Trotz Staatsexamen Kanadischer Lehrer kämpft in Thüringen um Anerkennung und Verbeamtung

19. März 2023, 14:52 Uhr

In Rodeberg im Unstrut-Hainich-Kreis sammeln Schüler Unterschriften für ihren Lehrer Daniel Brady. Der gebürtige Kanadier kämpft seit 2015 dafür, dass sein kanadisches Lehramtsstudium in Thüringen anerkannt wird.

In Rodeberg im Unstrut-Hainich-Kreis haben Schülerinnen und Schüler jetzt mehr als 100 Unterschriften für ihren Lehrer Daniel Brady gesammelt. Der gebürtige Kanadier kämpft seit 2015 dafür, in Thüringen nicht nur als Chemie-, sondern auch als Englischlehrer anerkannt zu werden. Im Moment gilt der 36-Jährige hier als Seiteneinsteiger und Ein-Fach-Lehrer, der deswegen auch nicht verbeamtet werden darf.

Dabei hatte Brady 2010 in Westkanada ein Lehramtsstudium für Chemie und Sozialkunde abgeschlossen. Praktisch tätig wurde er allerdings erst in Deutschland. Ursprünglich war er zum Eishockeyspielen für ein Jahr nach Deutschland gekommen. Es kam jedoch anders: Er lernte die Liebe seines Lebens kennen und gründete eine Familie. In Rodeberg fühlt er sich wohl. "Es ist meine zweite Heimat, es wird langsam meine richtige Heimat. Ich fühl mich richtig integriert. Schüler, Kollegen, Eltern und das Dorf haben es mir leichtgemacht".

Einziger Englischlehrer an der Schule

Obwohl er privat sein Glück gefunden hat, muss der Kanadier als Ausländer kämpfen, dass er als Lehrer so anerkannt wird, dass er auch volles Gehalt und den Beamtenstatus bekommt. Derzeit unterrichtet er an der Thüringer Gemeinschaftsschule Rodeberg Chemie - den Abschluss hat Thüringen anerkannt - und Englisch und ist als Klassenlehrer tätig. Im Moment ist der Muttersprachler sogar der einzige Englischlehrer, nachdem eine Kollegin im Februar in den Ruhestand gegangen ist.

Doch sein "elektronisches Zertifikat wird in Thüringen nicht anerkannt", sagt Brady. Auch sein zweites Studienfach Sozialkunde nicht. Weil das kanadische ein anderes politisches System sei, sagt das Ministerium. "So groß ist der Unterschied nicht", denkt Brady.

Problem in MDR-Sendung geschildert

Seine Geschichte schilderte Brady am 16. Januar 2023 in der MDR-Fernseh-Sendung Fakt ist! unter anderem auch Bildungsminister Helmut Holter. Der Linke-Politiker versprach, eine Lösung zu finden. "Ich werde mich dafür einsetzen, weil ich das für falsch halte, solche Kolleginnen und Kollegen, die so viel auch Wissen mitbringen, Erfahrung mitbringen dann einfach als Seiteneinsteiger zu behandeln."

Reichlich E-Mails - aber keine Lösung

Seit der Sendung habe er intensiven E-Mail-Verkehr mit dem Ministerium gehabt, sagt Brady. Die hätten den Fall noch einmal geprüft und sind dabeigeblieben: Er sei nur ein Ein-Fach-Lehrer; sein Englisch werde nicht anerkannt und Sozialkunde auch nicht. Er dürfe weiter als Chemielehrer, aber nicht als Zwei-Fach-Lehrer arbeiten.

Ministerium verlangt Praxis-Nachweis aus Kanada

Das Thüringer Ministerium verlangt jetzt eine Bescheinigung aus Kanada über die praktische Lehrtätigkeit von Daniel Brady. Die Praxis hat er allerdings ausschließlich in Deutschland absolviert, weil er direkt nach dem Studium nach Deutschland gegangen ist. "Ich habe Lehramt in Kanada studiert, alle Staatsexamen gemacht und bestanden. Habe jetzt fünf Jahre in Deutschland mit guten Ergebnissen gearbeitet zur Zufriedenheit meiner Vorgesetzten und hier alle Aufgaben erfüllt", sagt Brady. Kanada würde nur Praxisstunden in Kanada zertifizieren.

Lösung nur gemeinsam mit Thüringer Ministerium

Eine individuelle Lösung kann jedoch nur gemeinsam mit dem Bildungsministerium gefunden werden. Wie Sprecherin Lisa Bönsel auf MDR-Anfrage sagte, will das Ministerium den Fall nun erneut prüfen.

Herr Brady ist eine engagierte und geschätzte Lehrkraft und natürlich sind wir an jedem Einzelnen im System interessiert. Er ist auch schon lange im Thüringer Schuldienst. Und insofern würden wir sehr gern noch einmal mit ihm ins Gespräch kommen.

Lisa Bönsel Sprecherin Thüringer Bildungsministerium

Kein Problem mit Nachqualifizierung

Daniel Brady sagt, er hätte auch überhaupt kein Problem damit eine Nachqualifizierung, zum Beispiel im Bereich Fachdidaktik, zu absolvieren oder andere Auflagen zu erfüllen. Nur allzu lange sollte die Suche nach einer Lösung nicht mehr dauern.

"In anderen Bundesländern ist die Gesetzeslage ein bisschen anders", hat Brady festgestellt. Die würden auch sein digitales Zertifikat anerkennen. Hessen liegt beispielsweise nur gut 15 Kilometer von Bradys Wohnort entfernt. Eine Alternative, die er allerdings nur ungern in Betracht ziehen möchte.

Die 120 Unterschriften, die seine Schüler in anderthalb Wochen gesammelt haben, wollen sie dem Schulamt übergeben. Denn die Kinder wollen, dass ihr "Lieblingslehrer" bleibt, als Englischlehrer anerkannt und nicht mehr wie ein Seiteneinsteiger bezahlt wird.

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MDR (nis)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. März 2023 | 19:00 Uhr

41 Kommentare

Harka2 am 21.03.2023

@Helmut Buech
Sie können nicht einfach die Berufsschulabschlüsse eines Georgiers oder Ukrainers mit einem deutschen Gleichsetzen. In Georgien oder Kroatien arbeiten z.B. die Beamten schon lange mit elektronischen Akten, in Deutschland stecken solche Projekte noch in den Kinderschuhen. Solche veralteten Systeme wie in deutschen Verwaltungen gibt es vielleicht noch in Butan oder Mali.

martin am 20.03.2023

Genau: Wer in Thüringen unterrichten will, der hat sich gefälligst den Vorstellungen des Thüringer Bildungsministeriums anzupassen. Wem das nicht passt, der kann ja gern woanders unterrichten. Thüringen hat schließlich genug Bewerber!

martin am 20.03.2023

Vielleicht werden ja andere Abschlüsse anerkannt - nur halt keine Lehramtsabschlüsse. Die deutsche Lehrerausbildung ist ja derart überlegen, da können andere Länder uns keinerlei Wasser reichen.

*Sicherheitshinweis* Wer Ironie findet, darf sie behalten.

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