Angela Klepp-Pallas (Verwaltungsdirektorin) und Guy Montavon (Generalintendant)
Nach Missbrauchsvorwürfen am Theater Erfurt: Verwaltungsdirektorin Angela Klepp-Pallas muss gehen, Theater-Intendant Guy Montavon soll noch bis zum Sommer bleiben - aber wird teilweise entmachtet. Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Kulturpolitik Nach Missbrauchsvorwürfen am Theater Erfurt: Verwaltungschefin muss gehen

30. Januar 2024, 10:45 Uhr

Die Missbrauchsvorwürfe am Theater Erfurt ziehen weitere Kreise. Laut Stadt soll nun die Verwaltungschefin Angela Klepp-Pallas ihren Posten räumen. Gleichzeitig kommt vom Philharmonischen Orchester scharfe Kritik an der Stadtspitze.

Die bisherige Verwaltungschefin des Erfurter Theaters, Angela Klepp-Pallas, soll ihren Posten räumen. Sie habe einer Abberufung als zweite Werkleiterin zugestimmt, sagte Kulturdezernent Tobias Knoblich MDR THÜRINGEN. Als Begründung führt die Stadt ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis und "offensichtliche Überforderung" an.

Statt Kündigung neue Stelle in Erfurter Stadtverwaltung

Klepp-Pallas darf seit dem 19. Januar ihre alte Arbeitsstätte nicht mehr betreten. Im Zuge der Vorwürfe um mutmaßliche sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch war auch Kritik an der Betriebsführung aufgekommen. Klepp-Pallas werde aber nicht gekündigt, sie erhalte eine andere Aufgabe innerhalb der Stadtverwaltung, heißt es.

Montavon soll kreative Verantwortung vorerst behalten

Mit Theater-Intendant Guy Montavon wurde ein Aufhebungsvertrag ausgearbeitet. Bis zum Ende der Spielzeit soll er nur noch die kreative Verantwortung im Haus haben. Als Werkleiter mit Personalverantwortung soll er dagegen abberufen werden. Darüber will der Stadtrat am Mittwochabend in nicht-öffentlicher Sitzung entscheiden.

Kulturdezernent Knoblich sagte, wichtig sei es jetzt, die Posten der Werkleitung mit neuen Köpfen zu besetzen, um die strukturellen Probleme am Theater aufarbeiten und ändern zu können.

Leider lässt diese Entscheidung Transparenz vermissen und ist nicht nachvollziehbar.

Philharmonisches Orchester Erfurt zur Entscheidung, dass Intendant Guy Montavon vorerst am Theater bleibt

Orchester kritisiert Stadt Erfurt deutlich

Aus Teilen der Theater-Belegschaft kommt nun heftige Kritik an der Entscheidung der Stadtspitze, Montavon bis zum Sommer am Theater arbeiten zu lassen. Das Vertrauen in die Entscheidungsträger der Stadt sei erschüttert, teilte das Philharmonische Orchester Erfurt mit. "Der Aufarbeitungsprozess sollte transparent, neutral und fair erfolgen. Leider lässt diese Entscheidung Transparenz vermissen und ist nicht nachvollziehbar", heißt es.

Laut Orchestervorstand habe die Wiedereinsetzung Montavons eine katastrophale Außenwirkung, außerdem blieben "erhebliche Rechts- und Regelverstöße durch Herrn Montavon unstrittig". In der Belegschaft herrsche ein Klima der Stagnation und Frustration. Eine weitere Zusammenarbeit hält das Orchester für ausgeschlossen. Das Orchester fordert nun auch, dass der Bericht einer Berliner Kanzlei veröffentlicht wird, der bereits Rechts- und Regelverstöße am Theater bestätigt hatte.

Fraktionen von Mehrwertstadt und Grüne machen Druck

Bereits im Vorfeld der Stadtratssitzung hatten zwei Stadtratsfraktionen ihren Widerstand gegen das Vorgehen der Stadtspitze angekündigt. "Mit uns wird es keine Rehabilitierung von Guy Montavon geben. Dass er noch einmal auf einer Erfurter Bühne steht und Applaus empfängt, ist undenkbar", sagte Jana Rötsch von der Fraktion Mehrwertstadt am Samstag.

