Das alte Funkhaus in Weimar
Das alte Funkhaus in Weimar könnte in Zukunft ein Erinnerungsort mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten werden. Bildrechte: MDR/Sophie Hartmann

"Nietzsche-Walhalla" 12 Millionen Euro für Umbau nötig: Altes Funkhaus in Weimar soll Erinnerungsort werden

06. Oktober 2023, 06:45 Uhr

Das alte Funkhaus in Weimar hat eine bewegte Geschichte. Errichtet wurde das Gebäude in der Zeit des Nationalsozialismus als Gedächtnishalle zu Ehren Friedrich Nietzsches. Später sendete über mehrere Jahrzehnte hinweg zuerst das DDR-Radio und später der MDR aus dem Gebäude. Heute ist das alte Funkhaus vor allem für legendäre Studentenpartys bekannt. Als Erinnerungsort könnte das "Nietzsche-Walhalla" nun eine völlig neue Nutzung bekommen.

Von der Straße aus betrachtet ist es ein fast schon unscheinbares Gebäude. Nur wenige haben in den vergangenen 20 Jahren einen Blick in die eindrucksvollen Räume in der heutigen Humboldtstraße werfen können. Die Bauarbeiten beginnen im Jahr 1938, doch das Nietzsche-Walhalla wird niemals fertig. Viele Jahre später wird die große Gedächtnishalle zu einem Sendesaal. Zu DDR-Zeiten sendet von dort der "Sender Weimar" und später, bis zur Jahrtausendwende, der MDR.

Für diesen Ort braucht es eine ganz neue DNA. Böse Orte brauchen einen guten Geist.

Martin Kranz Eventmanager

Seitdem ist wenig passiert. Das Gebäude droht zu verfallen, dem Eigentümer eine Zwangsversteigerung. Jetzt will der Weimarer Eventmanager Martin Kranz das Gebäude kaufen und daraus einen Erinnerungsort für die Überlebenden der Shoah machen.

Intendant Martin Kranz
Martin Kranz will dem alten MDR-Funkhaus neues Leben einhauchen. Bildrechte: imago/Bild13

Zwölf Millionen Euro für neuen Geist im alten Weimarer Funkhaus

Ob Zufall oder nicht: Die Bauarbeiten für das "Nietzsche-Walhalla" beginnen am selben Tag, an dem die ersten Buchenwald-Häftlinge auf dem Ettersberg eintreffen. Eine Erinnerungsstätte ausgerechnet an einem Ort, den die Nazis zu Ehren des "Übermenschen" geschaffen haben? Gerade deswegen, findet Initiator und Eventmanager Kranz. "Für diesen Ort braucht es eine ganz neue DNA. Wir müssen ihm einen neuen Geist einhauchen. Böse Orte brauchen einen guten Geist."

Schon seit zwei Jahren schwirrt ihm die Idee durch den Kopf. Eine Sanierungsstudie ergibt, dass mindestens zwölf Millionen Euro in die Hand genommen werden müssten, damit Kranz sein Vorhaben realisieren zu kann. Im Mai gründet er die Stiftung "Sendehalle Weimar" und begibt sich auf die Suche nach Unterstützern. Mittlerweile seien schon sieben der nötigen zwölf Millionen im Topf, sagt er. Ein Großteil davon sind Kulturfördergelder des Bundes.

Graffiti an einer Hauswand
Zwölf Millionen Euro soll die Instandsetzung des Gebäudes kosten. Bildrechte: MDR/Sophie Hartmann

Altes Funkhaus bisher als Party-Location genutzt

Es ist nicht das erste Nutzungskonzept für das Gebäude. So waren bereits mehrere Weimarer Musiker und Künstlerkollektive mit dem Eigentümer im Gespräch, um dort einen Veranstaltungs- und Kreativort zu schaffen. An der Idee beteiligte sich unter anderem der Pianist Martin Kohlstedt. "Wegen des Sanierungsstaus und der unerwartet hohen Kosten haben wir das jedoch recht bald wieder verworfen", erzählt er.

Wegen des Sanierungsstaus und der unerwartet hohen Kosten haben wir das jedoch recht bald wieder verworfen.

