Streikende Mitarbeiter stehen beim Besuch von Sachsens Ministerpräsident Kretschmer vor dem Recycling-Betrieb SRW.
Solche Bilder gehören vorerst der Vergangenheit an: Streikende Mitarbeiter vor dem Recycling-Betrieb SRW in Espenhain. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Espenhain Nach 180-Tage-Streik: Beschäftigte von SRW Metalfloat arbeiten wieder

21. Mai 2024, 11:33 Uhr

Es war der längste Streik in der Geschichte der IG Metall. 180 Tage haben Beschäftigte des Schrott-Recyclers SRW Metalfloat im sächsischen Espenhain für einen Tarifvertrag gekämpft. Spitzenpolitiker haben die Streikenden besucht: von Ministerpräsident Michael Kretschmer bis zu SPD-Chefin Saskia Esken. Geholfen hat es nicht. Das Unternehmen verweigerte einen Tarifvertrag. Zuletzt schwand die Unterstützung in der Belegschaft. Jetzt treten die Streikenden wieder zur Schichtarbeit an.

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Es wird kein leichter Weg. Nach mehr als 180 Tagen sollen sich die Streikenden von SRW Metalfloat am Dienstag wieder zu jenen Kollegen gesellen, die den Streik nicht unterstützt haben. Sie sollen für jenen Chef arbeiten, der sie nach Streik-Ende erst einmal tagelang ausgesperrt hat.

Öffentlich reden will gerade keiner von ihnen. Das überlassen sie Michael Hecker, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall. "Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr gefasst und können auch selbstbewusst wieder zurück an die Arbeit gehen. Sie sind aufgestanden, haben sich eingesetzt, haben für ihre Rechte gekämpft, für ihren Tarifvertrag. Auch wenn das Ergebnis ein anderes ist als das, was wir uns gewünscht hätten."

Geschaftsführung verhindert Tarifvertrag durch freiwillige Lohnerhöhung

Gescheitert sind die Streikenden an der Abwehr der Geschäftsführung. SRW Metalfloat gehört zur Scholz Gruppe. Die Firma eines chinesischen Investors wollte unter keinen Umständen einen Tarifvertrag. Stattdessen erhöhte sie freiwillig Löhne – und unterminierte so die Unterstützung für den Streik.

Man kenne diese Strategie von Tesla in Brandenburg, sagt Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft. Auch Amazon verhindere seit Jahren durch freiwillige Lohnerhöhungen eine starke Gewerkschaftsbewegung im Haus. "Das ist natürlich eine Strategie, die ist völlig in Ordnung und sie scheint ja auch wirkungsvoll zu sein. Vielen Beschäftigten ist eigentlich egal, ob sie tarifgebunden sind – sprich: formal einen Tarifvertrag im Unternehmen haben oder nicht –, solange das Geld da ist und die Kohle stimmt."

IG Metall sieht auch Arbeitgeber auf der Verliererseite

Doch welche Chancen hat eine Gewerkschaft noch, wenn Unternehmen so vorgehen? Am Ende komme es auf die Geschlossenheit der Belegschaft an, sagt Lesch. Wenn sie einen rechtsverbindlichen Tarifvertrag wirklich wolle, könne sie ihn zumeist auch durchsetzen.

Das sieht Nadine Boguslawski ähnlich. Die Vorständin für Tarifpolitik bei der IG Metall sagt, verloren habe im aktuellen Konflikt auch der Arbeitgeber: "Mit der Verweigerungshaltung hat er sich auch wirtschaftlich selber geschadet – mit dem Streik an sich und auch mit der ungenutzten Arbeitskraft zu Beginn der Aussperrung. Und er hat jetzt weiterhin keine guten Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne, sodass in Zeiten des Fachkräftemangels ein Teil der Mitarbeiter einfach wegläuft und sich bei anderen Arbeitgebern Beschäftigung sucht."

Wie viele der Streikenden tatsächlich gar nicht erst zurückkommen, bleibt unklar. Das Unternehmen selbst lässt eine Interviewanfrage zum Ende des Streiks unbeantwortet.

SPD-Vorsitzende Saskia Esken bedauert Streik-Ausgang

Stattdessen redet erneut die Politik. SPD-Chefin Saskia Esken hatte die Streikenden im November besucht. Nun bedauert sie, dass sich die Gewerkschaft nicht durchsetzen konnte. "Das Verhalten des Arbeitgebers verstößt gegen alle Grundregeln unserer Wirtschafts- und Sozialordnung. Tarifbindung, Tarifautonomie und das Streikrecht gehören zu den konstitutiven Elementen unseres Landes. Es ist das gute Recht der Beschäftigten für einen Tarifvertrag zu kämpfen. Ebenso, dass sie dafür gestreikt haben."

Es klingt, als wolle die SPD-Chefin den Streikenden noch einmal symbolisch auf die Schulter klopfen. Das Unternehmen mag Gepflogenheiten nicht eingehalten haben. Rein rechtlich ist ihm bislang nichts vorzuwerfen. Mehr bleibt leider nicht von einer Geschichte, die am Ende nur Verlierer kennt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 21. Mai 2024 | 06:17 Uhr

7 Kommentare

DanielSBK vor 43 Wochen

Die IGM hat die Kohle, korrekt. Aber eine IGM muss man sich auch leisten können. Die ganze PR-Werbe-Aktion ist doch völlig in die Hose gegangen und der Chinese hat nicht klein beigegeben .... selber Schuld, wenn man sich solche Brötchengeber ins Land holt. Fragen Sie mal in China nach "Elternzeit" als Beispiel - gibts da nicht.

MarioS vor 43 Wochen

Ganz ehrlich, wenn sich die Mitarbeiter von der Geschäftsführung kaufen lassen, dann scheint es ja nur ums Geld und nicht um bessere Arbeitsbedingungen gegangen sein. Dass ein Tarifvertrag viel mehr regelt, als das Gehalt, scheint keine Rolle zu spielen. Von der Seite scheint es ja doch Gewinner zu geben: Mitarbeiter, die jetzt ein paar Euro mehr in der Tasche haben. Bravo! Dafür haben sich ja die 180 Zage Streik gelohnt. Viel Luft um (fast) nichts. Morgen ist das Thema vergessen. Das Rad dreht sich weiter ...

Eddi58 vor 43 Wochen

Das ist eine bittere Niederlage, da gibt es nichts zu beschönigen. Das fatale an der Sache ist, dass der „Arbeitgeber“ nach Recht und Gesetz handelte.
Es gibt das Recht sich zu organisieren, das Streikrecht und das Tarifvertragsrecht. Doch was nützt es den Beschäftigten? 🤔
Das Gerede von der „sozialen Marktwirtschaft“ und „Sozialpartnerschaft“ wird mit diesem Arbeitskampf beispielhaft als leere Hülse entlarvt.

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