Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand
Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche Jobcenter muss in Ausnahmefällen höhere Miete übernehmen

28. Oktober 2023, 05:00 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Jobcenter muss im Einzelfall höhere Miete bezahlen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az. L 13 AS 185/23 B ER)

Familie Wiesenbach* hat es besonders schwer eine neue Wohnung zu finden. Mit einem schwerbehinderten und vier weiteren Kindern im Alter von 9 bis 22 Jahren kommt eigentlich nur eine Erdgeschosswohnung in Frage. Sowohl der Arzt als auch das Jugendamt empfehlen eine barrierefreie Wohnung. Bislang musste der 22-jährige behinderte Sohn stets durchs Treppenhaus getragen werden. Nun findet die Familie tatsächlich eine Wohnung im Erdgeschoss mit fünf Zimmern. Die Bruttokaltmiete liegt aber bei 1.426 Euro monatlich – deutlich über der Angemessenheitsgrenze von 1.335 Euro. Das Jobcenter will die Kosten dafür deshalb nicht übernehmen. Doch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hält hier eine Ausnahme für gerechtfertigt.

Der Zugang zum Wohnungsmarkt ist für Menschen mit Behinderung erheblich erschwert. Auch aufgrund zusätzlicher familiärer Besonderheiten muss das Jobcenter hier auch eine etwas teurere Wohnung bezahlen. Außerdem konnte im vorliegenden Fall nachgewiesen werden, dass die Chance der Familie eine andere geeignete Wohnung zu finden, sehr gering ist. Familie Wiesenbach kann in die Erdgeschosswohnung einziehen.


Reisewarnung bei Buchung berechtigt später nicht zum Rücktritt

Bundesgerichtshof (Az. X ZR 103/22)

Familie Palmenwind* hat im September 2020 eine dreiwöchige Flugreise mit Hotel in die Dominikanische Republik gebucht. Zum Zeitpunkt der Buchung bestand für das Land wegen der Corona-Pandemie eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Diese wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert und ist nun auch zum Reisetermin im Frühjahr 2021 immer noch gültig. Wegen dieser Corona-Risiken storniert die Familie die Reise eine Woche vor Abflug. Vom Veranstalter verlangt sie die geleistete Anzahlung von 1.540 Euro zurück. Die Klage blieb letztlich auch vor dem Bundesgerichtshof ohne Erfolg.

Wenn zum Zeitpunkt der Buchung die Reisewarnung bereits bestand, kann die Reise auch Monate später nicht kostenlos storniert werden. Denn es bestand zumindest die Möglichkeit, dass sich die Gesundheitsrisiken in der Zwischenzeit nicht wesentlich ändern würden. Auch Einschränkungen wie die Maskenpflicht oder eingeschränkte Angebote im Hotel waren bereits bei der Buchung absehbar und können daher nicht als erhebliche Beeinträchtigung der Reise angesehen werden. Die Familie bekommt daher kein Geld zurück.


Verunglückte Wanderin muss Helikopter-Einsatz selbst bezahlen

Landgericht München (Az: 27 O 3674/23)

Tamara Tanzke* sieht sich selbst als nicht sehr erfahrene Gelegenheitswanderin. In einem Chat für Kletterer verabredet sie sich dennoch mit einem Mann zu einer gemeinsamen Bergtour im Karwendel. Der hat sich ihr im Chat als erfahrener Bergführer vorgestellt. Doch die Tour wird deutlich schwerer als gedacht: Heftige Schneefälle und fehlende Spuren machen den Abstieg fast unmöglich.

An einer steilen Felswand entschließen sich beide, die Flugrettung zu alarmieren. Die Rechnung dafür in Höhe von rund 8.500 Euro zahlt sie zwar, reicht jedoch eine Klage gegen ihren Begleiter ein. Er hafte aufgrund eines Gefälligkeitsvertrags. Als angeblicher Bergführer habe er Sorge tragen müssen, dass sich die Klägerin nicht unterkühle. Das sahen die Richter am Landgericht München anders.

Eine rein privat durchgeführte gemeinsame Bergtour ist für sich genommen nicht geeignet, eine vertragliche Haftung zu begründen. Im Vordergrund stand hier vielmehr der soziale Kontakt und nicht etwa der Wille der Beteiligten, sich rechtlich zu binden. Daran ändert sich auch nichts, wenn sich der Mann zuvor in einem als Flirt gehaltenen Chat mit der Klägerin als "persönlicher Bergführer" bezeichnet hat. Frau Tanzke muss das Geld für die Rettung bezahlen.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 28. Oktober 2023 | 06:00 Uhr

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