Flüchtlingsunterkunft in Hermsdorf
Die Flüchtlingsunterkunft in Hermsdorf steht immer wieder in der Kritik. Bildrechte: MDR/Carsten Dieckmann

Kommunen unter Druck Deutlich mehr Asylanträge - Bausewein mahnt bei Lanz Änderungen in Asylpolitik an

28. März 2024, 18:10 Uhr

Die Zahl der Asylanträge im Januar und Februar ist im Vergleich zum Vorjahr um etwa die Hälfte gestiegen. Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein sagte, der kommunale Wohnungsmarkt sei auch deshalb weiter am Limit. Derweil teilte des Thüringen Innenministerium mit, dass die Unterkunft in Hermsdorf wegen starker Mängel zeitweise kurz vor der Schließung stand.

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Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben zum Jahresbeginn deutlich mehr Menschen in Thüringen einen Asylantrag gestellt. Wie die "Thüringer Allgemeine" (€) berichtet, wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Januar und Februar insgesamt 1.815 Asylanträge im Freistaat erfasst.

In den ersten beiden Monaten des vergangenen Jahres war es demnach knapp ein Drittel weniger. Hauptsächlich kamen die Menschen den Angaben zufolge aus Syrien, der Türkei und Afghanistan.

Erfurter Oberbürgermeister: Migration überstrahlt andere Themen

Erfurts Oberbürgemeister Andreas Bausewein (SPD) sagte am Mittwochabend bei "Markus Lanz", das Thema Migration überstrahle in der Lokalpolitik viele andere Themen. Unter anderem habe vor zehn Jahren Erfurt noch sieben Mitarbeiter in der Ausländerbehörde gehabt. Mittlerweile seien es 52, benötigt werden aber laut Stadtverwaltung 92. Trotz Stellenausschreibung finde die Stadt keine weiteren Mitarbeiter.

Andreas Bausewein (SPD), Oberbürgermeister von Erfurt
Andreas Bausewein (SPD), Oberbürgermeister von Erfurt, berichtete bei "Markus Lanz" von den Herausforderungen der Kommunen durch Migration. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Bausewein will demnach in keinem Fall wieder Turnhallen für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Die Stadt habe darauf ausweichen müssen, um nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kurzfristig viele Menschen unterzubringen. Das habe für "gewaltigen sozialen Unfrieden in der Gesellschaft" gesorgt, sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung.

Erfurt habe sieben Turnhallen bereitgestellt; zum Teil habe es anderthalb Jahre gedauert, bis die Hallen wieder für den Schul- und Vereinssport genutzt werden konnten. "Ich habe eine Lehre daraus gezogen. Ich mache das nie wieder", so Bausewein.

Zum Aufklappen: Wann erhalten Flüchtlinge in Thüringen eine eigene Wohnung?

Ukrainer erhalten nach ihrer Registrierung in Deutschland eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis, können damit Bürgergeld beantragen und können sich eine private Wohnung suchen.

Geflüchtete aus anderen Ländern müssen erst in einer Erstaufnahme des Landes leben und sich registrieren lassen. Danach werden sie an die Kreise / kreisfreien Städte übergeben, die sie in einer Gemeinschaftsunterkunft oder einer privaten Wohnung unterbringen.

Die Migration sieht Bausewein als "politisch bestimmendes Thema" im Land. Er forderte, die Verfahren zum Aufenthaltsstatus zu beschleunigen. Da ist laut ihm der Bund gefragt. Er verstehe jeden, der nach Deutschland komme und hier arbeiten wolle; Deutschland sei aber an einem Punkt, an dem die meisten Kommunen die Herausforderungen nicht mehr meistern könnten.

Bausewein mahnt Änderung in Asylpolitik an

Allein nach Erfurt sind seinen Angaben nach in den vergangenen Jahren 11.000 Flüchtlinge gekommen, zum Großteil sind das Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Der Ausländeranteil in Erfurt ist von drei Prozent im Jahr 2006 auf derzeit knapp 13 Prozent gestiegen. Die Stadt sei auch deswegen aktuell "nahe an der Wohnungsnot", so der Oberbürgermeister. Der Wohnungsleerstand liegt in Erfurt bei derzeit einem Prozent. Aktuell habe die Stadt keine Möglichkeiten mehr, Geflüchtete und Asylbewerber unterzubringen. Viele Jahre habe die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge "richtig gut funktioniert", das sei aber nicht mehr so. Ein Grund ist laut Bausewein auch das fehlende Personal in der Stadtverwaltung.

