Helmut Stadeler steht 2019 im Innenhof des Haus des Buches an einer Installation mit metallenen Buchstaben.
Helmut Stadeler leitet selbst einen kleinen Verlag und sorgt sich um die Sichtbarkeit. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Ausblick Buchmarkt 2024: Diese Sorgen gibt es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

04. Januar 2024, 13:40 Uhr

In Deutschland gilt das Buch als Kulturgut. Doch die Vielfalt in der Branche ist bedroht, meint Helmut Stadeler, Verleger und Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Gerade unabhängige Buchhandlungen und Verlage haben mit finanziellen Herausforderungen und der Vormachtstellung von großen Ketten zu kämpfen. Stadeler fordert daher mehr Unterstützung von der Politik.

Die mitteldeutsche Buchbranche geht mit gemischten Gefühlen ins neue Jahr. Als eine der größten Herausforderungen sieht der Verleger und Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Helmut Stadeler, die zunehmende Konzentration im Buchmarkt durch große Ladenketten: "Ich mache mir da schon große Sorgen."

Konzentration im Buchhandel: "Thalia wächst und wächst"

Es werde immer schwieriger, die Publikationen unabhängiger Verlage überhaupt zu den Leserinnen und Lesern zu bringen, betont Helmut Stadeler im Gespräch mit MDR KULTUR: "Die Konzentration im Buchhandel geht weiter. Thalia wächst und wächst. Damit fallen natürlich auch unabhängige Buchhandlungen weg." Die aber sind aus Stadelers Sicht besonders wichtig für die Vielfalt im Buchmarkt, weil sie unabhängige Verlage mit ihren Autorinnen und Autoren jenseits der Bestenlisten überhaupt erst sichtbar machen: "Damit der Kunde vor Ort tatsächlich ein breites Angebot hat und nicht ein vorsortiertes Angebot von irgendeinem großen Filialisten."

Das Thema Booktok wird auf der Frankfurter Buchmesse am Stand von Thalia in einem bunten Besucherraum visualisiert.
Die Buchkette Thalia expandiert immer mehr, im stationären und im Online-Handel. Auf der letzten Frankfurter Buchmesse war der Stand nicht zu übersehen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Arne Dedert

Kosten drücken Bilanz kleiner Verlage und Buchhandlungen

Nach der Pandemie kämpft die mitteldeutsche Buchbranche Stadeler zufolge weiter mit dem wachsenden Kostendruck. Zwar habe sich die Papierkrise schnell eingepegelt, man könne "schon wieder relativ normal einkaufen", so Stadeler. Schlimmer sei, dass sich auch andere Kostenfaktoren von der Energie über die Verpackung bis hin zu steigenden Postgebühren immer mehr aufsummierten: "Das ist die Energie, das ist die Inflation generell. Alle Einkaufspreise sind teurer geworden. Es sind die vielen kleinen Kosten, die man gar nicht so sieht, die sich aber insgesamt natürlich auf das Ergebnis auswirken."

Der Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels beobachtet, dass auch bundesweit die finanzielle Situation angespannt sei. "Gerade für kleine Verlage ist daher eine strukturelle Förderung dringend nötig. Im Buchhandel sind Maßnahmen wie der im vergangenen Jahr gestartete Kulturpass wichtig. Als ausgezeichnetes Instrument, junge Menschen an Kulturangebote vor Ort heranzuführen, sollte er trotz angespannter Haushaltslage unbedingt weitergeführt werden", meint Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins in der Mitteilung zur Bilanz des Buchjahres 2023.

Diese sei gleichzeitig positiv wie negativ: Zwar stieg Gesamtumsatz nach einem sehr schwachen Buchhandelsjahr 2022 wieder um 2,9 Prozent. Dennoch wurden 2023 1,9 Prozent weniger Bücher verkauft. Für die Umsatzsteigerung sei daher eine durchschnittliche Preissteigerung von 4,9 pro Buch verantwortlich – ein Trend, der sich seit einiger Zeit fortsetzt. Die Auswertung der einzelnen Warengruppen zeigte, dass lediglich bei der Belletristik (also Romane, Erzählungen und ähnliches) mehr Bücher verkauft wurden. Im Bereich Ratgeber und Reiseführer gab es dagegen einen Umsatz-Rückgang. Übrigens kommt ein Jahresbestseller aus Sachsen: Unter den meistverkauften Sachbüchern steht "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung" des Leipziger Literaturwissenschaftlers Dirk Oschmann auf Platz 3.

Ein weißes Buchcover mit der Aufschrift Der Osten: eine westdeutsche Erfindung - von Dirk Oschmann
Sorgte für viel Gesprächsstoff: die Streitschrift "Der Osten" von Dirk Oschmann. Bildrechte: Ullstein Verlag

Appell an die Politik: "Sehr genau hingucken"

Einfache Lösungen für die Probleme sieht Stadeler nicht. Von der Politik fordert er aber, "sehr genau hinzugucken". Schließlich verpflichtete sich die Ampel im Koalitionsvertrag, gemeinsam mit den Ländern eine strukturelle Förderung unabhängiger Verlage zu prüfen, "um die kulturelle Vielfalt auf dem Buchmarkt zu sichern". Ein Ergebnis gibt es noch nicht. Inhaber-geführte Unternehmen der Branche, die sich besonders hervortun, werden bisher vor allem über den Deutschen Verlagspreis und den Deutschen Buchhandlungspreis gewürdigt. Letzteren gibt es bereits seit acht Jahren, auch um der Verödung der Innenstädte entgegenzuwirken.

Autorin Marion Brasch liest in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung.
Gegen öde Innenstädte: Lesung in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung, die 2023 erneut mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet wurde. Bildrechte: IMAGO

Hoffnung auf Leipziger Buchmesse 2024

Dass unabhängige Buchhandlungen auch zur Belebung der Einkaufskultur beitragen, steht für Stadeler außer Frage. Als Chef des mitteldeutschen Landesverbands im Börsenverein sieht er seine Aufgabe auch darin, im Gespräch mit Innenstadt-Managern zu netzwerken, so wie kürzlich in Halle. "Es gibt Einkaufs-Werbegemeinschaften in der Stadtmitte. Wir möchten da gerne mitmachen. Das Kramen in einem Buchladen ist eben doch etwas ganz anderes als das 'Blättern' im Internet."

"Voller Hoffnung" blickt Stadeler auf die nächste Leipziger Buchmesse als Ort der Begegnung zwischen Verlegern, Buchhändlerinnen und Publikum. Nach drei pandemie-bedingten Ausfällen sei 2023 ein "großartiger Relaunch" gelungen, auf dem Messegelände und mit hunderten Lesungen in der ganzen Stadt. Nach dem Ausscheiden des langjährigen Buchmesse-Direktors Oliver Zille werde der Börsenverein des Deutschen Buchhandels alles tun, um auch die neue Messe-Führung zu unterstützen, so Stadeler: "Ich habe ein sehr gutes Gefühl, weil diese Messe einfach so wichtig ist. Da kann gar keiner auf die Idee kommen, sie nicht zu unterstützen."

Helmut Stadeler führt gemeinsam mit Frank Bussert den Verlag Bussert & Stadeler in Jena. Seit 2010 ist er Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Damit spricht er für die rund 260 Verlage in den drei Bundesländern. 2022 wurde er für seine Verdienste um das Buch und die Branche mit der Goldenen Nadel des Börsenvereins ausgezeichnet.

Quelle: MDR KULTUR (Ben Hänchen), Redaktionelle Bearbeitung: ks, tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt | 04. Januar 2024 | 07:30 Uhr

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