Ein Handwerker montiert auf einem Türmchen eine neue Blitzschutzanlage
Blitzschutzanlagen an Kirchtürmen und Türmchen sind aufwändig zu installieren. Schäden durch Diebstahl wurden jetzt in Dresden an fünf Kirchen bekannt (Symbolfoto). Bildrechte: picture alliance / ZB | Jens Büttner

Buntmetalldiebstahl Nach Blitzableiter-Klau in Dresden: Wie Kirchen und Friedhöfe absichern?

18. Juli 2023, 14:34 Uhr

Meterhohe Jesusfiguren, Gedenkplatten, kunsthistorisch wertvolle Engel und Kreuze, aber auch Stiefmütterchen im Wert von drei Euro sind schon von Friedhöfen in Sachsen gestohlen worden. Nun kappten Unbekannte Blitzableiter an fünf Kirchen in Dresden. Die Betroffenen mussten den Schaden schnell ersetzen. Das denken sie über die merkwürdigen Diebstähle.

In mindestens fünf Kirchen in Dresden ist Mitte Juni bekannt geworden, dass deren Blitzschutzanlagen mutwillig beschädigt worden waren. Teile der Blitzableiter wurden gekappt. Die Schadenssummen in den betroffenen Kirchgemeinden lägen im vierstelligen Bereich, die Schäden seien inzwischen größtenteils wieder repariert, hieß es vom Bistum Dresden-Meißen und den evangelischen Kirchenbezirken Dresden. "Das konkrete Problem mitden Blitzschutzanlagen ist mir nur aus Dresden bekannt", sagt die Sprecherin des evangelisch-lutherischen Landeskirchenamtes Sachsen, Tabea Köbsch. Generell hätten es die sächsischen Kirchgemeinden regelmäßig mit Diebstählen vor allem von Kupfer-Regenrinnen zu tun. Auch Buntmetall-Diebstahl auf Friedhöfen sei ein Dauerproblem.

Ängste, weil Blitzschutz fehlt, aber auch vor unbekannten Tätern

Eine der betroffenen Kirchen war St. Michael Dresden-Bühlau. Der Kirchenvorstandsvorsitzende Steffen Richter beziffert den Schaden durch den Blitzschutz-Klau dort auf 820,21 Euro, der aus der Gemeindekassen bezahlt werden muss. Fünf Erdableiter seien mit Bolzenschneider oberhalb und Trennschleifer unten am Boden gekappt worden. Etwa zehn Meter fehlten insgesamt. Seit wann genau, ist unklar. Zuerst habe seine Gemeinde in Bühlau gedacht, sie sei ein Einzelfall. Als die anderen Diebstähle in der Kreuzkirche, der Martin-Luther-Kirche Dresden-Neustadt, der Emmauskirche Dresden-Kaditz und der katholischen Herz-Jesu-Kirche in der Johannstadt bekannt wurden, "war auch Angst dabei. Wir wissen ja nicht, wer so etwas macht", sagt der Kirchvorsteher.

Er sei zu einer Blitzschutzfirma ins Umland gefahren und habe innerhalb von drei Tagen die Reparatur bekommen. In den Tagen ohne Blitzschutz an der Kirche habe Richter "gebetet, dass kein Gewitter kommt". Der Kirchenchor sollte bei Gewitter nicht in der Kirche proben. "Gebäudeschäden kann man reparieren. Wenn Menschen zu schaden kommen, würden wir uns das nicht verzeihen."

Der zuständige Pfarrer für St. Michael in Bühlau, Ulf Döring, vermutet hinter den Drahtdiebstählen in seiner Gemeinde Beschaffungskriminalität. Denn neben den Blitzableitern seien nebenan auf dem Friedhof auch Kupferabdeckungen von Holzkreuzen von 19 Gräbern abgeschlagen und entwendet worden. "Das ist pietätlos und höchst unverständlich", sagt Pfarrer Döring. Die dünnen Kupferbleche würden im Metallhandel kaum Geld bringen. "Was muss in Menschen vorgehen, die wegen dieser wenigen Gramm kriminell werden", fragt sich der Theologe.

Das ist schon derb. Dafür gibt es doch kaum Geld?!

Steffen Richter Kirchenvorstandsvorsitzender Gemeinde St. Michael Dresden-Bühlau

Dauerproblem: Diebstähle auf Friedhöfen

Deutlicher wird Lara Schink vom Netzwerk der Dresdner Stadtteilfriedhöfe. "Das ist schlimm und tut weh". In den vergangenen fünf Jahren habe es regelmäßig Buntmetalldiebstähle gegeben, vor allem auf dem Neuen Annenfriedhof, aber auch andernorts. Fünf bis sechs Diebstähle seien es zuletzt pro Jahr gewesen, ein "wiederkehrendes Problem", sagt Lara Schink. Vor drei Jahren kam eine zwei Meter hohe Jesusfigur abhanden, immer wieder würden Abdeckungen von Holzgrabmalen gestohlen, auch Kupferdekorationen, Geländer oder Blumenranken.

