Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand
Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche Arbeitsunfähig und trotzdem Anspruch auf Weihnachtsgeld?

06. Mai 2023, 05:00 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Freiwilliges Weihnachtsgeld kann zur Pflichtleistung werden

Bundesarbeitsgericht (Az: 10 AZR 116/22)

Boris Bormann ist seit zwanzig Jahren in einem Unternehmen beschäftigt. Seinem Arbeitsvertrag zufolge hat er keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Seit 2010 zahlt ihm der Arbeitgeber dennoch 1.500 Euro extra. In der Lohnabrechnung wird dies als "freiwilliges Weihnachtsgeld" bezeichnet. Von 2018 bis 2020 ist Herr Bormann nun arbeitsunfähig erkrankt. Ein Weihnachtsgeld bekommt er in dieser Zeit nicht. Schließlich sei die bisherige Zahlung freiwillig erfolgt, sagt sein Arbeitgeber.

Am Bundesarbeitsgericht war man nicht einverstanden: "Allein der Hinweis auf Freiwilligkeit in der Lohnabrechnung reicht nicht aus, um dem Arbeitnehmer die Einmaligkeit der Zahlung zu verdeutlichen. Denn der Zusatz 'freiwillig' kann auch heißen, dass der Arbeitgeber regelmäßig 'freiwillig' zahlt. Soll die Zahlung nur für geleistete Arbeit und nicht etwa bei Krankheit gelten, hätte dies der Arbeitgeber klar zum Ausdruck bringen müssen. Da das Weihnachtsgeld mehr als dreimal hintereinander gewährt wurde, war von einer regelmäßigen Zahlung auszugehen." Der Kläger hat hier also Anspruch auf die Sonderzahlung.


Erbfallkostenpauschale gilt auch für Nacherben

Bundesfinanzhof (Az: II R 3/20)

Helga Helsicke hat vor Jahren in ihrem Testament bestimmt, dass nach ihrem Tod zunächst ihr Ehemann erben soll und nach dessen Tod dann die Nichte Helene. Genauso geschieht es dann auch – doch das Finanzamt legt für Helene eine Erbschaftsteuer von fast 4.000 Euro fest. Die Nichte ist damit nicht einverstanden: Vor der Berechnung der Erbschaftsteuer müsse von ihrem Erbe noch die Erbfallkostenpauschale in Höhe von 10.300 Euro abgezogen werden. Das Finanzamt jedoch meint, dies sei nur beim Ehemann der Erblasserin möglich, denn dieser habe als erster die Erbschaft bekommen.

Am Bundesfinanzhof beurteilte man den Fall anders:  "Es handelt sich hier um zwei getrennte Erbfälle. Sowohl der Ehemann als Vorerbe als auch die Nichte als Nacherbin können die Pauschale abziehen. Zwar ist die Pauschale ursprünglich dafür gedacht, die Beerdigungskosten zu berücksichtigen – und diese Kosten sind nur dem Ehemann entstanden. Die Pauschale soll aber auch weitere Kosten der Nachlassverwaltung abdecken. Da es sich um eine Pauschale handelt, muss die Nichte diese Kosten nicht belegen." Die Erbfallkostenpauschale gilt also auch für sogenannte Nacherben.


Keine Steuervergünstigung für Hausnotruf ohne eigene Soforthilfe

Bundesfinanzhof (Az: VI R 7/21)

Anna Ansbach wohnt allein, ist pflegebedürftig und hat deshalb den Vertrag für ein Hausnotrufsystem abgeschlossen. Der Anbieter stellt die entsprechenden Geräte bereit, inklusive einer 24-Stunden-Servicezentrale. Von dort aus wird bei Bedarf alles Weitere veranlasst, beispielsweise der Rettungsdienst oder Pflegedienst alarmiert. Frau Ansbach will nun die Kosten von 288 Euro als Steuervergünstigung für haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Als haushaltsnah gelten ja Leistungen, die auch von Haushaltsmitgliedern erbracht werden, etwa Malerarbeiten oder eben die Erste Hilfe in einem Notfall. Dabei werden 20 Prozent der Kosten von der Steuerschuld abgezogen, insgesamt pro Jahr maximal 4.000 Euro. Das Finanzamt macht in diesem Fall aber einen Strich durch die Rechnung.

Zu Recht, wie der Bundesfinanzhof entschied. "Die Klägerin bezahlt hier für die Technik – und die Bereitstellung einer Notrufzentrale. Die Entgegennahme des Notrufs und die Verständigung hilfeleistender Dritter erfolgen jedoch außerhalb der Wohnung. Bei einer solchen Vermittlung entfällt die Möglichkeit der Steuervergünstigung. Anders verhielte es sich, wenn der Anbieter selbst sofortige Nothilfe leistet." Da er das nicht tut, können die Kosten für den Notruf nicht geltend gemacht werden.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 06. Mai 2023 | 06:00 Uhr

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