Im Zuge dessen forderte Bausewein eine stringente Abschiebepolitik abgelehnter Asylbewerber. Wessen Asylantrag in allen Instanzen abgelehnt wurde, der müsse Deutschland auf schnellstem Weg verlassen, sagte der SPD-Politiker. Aktuell lebten abgelehnte Asylbewerber jedoch noch jahrelang in Erfurt.

Bausewein betonte zudem, dass Zuwanderung wichtig sei, sie aber auf andere Füße gestellt werden müsse. Dazu gehört für ihn auch eine schnellere Anerkennung von Berufsabschlüssen und eine intensivere Integration.

Ministerium: Unterkunft in Hermsdorf stand kurz vor Schließung

Derweil kündigte das Thüringer Innenministerium laut "TA" an, die Bewohner der Unterkunft in Hermsdorf auf die Kommunen zu verteilen und das Gebäude so leeren zu wollen. Ein Schließen der Unterkunft in einer Industriehalle wegen verschiedener Mängel habe nur knapp abgewendet werden können. Schon Anfang Februar hatte das Innenministerium angekündigt, die Halle in Hermsdorf nur noch als Notfall-Reserve vorzuhalten.

Abgehängte Stockbetten in einer Lagerhalle.
In der Unterkunft in einer Lagerhalle Hermsdorf mussten Geflüchtete für Privatsphäre unter anderem Stockbetten mit Laken abhängen. (Archivbild) Bildrechte: Privat

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MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 13. Februar 2024 | 19:00 Uhr

80 Kommentare

part vor 4 Wochen

Weniger Waffenexporte, weniger Geflüchtete, die Genehmigungen dazu durch die Bundesregierung sollten überdacht werden, denn es verdienen nur wenige daran, doch viele werden belastet weltweit, wenn immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Das Festhalten an der derzeitigen Einwanderungspolitik hat auch gewollte Folgen für den Arbeitsmarkt und ein Geschmäckle nach Lobbypolitik. Die Kommunen dürfen dann alles ausbaden, bei einer Wohnungsbauförderung durch den Bund, die faktisch nicht mehr existent ist seit Jahrzehnten. Mit einer gewollten oder geduldeten Prekarisierung der Gesellschaft lassen sich dann auch neue Forderungen nach Sozialabbau stellen durch bestimmte Parteien, die stets das Wohl Einzelner in der Wirtschaft im Blick haben.

martin vor 4 Wochen

Die Liste ist so lang, dass sie den hier zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen würde. Darüber hinaus habe ich Zweifel, dass Sie an der Frage ernsthaft interessiert sind.

martin vor 4 Wochen

@ralf g: Mit Verlaub, Ihr Beitrag ist m.M.n. eine Unverschämtheit gegenüber anderen Menschen, die vor Krieg und Verfolgung nach D geflüchtet sind. Als ob es in der Welt nur den Krieg gegen die Ukraine und auch sonst keinerlei Verfolgung geben würde.

Und ja, dass Familien und teilweise ganze Dörfer "zusammenlegen" um einen Menschen nach Europa zu schicken ist durchaus richtig. Sie könnten durchaus überlegen, weshalb diese Menschen das so machen (und nein, es geht nicht um Familienzusammenführung). Aber vorsicht: Das Weltbild könnte durch Fakten irritiert werden.

Und zum Anderen sind eine Reihe von Gelder der sog. Entwicklungshilfe auf die Bekämpfung der Fluchtursachen ausgerichtet. Aber das ist nach Meinung einiger Zeitgenossen ja alles nutzlos ausgegebenes Geld und wäre sofort zu streichen. Und ja, Teile davon versickern auch in Korruption. Wie gut, dass es so etwas in D nicht gibt ....

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