"Es geht um die Materialwerte. Alles wird einfach kaputt gemacht." Nur selten werden Buntmetalldiebe gestellt, wie im Fall zweier Männer aus Ostsachsen, die 2021 nach Grabbeschädigungen und Figurendiebstählen in Dresden-Tolkewitz und auf dem Johannisfriedhof angeklagt wurden.

Bistum Dresden-Meißen: Vermutlich nicht alle Schäden gemeldet

Das katholische Bistum Dresden-Meißen hat in diesem Jahr bereits neun Einbrüche und Sachbeschädigungen zu verzeichnen. Im Vorjahr waren es elf, im Vor-Corona-Jahr 2019 insgesamt 24 Einbrüche und Diebstähle. Das Bistum erfasst neben Einbruchdiebstählen alle Arten auch einfache Diebstähle, Vandalismus und Sachbeschädigungen. "Es werden dabei wohl nicht alle Fälle ans Bistum gemeldet, zum Beispiel aufgrund geringer Schadenshöhe oder weil keine Versicherungsleistungen zu erwarten sind", sagt Bistumssprecher Michael Baudisch MDR SACHSEN. Den höchsten Anteil an den Schadenssummen hätten Reparaturkosten für Fenster und Türen. Dagegen sei der Materialwert der gestohlenen Gegenstände oder des Bargelds meist gering. Vandalismus-Fälle lägen häufig unter 300 Euro.

Friedhofsverwalterin fühlt sich machtlos

Das kennt auch Lara Schink, auf deren Freidhof immer wieder die Toilettenkasse aufgebrochen werde. Für 20 Euro Bargeld würden zwei Türen demoliert, deren Reparatur ein Vielfaches koste. Gegen Vandalismus und Diebstahl könnten Kirch- und Friedhofsverwaltungen nach Schinks Einschätzung "nichts machen".

Im Grunde müssten Figuren und Skulpturen dokumentiert und ein Register zur Überprüfung angelegt werden. Es bräuchte auch auch Gipsabdrücke von besonders wertvollen Figuren, damit sie bei Verlust wieder hergestellt werden könnten. Da sei das Landesamt für Denkmalpflege am Zuge, denn den Friedhöfen würden für so etwas Expertise und Fachleute fehlen, sagt Friedhofsverwalterin Schink.

FDP-Stadtrat sieht Friedhofsbetreiber in der Pflicht

Anders beurteilt das der kulturpolitische Sprecher der FDP im Stadtrat Dresden, Holger Hase. Er sieht zuerst die Betreiber in der Pflicht, ihre Friedhöfe stärker zu sichern - und meint die Kirchen und Kommunen. Verweise aufs Landesamt für Denkmalpflege oder dass Geld oder Personal fehlten, lässt er nicht gelten. "Ich sehe keine Bemühungen, Dinge für mehr Schutz zu unternehmen", kritisiert Hase. Seiner Meinung nach könnten kleine Schritte helfen. Dazu gehören für ihn Dinge wie: Friedhöfe nachts abschließen, Skulpturen und Kunstgegenstände fest verankern und sichern, Wildkameras oder solarbetriebene Kameras aufbauen, dunkle Ecken via Bewegungsmelder ausleuchten, Dokumentationen anlegen, damit bekannt ist, was in den Anlagen steht. "Fotos von Skulpturen kann jeder machen. Kleine technische Sicherungen kosten keine Millionen Euro."

Es liegt generell auch an unserer Gesellschaft, wie wir mit Dingen aus der Vergangenheit umgehen. Es ist auch eine Pietäts- und Erziehungsfrage.

Holger Hase kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Stadtrat Dresden

Sicherheit für Friedhöfe? Kein Wahlkampfthema in Dresden

Hases Fraktion setzt sich für die Sanierung und Sicherung von Teilen des Nordfriedhofes in Dresden ein. Dabei geht es auch um das Schließen des Gedenkortes in der Nacht. Doch der Antrag sei immer wieder verschoben worden. "Mit Friedhöfen gewinnt man keine Kommunalwahlen. Kitas und Schulen sind im Mittelpunkt. Für Friedhöfe Geld locker zu machen, steht politisch ganz unten auf der Prioritätenliste", sagt Stadtrat Hase. Trotzdem will er sich für ein öffentliches Bewusstsein einsetzen. Den Menschen müsse klar werden, "dass auf Friedhöfen Kulturgüter für uns alle stehen. Da haben die Betreiber eine gewisse Verantwortlichkeit, die zu schützen." Laut Hase steckten hinter den Zerstörungen und Diebstählen auf Friedhöfen Buntmetalldiebe und Kunstdiebe, aber auch gedanken- und pietätlose Zeitgenossen.

MDR (kk)

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