Schleuser, Flüchtlinge, Unfall A4 Ludwigsdorf, Görlitz,
Auf der Flucht vor der Polizei fuhr der Schleuser den Wagen mit mindestens 27 Insassen beim Rastplatz Löbauer Wasser, etwa zehn Kilometer vor Bautzen, in eine Böschung. Bildrechte: Bundespolizeiinspektion Ludwigsdorf

Migration Unfälle und Verfolgungsjagden: Lebensgefährliche Schleusungen nach Sachsen

30. Juli 2023, 10:23 Uhr

Die Zahl der festgestellten illegalen Einreisen nach Mitteldeutschland hat sich im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres mehr als verdoppelt. Die Bundespolizei berichtet immer wieder von überfüllten Transportern, in denen Migranten ungesichert über die Grenze gebracht werden. Extrem gefährliche Schleusungen nehmen zu. Bei Görlitz und in anderen Regionen Sachsens kam es in letzter Zeit zu mehreren Verfolgungsjagden und Unfällen. Bei Pirna kam sogar ein Mann ums Leben.

Als die Polizei auf der Autobahn 4 versuchte, den Kastenwagen zu stoppen, bretterte der mit 150 Sachen durch den Baustellenbereich am Tunnel Königshainer Berge davon. Bei der Flucht zwang er andere Fahrer, auf den Seitenstreifen auszuweichen und versuchte nach Einschätzung der Bundespolizeibeamten ihre Wagen abzudrängen.

Schließlich fuhr er beim Rastplatz Löbauer Wasser in eine Böschung und flüchtete. 27 syrische Migranten wurden in der Umgebung aufgegriffen. Sie hatten während der rasanten Fahrt ungesichert auf der Ladefläche des Wagens gestanden. Der mutmaßliche Schleuser, ein Syrer, wurde später festgenommen, wie die Bundespolizeiinspektion Ludwigsdorf berichtet.

Der Vorfall, der sich am Sonnabend vor einer Woche ereignet hat, ist nur einer von vielen in Sachsen, bei denen Schleuser durch ihre Fahrweise nicht nur die Insassen gefährden, sondern auch unbeteiligte Straßenverkehrsteilnehmer und Polizeikräfte.

Schleuser fährt unter Drogeneinfluss

Am Montag war zum Beispiel ein Schleuser gerade dabei, mehrere Syrer auf der Bundesstraße zwischen Kodersdorf und Görlitz abzusetzen, als Bundespolizisten den Vorgang beobachteten und ihn stoppen wollten. Da raste er davon und fuhr verkehrt herum in einen Kreisverkehr.

Ein unbeteiligter Verkehrsteilnehmer konnte per Vollbremsung einen Zusammenstoß verhindern. Schließlich gelang es den Polizeibeamten, den Fahrer zu stoppen. Nachdem sie ihn überholt hatten, fuhr er allerdings auf ihr Auto auf, stieg aus, rannte davon und ließ seinen Opel in die Böschung rollen. Nach Angaben der Polizei stand der Georgier während der Fahrt unter Drogen. Er wurde schließlich festgenommen und kam in Untersuchungshaft.

Schleuser, Flüchtlinge, Unfall A4 Ludwigsdorf, Görlitz,
Nach einer Verfolgungsjagd endete der Opel eines mutmaßlichen Schleusers in einer Böschung kurz vor der Auffahrt auf die A4 Richtung Polen. Bildrechte: Bundespolizeiinspektion Ludwigsdorf

Risiken für Geflüchtete steigen

Offenbar nehmen Schleuser immer höhere Risiken für sich und die Personen in Kauf, die sie transportieren. Laut Bundespolizei gab es im ersten Halbjahr 2023 "einen Anstieg an Schleusungen, bei denen Geschleuste einer erheblichen Gefahr für ihre Gesundheit oder gar ihr Leben ausgesetzt wurden".

Festgestellte Schleusungen seit 2021

2021 hat die Bundespolizei 1.916 Schleusungsvorgänge festgestellt. 2022 waren es 2.386. Von Januar bis einschließlich Juni dieses Jahres wurden 1.007 Schleusungen festgestellt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in den letzten Jahren die allermeisten illegalen Einreisen von Juli bis November stattfanden.

Schleuser würden zum Beispiel immer wieder große Personengruppen ungesichert auf der Ladefläche von Transportern oder Lkw sowie im Kofferraum ihrer Pkw transportieren. Zudem seien die Schleuser "zunehmend skrupelloser", um bei Kontrollen der Polizei zu entkommen, teilte die Bundespolizei mit.

Schleusern seien die Menschen, die sie transportieren, "völlig egal", sagte der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dieter Romann, am Montag. "Sie scheren sich nicht um die Gefahr für Leib und Leben. Es geht ihnen nur ums Geld."

Zahl der illegalen Einreisen steigt

Wie groß die Nachfrage nach dem Geschäft ist, wird deutlich, wenn man auf die Zahlen schaut: Von Januar bis einschließlich Juni wurden bundesweit 45.338 unerlaubt eingereiste Menschen registriert, im Vergleich zu 29.174 im ersten Halbjahr 2022.

Begriffserklärung "unerlaubt eingereist" Unerlaubt eingereist heißt, die Menschen hatten nicht die nötigen Visa, Aufenthaltstitel oder Ausweispapiere. In der Regel geht es um Flüchtlinge oder Migranten, die nach der Einreise in Deutschland Asyl beantragen.

In Mitteldeutschland hat sich die Zahl der festgestellten unerlaubten Einreisen im ersten Halbjahr dieses Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar mehr als verdoppelt: Im Jahr 2023 stellte die Bundespolizei in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Zeitraum Januar bis einschließlich Juni 10.425 unerlaubte Einreisen fest. 2022 waren es im Vergleichszeitraum 4.183. Die allermeisten dieser Einreisen werden in Sachsen festgestellt, da Thüringen und Sachsen-Anhalt nicht an andere Staaten grenzen.

Wie gefährlich die Fahrten für die Geschleusten sein können, zeigte vorletzte Woche ein Unfall auf der Autobahn 17 zwischen Bahretal und Pirna: Dort kam ein Insasse eines Schleuserfahrzeuges bei einem Unfall ums Leben. Auch in diesem Fall war der Fahrer nach Angaben der Polizei davongerast, um sich einer Kontrolle zu entziehen.

Mehr zum Thema

Ein Mann mit Brille steht neben einer Demonstration. 30 min
Bildrechte: MDR/DokFilm

MDR (jwi)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 27. Juli 2023 | 19:30 Uhr

Mehr aus Görlitz, Weisswasser und Zittau

Mehr aus Sachsen