Theater Zittau, ein quadratischer Bau mit Eingangsbereich und darauf hinführenden Stufen, davor eine abstrakte Plastik.
Auch das Gerhart-Hauptmann-Theater in Zittau ist von den gestiegenen Kosten betroffen. Bildrechte: Theater Görlitz-Zittau/Gerhart-Hauptmann

Dramatische Lage Sachsens Theater fordern verlässliche Finanzierung

26. September 2023, 04:00 Uhr

Hohe Energiepreise und steigende Personalkosten bereiten den Bühnen in Sachsen große Probleme. Mehrere Theater fordern nun von der Politik eine längerfristige Planungssicherheit, sonst könne es für manche Häuser existentiell bedrohlich werden. Sie verweisen auf Lösungsansätze in Thüringen und Bayern. Aus der kommunalen Politik gibt es bereits Unterstützung und auch Ministerpräsident Michael Kretschmer stellt Hilfe in Aussicht.

Mit den Folgen von Tarifsteigerungen und Kostenexplosionen kämpfen alle deutschen Bühnen und Orchester. In Sachsen werden die Rufe nach langfristigen Sicherungen lauter. Dabei wird auch über Korrekturen am Sonderweg des Sächsischen Kulturraumgesetzes nachgedacht. Dessen solidarisches Finanzierungsmodell konnte 1994, nach dem Auslaufen einer Übergangsfinanzierung des Bundes, Zusammenbrüche noch verhindern. Gleichwohl hat sich die einst dichteste Theaterlandschaft Deutschlands durch Fusionen, Personal- und Spartenabbau gelichtet.

Ministerpräsident Kretschmer plädiert für neun Millionen Euro Ausgleichssumme

Ein mahnender Brief ging im Juni von sächsischen Theaterintendanten an die Staatsregierung und den Landtag. Drei Vertreter sprachen zudem Anfang Juli mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Noch sind Hilfen für die akuten Finanzierungslücken nicht zugesagt und beschlossen. Aber das Kulturministerium ermittelt den genauen Bedarf und Kretschmer nannte eine Ausgleichssumme von neun Millionen Euro, die "kommen müsse".

Michael Kretschmer, ein Mann mit kurzen Haaren und Anzug mit Schlips.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer will den Bühnen neun Millionen Euro zuschießen. Bildrechte: IMAGO/IPON

Für den Intendanten des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau, Daniel Morgenroth, scheint die Situation in seinem Bundesland dramatisch.

Wenn jetzt das Land nichts macht, dann haben wir in drei Jahren Kultur nur noch in Leipzig und Dresden!

Intendant Daniel Morgenroth über die Situation in Sachsen

Überall drücken Tarif- und Kostensteigerungen

Die relative Stabilisierung der vergangenen Jahre wird nun durch Probleme erschüttert, von denen alle deutschen Bühnen betroffen sind. Eine erste Belastung bedeutete im Vorjahr die überfällige Anhebung der Einstiegsgagen. Mit dem hohen Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst im April dieses Jahres kommt zunächst nur der Inflationsausgleich auf die Träger der Theater und Orchester zu. Deshalb hält sich die Mehrbelastung in diesem Jahr noch in Grenzen.

Für 2024 und die Folgejahre aber schlagen durchschnittlich elf Prozent Tariferhöhung voll durch, rechnet der Chemnitzer Intendant Christoph Dittrich vor. Sie treffen die Theater besonders, an denen Personalkosten etwa vier Fünftel des Etats ausmachen. Hinzu kommen die derzeitige Inflation und drastisch gestiegene Energiekosten infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Der Intendant des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen, Lutz Hillmann, ist auch der Vorsitzende der Landesgruppe des Deutschen Bühnenvereins. Seine Prognose ist düster:

2023 werden wir uns noch retten können. 2024 wird es – ungeschützt gesagt – drei bis vier Theater schwer treffen. Und im Jahr 2025 ist bei allen Theatern im ländlichen Raum der Riemen runter.

