Prozess Grünes Gewölbe Geständnisse, ein Alibi und ein Deal: Ein Blick auf die Angeklagten

15. Mai 2023, 12:42 Uhr

Mehr als ein Jahr lief am Landgericht Dresden der Prozess um den Juwelendiebstahl im Grünen Gewölbe. Mit der Urteilsverkündung endete der Mammutprozess am Dienstag. Wir fassen zusammen, was über die Angeklagten und die Tat bekannt ist.

Eingeschmolzen, auseinandergebrochen, für immer zerstört. Die aus dem Grünen Gewölbe gestohlenen Juwelen werde man nie wiedersehen, so die Befürchtung vieler nach dem Diebstahl aus dem Grünen Gewölbe im November 2019. Durch einen "Deal", den die Staatsanwaltschaft mit den Angeklagten einfädelte, kehrten einige Schmuckstücke zu den Staatlichen Kunstsammlungen zurück. Der im Gegenzug ausgehandelte "Strafrabatt" sorgte auch für Kritik. Was die Angeklagten zugegeben haben und womit sie zum Prozessende rechnen mussten.

Wissam Remmo, 26 Jahre alt, hat Geständnis abgelegt

Wissam Remmo
Wissam Remmo wurde bereits wegen des spektakulären Münzdiebstahls aus dem Berliner Bodemuseum verurteilt. Bildrechte: imago images/Olaf Wagner

Wissam hat ein Geständnis abgelegt. Er hat zugegeben, zur Vorbereitung des Einbruchs mehrmals in Dresden gewesen zu sein. Dabei spähte er das Residenzschloss innen und außen aus. Der 26-Jährige gab außerdem zu, in Erlangen hydraulische Schneidgeräte gestohlen zu haben. Vor dem Einbruch ins Grüne Gewölbe habe er dann aber kalte Füße bekommen und die Geräte in Berlin in der Spree versenkt. Am Tattag - am 25.11.2019 - zündete Wissam im sogenannten Pegelhaus in Dresden einen Stromverteilerkasten an und schaltete so das Straßenlicht rund ums Residenzschloss aus.

Im Rahmen des ausgehandelten Deals beantragte die Staatsanwaltschaft für Wissam Remmo sechs Jahre und acht Monate Haft, die Verteidigung forderte fünf Jahre und neun Monate. Wissam sitzt gerade seine viereinhalbjährige Haftstrafe wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Berliner Bodemuseum ab.

Rabieh Remo, 29 Jahre alt, hat Geständnis abgelegt

Rabieh Remmo im Gerichtssaal
Rabieh Remo gab zu, ins Grüne Gewölbe eingestiegen zu sein und eines der Tatfahrzeuge in einer Tiefgarage angezündet zu haben. Er dürfte daher auch verurteilt werden. Bildrechte: imago/Olaf Wagner

Rabieh hatte bereits im März 2022 ein Teilgeständnis abgelegt. Darin räumte er aber nur ein, bei der Vorbereitung, jedoch nicht beim eigentlichen Einbruch mitgemacht zu haben. Nach dem Deal, dem er zustimmte, gab er dann zu, einer der Haupttäter gewesen zu sein. Er sagte, dass er einer von den beiden Männern war, die ins Grüne Gewölbe eingestiegen sind. Außerdem gestand er, das Fluchtfahrzeug in der Tiefgarage eines Wohnhauses in Dresden-Pieschen angezündet zu haben. In der Vorbereitungsphase sei er relativ früh in die Planung eingestiegen. Rabieh war mehrmals in Dresden und hatte das Residenzschloss außen ausgespäht.

Die Staatsanwaltschaft beantragte für ihn sechs Jahre und acht Monate Haft. Die Verteidigung forderte fünf Jahre und zehn Monate. Rabieh wird nach den Urteilen eventuell aus der U-Haft entlassen. Er muss seine Restschuld dann erst antreten, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Diese Haftverschonung ist Teil des Deals.

Bashir Remmo, 27 Jahre alt, hat Geständnis abgelegt

Bashir hat ein Geständnis abgelegt und zugegeben, beim Einbruch Schmiere gestanden zu haben. Er sei erst relativ spät in den Coup eingestiegen, als Ersatz für jemand anderen.

Die Staatsanwaltschaft beantragte für ihn fünf Jahre und zehn Monate, die Verteidigung ging mit dem Strafmaß mit. Bashir wird nach der Urteilsverkündung eventuell ebenfalls aus der U-Haft entlassen und tritt seine Restschuld dann erst mit Rechtskräftigkeit des Urteils an. Auch bei ihm war diese Haftverschonung Teil des Deals, den er eingegangen war.

M. Remmo, 24 Jahre alt, hat Geständnis abgelegt

M. Remmo war zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt, daher wird er noch nach Jugendstrafrecht verurteilt. Er hatte dem Deal zugestimmt und daraufhin ein Geständnis abgelegt. Der 24-Jährige hatte zugegeben, beim Einbruch Schmiere gestanden zu haben. Außerdem habe er das Fluchtfahrzeug, einen Audi, in der Tiefgarage mit angezündet.

Er behauptet von sich, der Ideengeber für den Einbruch gewesen zu sein. Ein Freund habe ihm nach einer Klassenfahrt von einem Besuch im Grünen Gewölbe und einem "krassen" großen grünen Diamanten erzählt. So sei die Idee für den Einbruch bei ihm entstanden. Später hätten andere diese aufgegriffen und weiterentwickelt. Als er mitbekam, dass da etwas hinter seinem Rücken läuft, habe er durchgesetzt, dass er mitmachen kann.