Martin Kohlstedt Pianist

Dass das Gebäude perfekt als Veranstaltungsort geeignet sei, findet auch Olaf Kammler. Im Jahr 2018 organisiert er dort - damals selber noch Student - mit einem kleinen Team die "Jubelfeier" zum jährlich stattfindenden Seifenkistenrennen. Seitdem ist das Gebäude aus der studentischen und soziokulturellen Szene Weimars nicht mehr wegzudenken. Die Akustik des alten Sendesaals gilt als legendär. Dadurch eigneten sich die Räume perfekt für unterschiedlichste Musikrichtungen, erzählt Kammler - von der Underground-Technoparty bis zum Klassikkonzert.

Orte in Weimar zu finden, an denen noch eine lebendige Subkultur stattfinden kann, werde immer schwieriger, erzählt Olaf Kammler weiter. Viele ehemalige Spielorte würden saniert oder stünden nicht mehr zur Verfügung. Aus diesem Grund hat sich die studentische Clubkultur in den vergangenen Jahren fast ausschließlich auf das Alte Funkhaus konzentriert. Wird sich das nun ändern?

Eine Traube von Personen steht in einem schwach beleuchteten Raum
In den vergangenen Jahren wurde das Gebäude vor allem für Partys und Tanzveranstaltungen genutzt. Bildrechte: Anna Striezel

Kranz plant Erinnerungs- und Veranstaltungort

Das Hauptziel sei, einen lebendigen und freien Raum zu etablieren, so Martin Kranz. Neben einer Dauerausstellung sollen im Gebäude auch Workshops und Schulungen möglich sein. "Ich nehme das sehr sehr ernst, dass junge Menschen sagen, wir brauchen einen Ort, wo wir hinkönnen", so Martin Kranz. Deswegen sei man aktuell dabei, ein Format zu entwickeln, worüber man sich mit Ideen an der Gestaltung des Ortes beteiligt werden kann.

"Eine große Technohöhle ist an diesem Ort natürlich nicht angemessen. Aber Räume zu schaffen, wo junge Menschen gerne hinkommen und wo man vielleicht auch feiern kann, das wollen wir ja auch." Viel Zeit zum Diskutieren bleibt dafür in jedem Fall - denn vor Martin Kranz und seiner Stiftung liegt für die Realisierung des Traumes noch ein langer Weg. Denn selbst wenn alle offenen Fragen - unter anderem die Finanzierung - geklärt sind, ist noch nicht absehbar, wie lange die Sanierung des großen Gebäudes dauern könnte.

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MDR (soh/cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 05. Oktober 2023 | 18:00 Uhr

6 Kommentare

Anita L. vor 29 Wochen

Was braucht keiner, Atze71? Eine Sanierung des Gebäudes? Eine weitere Nutzung des unsanierten Gebäudes? Eine Sanierung mithilfe von Fördermitteln?

Ich vermute mal ganz frei, dass Sie weder Student noch Kunsttreibender, Musiker oder Partygänger sind und auch mit Workshops (egal ob Kunst oder Geschichte) nicht so oft in Berührung kommen? Dann, da haben Sie Recht, werden Sie eine solche Stätte, wie sie beschrieben wird, nicht benötigen. Da Sie jedoch nicht alle sind, empfinde ich es als reichlich vermessen von Ihnen, für alle sprechen zu wollen. Denn wenn man den Artikel liest, bekommt man schon das Gefühl, dass es Interesse und Bedarf gebe.

Anita L. vor 29 Wochen

"Aber für die gibt es ja keine Fördermittel"

Wo steht das?

Auch mit Fördermitteln muss ein entsprechender Eingenanteil eingebracht werden, und wie Herr Kohlstedt feststellt, wäre der wohl zu hoch: "Wegen des Sanierungsstaus und der unerwartet hohen Kosten haben wir das jedoch recht bald wieder verworfen."

Atze71 vor 29 Wochen

Und wieder mindestens 12 Millionen Steuergelder in den Sand gesetzt.
Sollen die Studenten es doch nutzen. Wäre sicher auch billiger. Aber für die gibt es ja keine Fördermittel....

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