St. Marienthal "gerettet" werden, das sich damals auf böhmischem, also katholischen Territorium befand. Sie stehen jetzt zur weiteren Erforschung – auch als Digitalisat – zur Verfügung.
Sie sind nicht nur außergewöhnliche Zeugnisse der Buchkunst, sondern stehen für eine klösterliche Kultur, deren personelle und institutionelle Netzwerke ganz Europa überspannten.
Das trifft unter anderem auf das reich bebilderte Kapiteloffiziumsbuch zu. Der St. Marienthaler Psalter hingegen gewährt mit seinen Psalmen, Mariengebeten und Andachten, vor allem aber durch die farbprächtigen Miniaturen und figürlich gestaltenten Rankinitialen einen Einblick in die Kultur des Hochadels in Sachsen in der Zeit um 1300. Damit ist dieses Buch das einzige Schriftzeugnis dieser Art.
Das Kapiteloffiziumsbuch von 1174/75 sowie der St. Marienthaler Psalter sind bis zum 6. Januar 2024 in der Schatzkammer der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden zu sehen.
Informationen zur Ausstellung
Zwei Mittelalterliche Codices aus dem Kloster St. Marienthal
6. Dezember 2023 bis 6. Januar 2024
Schatzkammer der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek
Zellescher Weg 18
01069 Dresden
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr
Samstag 14 bis 18 Uhr
Quellen: MDR KULTUR (Grit Krause)
Redaktionelle Bearbeitung: lig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 07. Dezember 2023 | 06:15 Uhr