Auch Grünen-Stadträtin Laura Wahl erklärte im Namen ihrer Fraktion: "Guy Montavon ist als Intendant nicht mehr tragbar." Auch in beratender Funktion wollen ihn weder die Grünen-Fraktion noch die Fraktion Mehrwertstadt sehen.

Sechs mutmaßliche Fälle

Hintergrund sind Verdachtsfälle sexueller Übergriffe und Machtmissbrauchs am Theater. Die Stadt hatte im Herbst die Staatsanwaltschaft und die Berliner Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet. An die Kanzlei konnten sich mögliche Opfer anonym wenden. Gegen wen sich die Vorwürfe konkret richten, ist bisher ebenso wenig bekannt wie der Umfang der Vorwürfe.

Anfang November hatte die Stadt Erfurt noch ihrer Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann fristlos gekündigt, nachdem diese die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs öffentlich gemacht hatte. Sie sprach damals von sechs Fällen. Die Vorfälle sollen teils aktuell sein, teils sollen sie vor mehreren Jahren stattgefunden haben. Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) hatte Witzmann daraufhin unter anderem eigenmächtiges Handeln vorgeworfen. Witzmann hat gegen ihre Kündigung geklagt. Der Prozess läuft.

MDR (kir/dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 30. Januar 2024 | 08:30 Uhr

19 Kommentare

Rico Marbach vor 13 Wochen

Ich will, als Bürger, offen einräumen, dass ich weder ein sehr großer Fan von Herrn Ruge , noch von Herrn Bausewein bin /war, obwohl mir Hr. Ruge politisch näher stand. Unstreitig Ist aber auch , dass beide in ihren ersten Jahren durchaus Positives bewirkt haben. Herr Bausewein ist nun schon zwei Jahre länger im Amt als es Hr. Ruge war und will noch einmal sechs Jahre im Amt sein... Mag sich jeder, auch angesichts der Ereignisse um das Theater, abschließend seine Meinung bilden. Gleiches und Vergleichbares muss gleich behandelt werden; es ist daher grotesk, falsch beispielsweise die zweite Weltleiterin Theater , laut diesem Artikel in der Stadtverwaltung unterzubringen und Frau Witzmann außerordentlich zu kündigen . Aus meiner Sicht hat sich die derzeitige Administration hier inzwischen völlig verarmt!.

Eddi58 vor 13 Wochen

@Freies Motia
Vielen Dank für die erhellende Antwort?!🤔
Offensichtlich störte sich der Erfurter OB an der Veröffentlichung der Vorwürfe. Was sollte Frau Witzmann Ihrer Meinung nach tun? Einfach so tun, als wäre nichts geschehen und die Geschädigten allein lassen?
Wir leben nicht mehr in den 1950er Jahren, auch wenn sich einige zurück sehnen…🤦‍♂️

Driller vor 14 Wochen

Das Übliche

Externe Gutachten, große Anküdigungen zur Aufklärung und dann Hinterzimmerentscheidungen ohne die demokratischen Spielpartner einzubeziehen. Es könnte ja was durchgestochen werden, was verborgen bleiben soll. Ich hoffe der Stadtrat und die Theaterbelegschaft knicken morgen nicht ein!
Ein teuflisch famoses Spiel des "Herrn" Bausewein und seines Kulturdezernenten (ehem. Sachbearbeiter der Deutschen Reichsbahn - Spezialgebiet SCHADENSVERMEIDUNG!) auf dem Rücken der Geschädigten zur eigenen Entlastung von fehlender amtlicher proaktiver Aufklärung. Angegriffen werden die Aufklärer - die Presse (nie eine gute Idee) und die Gleichstellungsbeauftragte. Ich vermute mal, dass die Verwaltungschefin des Theaters den letzteren Posten übernehmen könnte, dann wäre das Possenspiel perfekt.
Herr Bausewein, Sie spielen den "Demokratieverstehern" direkt in die Hände, die Quittung gibt es spätesten im Mai.
Ich denke bis zum Aschermittwoch wird vieles geklärt sein.

Mit demokratischem Gruß!

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