Stahlknüppel werden in einer Stranggussanlage der Elbe-Stahlwerke Feralpi geformt. Der italienische Stahlwerkkonzern plant den Bau eines neuen Walzwerkes welches das alte nicht ersetzen, sondern ergänzen soll. 4 min
Audio: Geflüchtete aus Mariupol arbeiten in der sächsischen Stahlindustrie Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Stahlindustrie Ukrainische Arbeitskräfte: Hoffnung bei Feralpi in Riesa

19. März 2024, 19:37 Uhr

Wie finden Geflüchtete aus der Ukraine hier einen Job? Die Stahlindustrie in Riesa zeigt, wie es funktionieren kann. Vier Ukrainer aus Mariupol sind froh, dort Arbeit und Heimat gefunden zu haben.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
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Nur ein fahles Licht fällt durch die weite Halle von Feralpi-Stahl in Riesa. Die Luft ist staubig, die Maschinen dröhnen. An den Walzen steht Andrii Butenko. Der 44-Jährige ist aus Mariupol geflohen. Seit einem Jahr arbeitet der Ukrainer in Riesa – und bildet sich weiter.

"Diese Arbeit passt mir super gut. Mein Chef ist sehr intelligent und ein freundlicher Mann", sagt Butenko. Er erzählt, dass er bereits einen Stapler-Schein hat, den Kranschein und den Schweißer-Schein noch erlernt.

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Vorerfahrung in der Stahlindustrie

Butenko war schon in der Ukraine Walzwerker, bei Asow-Stahl. Fast jeder kennt das gigantische Werk aus den Nachrichten, das gleich nach Beginn des Krieges von Russland belagert und eingenommen wurde. Es sei zwar größer, Feralpi-Stahl in Riesa dafür aber besser. "Neueste Technologie", sagt der Ukrainer.

Asow-Stahl in der Ukraine Asow-Stahl ist eines der größten Stahlunternehmen in der Ukraine mit Sitz in Mariupol. Während des Ukraine-Kriegs wurde Asow-Stahl wiederholt Ziel von Angriffen durch pro-russische Separatisten und russische Streitkräfte. Die Kontrolle über Mariupol und insbesondere über das Stahlwerk wurde zu einem umkämpften Ziel, da es einen großen wirtschaftlichen und symbolischen Wert für beide Seiten des Konflikts hatte. Das Stahlwerk fungierte als Symbol des Widerstands gegen die Aggression von außen.

Derartiges Lob hört vor allem Kai Holzmüller gern. Der Personaldirektor von Feralpi Riesa hat Andrii Butenko eingestellt – und noch 21 weitere Ukrainer. Fast alle fanden über Mundpropaganda zu ihm. Es habe gut gepasst, sagt Holzmüller. Geflüchtete aus Mariupol brächten viel Erfahrung aus der Stahlindustrie mit.

Sprachbarriere als Herausforderung

"Die große Herausforderung bestand aber insbesondere am Anfang darin, als die ersten Ukrainer zu uns kamen, die Sprachbarriere zu überwinden", erklärt Holzmüller. "Und das haben wir gemeistert, indem wir gesagt haben: Wenn ihr für uns arbeitet, bedeutet das acht Stunden Arbeit plus zwei Stunden Deutschunterricht, jeden Tag. Seid ihr dafür bereit?" Diese Herausforderung hätten die Kollegen angenommen.

Weil ihr Deutsch noch holprig ist, arbeiten viele Ukrainer allerdings unterhalb ihrer Qualifikation. Sie werden für das, was sie tun, bei Feralpi aber nicht schlechter entlohnt als die rund 800 deutschen Kollegen, bestätigt der Betriebsrat. Und sie können aufsteigen. Personaldirektor Holzmüller führt zum Verwaltungstrakt. Hier bildet sich Anton Butenko weiter, der kleine Bruder von Walzwerker Andrii. "Ich muss verschiedene Projekte machen. Zum Beispiel jetzt mache ich ein Projekt zur Schieneninstandhaltung für die Kranbahn", erklärt er.

Keine Perspektive in Mariupol

Der 39-Jährige hat Metallurgie studiert. Über die Ukraine zu sprechen, fällt ihm schwer. Die Eltern seien noch im russisch besetzten Mariupol. Für sich selbst habe er dort keine Perspektive mehr gesehen.

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"Als ich in der Ukraine war, konnte ich für mich keine Arbeit finden. Und für meine Frau", sagt Anton Botenko. Hier in Riesa würden sie beide arbeiten. "Ich bei Feralpi und meine Frau in der Wäscherei."

"Ich habe nichts mehr in der Ukraine"

Die Frage, warum die Männer nicht an der Front kämpfen, drängt sich auf. Sie lässt sich pauschal nicht beantworten. Sie sind Ukrainer, sprechen aber Russisch. Ihre Heimatstadt erlebt schon seit 2014 Kämpfe. Tausende starben in Mariupol. Dem wollte auch Valerii Kotlovoi entfliehen. Der 53-Jährige sortiert bei Feralpi den Schrott für die Schmelzöfen.

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"Natürlich vermissen wir unser Zuhause", sagt er. "Mein Haus war ein neunstöckiges Gebäude. Infolge des Krieges brannte es völlig nieder und wurde abgerissen. Auch die Wohnung meiner Mutter, das Haus meiner Eltern." Kotlovoi hat dort keine Wohnung mehr. "Ich habe nichts mehr in der Ukraine", fügt er hinzu.

Er ist mit Mutter, Schwester, Tochter und Neffen geflohen. Sein Job in Riesa ist körperlich anstrengend. Er wirkt müde, aber auch dankbar. Er sei froh, hier arbeiten zu können, sagt er auf dem Schrottplatz. Fürs Rumsitzen wolle er sich nicht bezahlen lassen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 19. März 2024 | 06:00 Uhr

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