Die Staatsanwaltschaft beantragte für ihn vier Jahre und sechs Monate. Die Verteidigung forderte eine Strafe von vier Jahren. Er wird nach der Urteilsverkündung eventuell aus der U-Haft entlassen und muss seine Restschuld dann wahrscheinlich ebenso erst mit Rechtskräftigkeit des Urteils antreten. Das war Bestandteil seines Deals.

A. M. Remmo, 24 Jahre alt, bestreitet Beteiligung am Coup

Auch für A. M. Remmo, den Zwillingsbruder von M. Remmo, gilt das Jugendstrafrecht. Er hatte im Gegensatz zu den anderen Angeklagten dem Deal nicht zugestimmt. A. M. Remmo behauptet, dass er beim Einbruch nicht dabei war. Er habe zwar von dem Diebstahl gewusst und auch Äxte und andere Dinge dafür besorgt, aber am eigentlichen Coup sei er nicht beteiligt gewesen. Das sieht die Staatsanwaltschaft anders. Sie gehe davon aus, dass A. M. der fünfte am Coup beteiligte Mann sei. Die Staatsanwaltschaft will ihn deswegen als Mittäter und nicht nur wegen Beihilfe verurteilen.

Die Staatsanwaltschaft beantragte für A. M. Remmo unter Einbeziehung einer alten Bewährungsstrafe eine Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren. Außerdem soll er wegen Fluchtgefahr nicht nach der Urteilsverkündung aus der U-Haft entlassen werden. Die Verteidigung forderte eine Strafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie Haftverschonung.

Ahmed Remmo, 25 Jahre alt, hat ein Alibi für den Tattag

Wayci Remmo und Ahmed Remmo
Ahmed Remmo wird mit großer Wahrscheinlichkeit freigesprochen. Aktuell ist er wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Bodemuseum in Berlin in Haft. Bildrechte: IMAGO / Olaf Wagner

Ahmed Remmo hat offenbar ein Alibi für die Tatnacht. Er war am 25.11.2019 in Berlin in der Notaufnahme einer Klinik. Bei ihm ist deshalb mit einem Freispruch zu rechnen, weil gegen ihn auch keine objektiven Beweise wie zum Beispiel DNA-Spuren vorliegen.

Ahmed sitzt derzeit seine viereinhalbjährige Strafe wegen des Diebstahls der Goldmünze aus dem Berliner Bodemuseum ab.

Warum einige Angeklagte mit vollem Namen genannt und ihre Bilder gezeigt werden und andere nicht.

Grundsätzlich sind die Persönlichkeitsrechte von Angeklagten zu wahren. Das bedeutet, dass Namen und Bilder von Angeklagten nur veröffentlicht werden dürfen, wenn "das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt". So steht es im Pressekodex des deutschen Presserats.

Bei der Abwägung sind laut Pressekodex insbesondere zu berücksichtigen:

  • die Intensität des Tatverdachts
  • die Schwere des Vorwurfs
  • der Verfahrensstand
  • der Bekanntheitsgrad des Verdächtigen oder Täters
  • das frühere Verhalten des Verdächtigen oder Täters
  • die Intensität, mit der er die Öffentlichkeit sucht


Für ein überwiegendes öffentliches Interesse spricht in der Regel, wenn:

  • eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat vorliegt
  • ein Zusammenhang bzw. Widerspruch besteht zwischen Amt, Mandat, gesellschaftlicher Rolle oder Funktion einer Person und der ihr zur Last gelegten Tat
  • bei einer prominenten Person ein Zusammenhang besteht zwischen ihrer Stellung und der ihr zur Last gelegten Tat bzw. die ihr zur Last gelegte Tat im Widerspruch steht zu dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hat
  • eine schwere Tat in aller Öffentlichkeit geschehen ist
  • ein Fahndungsersuchen der Ermittlungsbehörden vorliegt


Liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Verdächtigen oder Täters vor, soll auf eine identifizierende Berichterstattung verzichtet werden.

Bei Zeugen sind Namensnennung und Fotoveröffentlichung in der Regel unzulässig.

Der Deal, die prozessuale Verständigung

Im Dezember 2022 einigte sich die Staatsanwaltschaft mit vier der sechs Angeklagten und ihrer Verteidigung auf einen Deal. Ziel der Staatsanwaltschaft war nach eigener Aussage, den gestohlenen Juwelenschatz wiederzuerlangen. In der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 2022 erfolgte in Berlin die Rückgabe von 31 Einzelteilen der 21 gestohlenen Schmuckstücke. Im Gegenzug wurde ein niedrigerer Strafrahmen festgelegt. Zum Deal gehörte auch, dass die Angeklagten umfangreiche Geständnisse ablegen.

Der Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe Am 25. November 2019 drangen Diebe in das Juwelenzimmer des Grünen Gewölbes in Dresden ein und stahlen 21 Schmuckstücke mit rund 4.300 Diamanten und Brillanten. Der Wert dieser Juwelen wird auf 113,8 Millionen Euro geschätzt.

Seit mehr als einem Jahr müssen sich sechs Männer im Alter von 24 bis 29 Jahren dafür verantworten. Sie stammen aus der arabischstämmigen Berliner Großfamilie Remmo.

Das Grüne Gewölbe zählt zu den bekanntesten und ältesten Kunstsammlungen der Welt. Das Museum gilt als Schatzkammer Sachsens. Die Sammlung geht auf den sächsischen Kurfürsten August den Starken (1670-1733) zurück.

MDR (ama/cnj)/epd/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Mai 2023 | 19:00 Uhr

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