Eröffnung Weimar: Neues Museum rückt Zwangsarbeit im Nationalsozialismus in den Fokus

08. Mai 2024, 23:00 Uhr

79 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist im ehemaligen Gauforum in Weimar das Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus eröffnet worden. Es gehört zur Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und zeigt die gesamteuropäische Dimension der NS-Zwangsarbeit: 13 Millionen Menschen wurden damals aus besetzten Gebieten ins Deutsche Reich zur Zwangsarbeit deportiert, allein 500.000 nach Thüringen.

In Weimar ist ein neues Museum eröffnet worden. Das von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora getragene Haus beschäftigt sich mit der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus und ist seit 8. Mai 2024 zugänglich.

Das neue Museum zeigt nach Angaben der Stiftung die gesamteuropäische Dimension der NS-Zwangsarbeit in über 60 dokumentarisch sowie fotografisch aufbereiteten Fallgeschichten. Im Fokus stünden besonders die Beziehungen zwischen Deutschen und Zwangsarbeitenden. Auch die Frage nach den Handlungsspielräumen von Beteiligten werde gestellt, wie das Museum auf seiner Website ankündigt. Ebenso sei der Umgang mit Zwangsarbeit in der DDR und der Bundesrepublik früher wie heute Thema.

Das Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus greife über das eigentliche Thema Zwangsarbeit hinaus, sagte Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, auf der gemeinsamen Pressekonferenz zur gleichzeitigen Eröffnung des neuen Museums und der Ausstellung "Bauhaus und Nationalsozialismus": Es erzähle, "wie eine radikal rassistische Gesellschaft funktioniert. Wie das Wechselspiel funktioniert von Verheißungen, von Integrationsangeboten an die Mehrheitsbevölkerung auf der einen Seite, und auf der anderen Seite Ausgrenzung, Verfolgung und Mord und Zwangsarbeit bei denen, die nicht dazugehörten."

Museum öffnet in ehemaligem NS-Bau mitten in Weimar

Angesiedelt ist das Museum Zwangarbeit im Nationalsozialismus im Südflügel des ehemaligen Gauforums, das der Thüringer Reichsstatthalter und Gauleiter Fritz Sauckel als seinen Amtsitz erbauen ließ. Die Standortwahl wurde nach Angaben des Museums gewählt, "weil Sauckel als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz ab 1942 einer der Haupttäter des NS war." Er habe die Deportationen von Millionen Menschen zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich zu verantworten.

Das ehemalige Gauforum Weimar
Das neue Museum zu NS-Zwangsarbeit öffnet an einem historischen Ort mitten in der Stadt, dem ehemaligen Gauforum. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mit der Eröffnung des Museums im Stadtzentrum wolle die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora nach eigenen Angaben ihre Arbeit "in die Stadt Weimar, mitten in die Gesellschaft" tragen. Das Museum gehe im Kern auf eine internationale Wanderausstellung zur Zwangsarbeit im NS zurück, die von der Stiftung Buchenwald erarbeitet worden und erstmals 2010 im Jüdischen Museum in Berlin zu sehen war.

Ausstellung "Bauhaus und Nationalsozialismus" startet

Gleichzeitig mit der Eröffnung des Museums startet die Ausstellung "Bauhaus und Nationalsozialismus" der Klassik Stiftung Weimar. Sie ist Teil des Themenjahres "Auf/Bruch" und blickt auf das ambivalente Verhältnis ehemaliger Bauhäuslerinnen und Bauhäusler zum nationalsozialistischen Regime, wie die Stiftung mitteilen ließ. Ausgestellt würden Kunst- und Designobjekte, die "die komplexe politische Geschichte des Bauhauses" bis zu seiner Schließung 1933 zeigten.

"Von 1.200 Bauhäusler:innen haben 900 ihr Leben schlicht in Deutschland unter der Diktatur fortgesetzt", erklärte Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, auf der Pressekonferenz zur Eröffnung. Man könne sich vorstellen, dass der Mensch subtile Strategien zwischen Anpassung und Wiederstand gefunden habe. Geschichte werde erst dann spannend, so Lorenz, wenn man komplexer gucke und die Widersprüche in den Blick nehme. "Die große Hoffnung ist natürlich, gerade auch in diesem uns alle sehr betreffenden Jahr, dass der ein oder andere auch die Erkenntnis mit rausnimmt zu sagen, ich habe auch dieses Jahr mit meinem Wahlzettel in der Hand eine Verantwortung."

Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar
Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, sagt: "Geschichte wird erst dann spannend, wenn man komplexer guckt und auch die Widersprüche in den Blick nimmt." Bildrechte: MDR/Olaf Parusel

Mit der Doppel-Eröffnung von Museum und Ausstellung am 8. Mai wollen die beteiligten Stiftungen nach eigenen Angaben im Wahljahr 2024 dazu einladen, "sich mit der Ästhethik und den Strategien totalitärer Systeme auseinanderzusetzen." Mit einem Schwerpunkt auf den Nationalsozialismus und dessen Verwurzelung in der Gesellschaft wolle man ein Zeichen für Demokratie und Menschenrechte setzen und gemeinsam den Blick in die Zukunft richten. Man wolle ein Stachel sein, Reibungen mit der Geschichte provozieren, betonte Jens-Christian Wagner. "Weg von dem – zugegebenermaßen marketing-freundlichen – Narrativ: die schöne Klassik, das gute Bauhaus und das Böse auf dem Ettersberg."

Tor des Konzentrationslagers Buchenwald mit dem von Franz Ehrlich gestaltetem Schriftzug.
Der vom Bauhäusler Franz Ehrlich gestaltete Schriftzug am Tor des Konzentrationslagers Buchenwald ist Teil der neuen Ausstellung der Klassik Stiftung Weimar. Bildrechte: (Franz Ehrlich) Erbengemeinschaft nach Franz Ehrlich

Quellen: Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, Klassik Stiftung Weimar, dpa, MDR KULTUR (Linda Schildbach) / redaktionelle Bearbeitung: vp, jb

Weitere Informationen

Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus
Jorge-Semprún-Platz 2, 99423 Weimar

Öffnungszeiten ab dem 9. Mai 2024:
Dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr

Die dreiteilige Ausstellung "Bauhaus und Nationalsozialismus" der Klassik Stiftung Weimar ist bis zum 15. September im Bauhaus-Museum, Schillermuseum und Museum Neues Weimar zu sehen.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Kulturnacht | 05. Mai 2024 | 22:00 Uhr

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