Lutz Hillmann, Intendant des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters

Kommunen wie Freiberg oder Görlitz reagieren bereits

Das gilt, falls nichts geschehe, so Hillmann weiter. Aber die Hilferufe der zehn sächsischen Stadt- und Kulturraumtheater verhallen nicht ungehört.

Lutz Hillmann, ein Mann im Anzug steht zwischen den Stuhlreihen eines Theaters.
Lutz Hillmann vom Deutsch-Sorbischen Volkstheater sieht für die Theater eine bedrückende Zukunft. Bildrechte: imago images/Steffen Unger

Die beiden Staatstheater in Dresden, also Schauspiel und Semperoper, haben ohnehin nichts zu befürchten. Die kommunalen Gesellschafter des Mittelsächsischen Theaters Freiberg/Döbeln signalisierten schon im Juni ihre Unterstützung. Sogar das am meisten bedrohte Hauptmann-Theater an der Neiße bekommt ähnliche Signale, zumindest aus Görlitz und Zittau, während der Landkreis immer noch keinen genehmigten Haushalt hat.

Mehr Nachhaltigkeit beim vielgelobten Kulturraumgesetz

Hauptadressat der Hilferufe bleibt das Land Sachsen. Neu an den intern laufenden Recherchen des Kulturministeriums und Gesprächen zwischen dem Ministerium und den Theatern ist der Aspekt einer mittel- und langfristigen Sicherung über die aller zwei Jahre anstehenden Haushalt-Verteilungskämpfe hinaus. Die Landtagsfraktion der Bündnisgrünen möchte dies laut einem strategischen Positionspapier über eine Dynamisierung der Landeszuschüsse an das Kulturraumgesetz erreichen.

Lange galt dieses von keinem anderen Bundesland kopierte Gesetz als vorbildlich, weil sich die Orte der jeweiligen Kultureinrichtungen, die acht Kulturräume und der Freistaat solidarisch die Kosten von Kultureinrichtungen teilen. Dieses bis 2025 erneut zu evaluierende Gesetz will auch niemand abschaffen.

Das Chemnitzer Opernhaus im Abendlicht, daran eine Regenbohnefahne und ein Plakat mit der Aufschrift "Liebe ist grenzenlos".
Kulturorte wie das Opernhaus Chemnitz prägen das Image einer Stadt. Bildrechte: IMAGO / HärtelPRESS

Aber die Intendanten von Görlitz, Bautzen und Chemnitz deuten ein Nachdenken darüber an, die Konkurrenzsituation zwischen "Großverbrauchern" wie Theatern und den zahlreichen kleineren Breiteneinrichtungen im jeweiligen Kulturraum aufzuheben. Es klingt noch sehr vorsichtig, aber die Wünsche laufen auf einen Sonderstatus der Theater hinaus, der zugleich eine größere finanzielle Verantwortung des Freistaates ermöglicht.

Thüringen gibt bereits Garantien bis 2030

Spürbar neidisch wird dabei auf Thüringen geblickt. Soeben hat der Freistaat über die traditionellen Staatsverträge seinen Bühnen Garantien bis 2030 gegeben, unabhängig von der Einnahmesituation der kommunalen Träger und der Kostenentwicklung. Der auch für Kultur zuständige Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff erinnert daran, dass die rot-rot-grüne Koalition den Bühnen schon seit 2016 Planungssicherheit gewährt.

Ebenso aufmerksam wird in Sachsen auf Bayern geschaut. Dieser Freistaat hat vier Stadttheater zu Staatstheatern hochgestuft und übernimmt damit ebenfalls Garantieverpflichtungen. Auf die Frage, ob dies als ein Vorbild für Sachsen dienen könne, antwortet Lutz Hillmann nur lakonisch: "Ich hätte nichts dagegen."

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. September 2023 | 07:10 Uhr

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