Kai Buchmann
Nordhausens Oberbürgermeister Kai Buchmann (parteilos) spricht sich auch gegen eine mögliche Erstaufnahme in der Ex-Kautabakfabrik aus. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Unverhältnismäßig" Erstaufnahme für Nordhausen? OB und Landrat lehnen Überlegungen für Gebäude ab

24. November 2023, 12:11 Uhr

Die Debatte um weitere Erstaufnahmen für Geflüchtete in Thüringen geht weiter. Derzeit sind dem Vernehmen nach unter anderem Gera und Nordhausen im Gespräch. Nach Nordhausens Landrat hat nun auch Oberbürgermeister Kai Buchmann entsprechende Überlegungen und die Informationspolitik des Landes scharf kritisiert.

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Nach der Kritik des Nordhäuser Landrats Matthias Jendricke (SPD) hat sich auch Oberbürgermeister Kai Buchmann (parteilos) gegen eine mögliche Erstaufnahmeeinrichtung in Nordhausen ausgesprochen. In einem schriftlichen Statement bezeichnete Buchmann am Freitag solche Pläne zum gegenwärtigen Zeitpunkt als unverhältnismäßig. Die Stadt Nordhausen habe bereits die meisten Geflüchteten im Landkreis aufgenommen.

Mit gelben und roten Ziegeln verkleidete Fassaden eines früheren Industriegebäudes
Die ehemalige Kautabakfabrik in Nordhausen, die von ihren Eigentümern offenbar dem Land als Erstaufnahmeeinrichtung angeboten wurde. Bildrechte: MDR/Ria Weber

Stadt: Nordhausen beherbergt über 90 Prozent der Flüchtlinge im Kreis

In der Stadt sind demnach derzeit 1.623 Menschen untergebracht, was 92 Prozent der Geflüchteten im Landkreis entspreche. Die Stadtverwaltung kritisierte außerdem, dass es bisher keine Informationen des Landes zu dem Thema gegeben habe. Falls eine Erstaufnahmeeinrichtung in Nordhausen eröffnet werde, fordert die Stadt eine umfangreiche Informationsveranstaltung des Landes Thüringen und des Landkreises Nordhausen.

Die Landesregierung will in der kommenden Woche über eine weitere Erstaufnahme für Flüchtlinge entscheiden. Eine Arbeitsgruppe habe dazu Vorschläge ausgearbeitet, sagte Staatskanzlei-Minister Benjamin Hoff am Dienstag. Einen konkreten Ort wollte er nicht nennen.

Zum Aufklappen: Erstaufnahmeeinrichtung und andere Unterkünfte - Was sind die Unterschiede?

Wenn Asylsuchende nach Deutschland kommen, werden sie über das sogenannte Easy-System auf die Bundesländer verteilt. In Thüringen kommen sie daraufhin in die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl. Die ist damit seit Ende 2017 quasi das Eingangstor für Geflüchtete nach Thüringen. Dort werden sie registriert, es finden medizinische Untersuchungen statt und auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) führt dort die Interviews für den Asylantrag durch.

Laut Asylgesetz sollen die Menschen maximal 18 Monate in Suhl bleiben. In der Praxis dauert es aber deutlich länger, bis die Flüchtlinge auf Unterkünfte in den Kommunen verteilt werden.

Um die Lage in Suhl zu entspannen, wurden in der Vergangenheit sogenannte Außenstellen eingerichtet. Dazu zählen Eisenberg und Hermsdorf. Dort werden die Geflüchteten seit Oktober ebenfalls registriert, um Suhl zu entlasten.

Aus dem gleichen Grund gab die Landesregierung zudem Anfang Oktober bekannt, vier neue regionale "Gemeinschaftsunterkünfte" einzurichten. Diese Unterkünfte sollen vom Land finanziert, aber mit der betreffenden Kommune geplant werden. Bei der Unterkunft in Gera handelt es sich laut Innenministerium um die erste dieser vier geplanten Einrichtungen. Insgesamt sollen laut Ministerium so 700 neue Plätze entstehen, die bei Bedarf kurzfristig genutzt werden können.

Nordhäuser Landrat sucht nach Alternativen

Zuvor hatte sich am Donnerstag Nordhausens Landrat Jendricke zu Wort gemeldet. Er hält das in Rede stehende Gebäude in Nordhausen als Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete für ungeeignet. Er habe dem Land mitgeteilt, dass der angedachte Standort - eine ehemalige Kautabakfabrik - zu zentral und "von den Freiflächen viel zu klein" sei, erklärte Jendricke. "Da ich aber die Unterbringungsnot des Landes kenne, weiß ich, dass wir mit einer pauschalen Ablehnung nicht weiterkommen."

Um Zeit zu gewinnen und nach einem anderen Standort am Rande der Stadt zu suchen, habe er dem Land angeboten, vorübergehend eine Notunterkunft des Landes an anderer Stelle in Nordhausen zu betreiben. Jendricke erklärte weiter, er habe in einem Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden des Kreistages am Mittwoch darauf hingewiesen, dass der Landkreis in diesem Verfahren des Landes kein formelles Mitspracherecht habe. Zuständige Genehmigungsbehörde sei die Stadt Nordhausen.

Jendricke sagte weiter, er kenne die Bewerbung einer privaten Immobiliengesellschaft mit ihrem Objekt in Nordhausen auch erst seit Freitag letzter Woche. Das Land führe derzeit ein Markterkundungsverfahren durch, bei dem sich Eigentümer mit entsprechenden Standorten bewerben könnten.

Landrat: Erstaufnahme belastet Mietmarkt oder Schulen nicht

Der Nordhäuser Landrat verwies in seiner Mitteilung am Donnerstag auch darauf, dass eine Landeseinrichtung dem Kreis bei der eigenen Aufnahme von Asylsuchenden angerechnet werde. "Das würde beispielsweise für dieses Jahr bedeuten, dass wir nicht rund 800 Menschen aus der Ukraine und weiteren Drittstaaten aufnehmen müssen, sondern nur rund die Hälfte. Flüchtlinge in Landeseinrichtungen blieben dort nur wenige Woche und würden dann in die anderen Landkreise und kreisfreien Städte weiterverteilt. "Eine Belastung des Mietmarktes vor Ort oder auch von Schulen findet somit nicht statt." Wer also langfristig weniger zusätzliche Migration "zu uns haben will, sollte sich einer Landeseinrichtung aus meiner Sicht nicht verschließen", so Jendricke.

Das Land sucht derzeit nach weiteren Standorten für Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete. Dabei sind offenbar Immobilien in Gera und Nordhausen derzeit im Fokus. Am Mittwoch hatte Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) das Verhalten des Landes in dieser Frage kritisiert. Die Stadt Gera sei hier bislang in keiner Weise einbezogen worden, kritisierte er.

MDR (dr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 23. November 2023 | 18:30 Uhr

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