Ein junger Mann sitzt an einer Werkbank und misst ein Werkstück nach
Viele der Menschen, die vor sechs Jahren nach Deutschland geflüchtet sind, haben Arbeit gefunden. Doch an einigen Stellen hakt es bei der Integration noch immer. Bildrechte: picture alliance/dpa

Entwicklung sichtbar Experten wollen schnellere Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt

22. September 2023, 10:43 Uhr

Arbeitsmarktforscher und Beamte der Arbeitsagentur sind nicht unzufrieden damit, wie gut die Geflüchteten von 2015 bisher in den Arbeitsmarkt integriert wurden. Verbesserungspotenzial sehen sie vor allem beim Thema Sprachkenntnisse. Damit der Ausbildungsweg nicht länger werde, wünschen sich Fachleute zum Beispiel berufsbegleitende Sprachkurse.

Keine Sprachkenntnisse, kaum Bildung und Flucht-Traumata: Die Bedingungen für die Integration der 2015 Geflüchteten in den Arbeitsmarkt seien schwierig gewesen, sagt Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und der Universität Bamberg.

Nur ein Fünftel ist ganz ohne Arbeit

Die Professorin für Migrations- und Arbeitsmarktforschung untersucht diese Gruppe regelmäßig im Rahmen einer Langzeitstudie. Die aktuellsten Daten stammten aus der Erhebung von 2021. Bei den Menschen sei sechs Jahre nach Zuzug die Erwerbsquote im Durchschnitt bei 54 Prozent. Aber es gebe auch ausgeprägte Geschlechterunterschiede. "Also die Erwerbsquote von Männern liegt schon bei 68 Prozent und bei Frauen ist es nur 21 Prozent", sagt Kosykova.

Ein Jahr später lag die Quote dann schon bei 62 Prozent, ergänzt die Forscherin. Der Großteil der Geflüchteten arbeitet also, andere sind in Aus- und Weiterbildung oder in Elternzeit. Lediglich ein Fünftel mache nichts dergleichen.

Frauen kommen schwerer in den Arbeitsmarkt

Insbesondere bei den Frauen sieht die Forscherin Nachholbedarf. Aus mehreren Gründen fänden sie nur langsam in den Arbeitsmarkt: "Das sind auf einer Seite natürlich die familiären Verpflichtungen, also dass man Kinder oder kleine Kinder hat."

Eine andere Erklärung sei, dass es bei Frauen viel problematischer sei, deren Humankapital in den deutschen, reglementierten Arbeitsmarkt zu übertragen. "Also die Frauen kommen häufig mit Bildungsabschlüssen oder Berufserfahrung in Bereichen wie Gesundheit oder Bildung", sagt die Expertin. Für einen Berufseinstieg in diesen Branchen brauchten die Frauen in Deutschland häufig ein höheres Sprachniveau und eine Anerkennung dessen. Das führe dann zu Verzögerungen.

Arbeitsagentur war Aufwand bewusst

Die Erwerbstätigenquote der Geflüchteten werde nie 100 Prozent erreichen, sagt Forscherin Kosyakova. Das sei normal. Zum Vergleich: In ganz Deutschland lag sie im vergangenen Jahr bei knapp 77 Prozent.

Frank Vollgold von der Arbeitsagentur-Regionaldirektion Sachsen sagt, dass klar war, dass die Arbeitsmarktintegration ein Marathon werde. Im Freistaat seien bisher mehr als 6.000 Syrer vermittelt worden. Der der Einstieg in den Arbeitsmarkt laufe wegen der geringen Qualifikation häufig über Helfer-Berufe. Vollgold sagt: "Und nun wissen wir (…), dass die Menschen mit einer guten Schul- und vielleicht auch Berufsausbildung natürlich sicherer im Job sind, als wenn man im Helferbereich unterwegs ist. Weil da ist es üblicherweise – vielleicht auch über die Zeitarbeit – ja ganz normal, dass man vorübergehend arbeitet und nach einer gewissen Zeit wieder freigesetzt wird."

Fachkräfte-Anteil wächst

Aber es werde besser, ergänzt Vollgold: Bereits 60 Prozent der erwerbstätigen Geflüchteten seien mittlerweile Fachkräfte. Diese Entwicklung sieht auch Martin Witschaß von der IHK in Chemnitz. "Was wir allerdings auch beobachten, (…) dass immer mehr Flüchtlinge eine Ausbildung hier beginnen. Das sind meistens Leute, die schon eine ganze Weile hier sind, häufig hier auch das deutsche Schulsystem besucht haben." Für Witschaß sei das die idealtypische Integration.

Insgesamt jedoch, bilanziert Witschaß, muss es künftig deutlich schneller gehen, die Menschen in Arbeit zu bringen. Auch die Bürokratie und die Unsicherheit über den Aufenthaltsstatus habe die Arbeitgeber zögern lassen. Wenn jedoch dringend Arbeitskräfte gesucht würden, sei es inakzeptabel, die Menschen erst einmal im Integrationskurs wie in einer Warteschleife hängen zu lassen, sagt Witschaß und regt an, dass Sprachkurse künftig auch berufsbegleitend möglich sein sollten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 22. September 2023 | 06:06 Uhr

25 Kommentare

Britta.Weber vor 33 Wochen

Die im Artikel genannte Professorin Kosyakova ist Autorin bei der Grünen Heinrich-Böll-Stiftung. Das sollte der Leser zur Einordnung wissen.
Auch bei anderen Sendern der ARD kommen bei Fragen zu Themen wie Migration und Asly meist nur Autoren der Heinrich-Böll-Stiftung zu Wort.

nicht vergessen vor 33 Wochen

Zitiere mal den Gauck:Wir brauchen Bürger die auf die Strasse gehen,die den Spinnern ihre Grenzen aufweisen,und die sagen.
bis hierher und nicht weiter.
Und wer sagt das hat nichts mit dem Thema zutun der hat es noch nicht begriffen wohin die Reise geht.
Sie stehlen und unser Recht auf Leben,unseren Kindern die Zukunft.

Maria A. vor 33 Wochen

Tja, da wird es wohl mehrheitlich um Tätigkeiten gehen, die nicht gut bezahlt werden. Im Dienstleistungsbereich wird die Liste weiter steigen, denn das Bürgergeld bietet mittlerweile einen größeren Anreiz des monatlichen Einkommens als Niedriglohnbeschäftigungen. Noch drastischer werden die offenen Stellen ansteigen, wenn die Kindergrundsicherung greift. Ehrlich? Das mag man sich als realistisch denkender Mensch gar nicht vorstellen, was damit für ein Boom erzeugt wird... Übrigens, von den üblichen Schwächen aller Statistik abgesehen, ist keine aussagefähige Erfassung nach ethnischer Herkunft möglich. Es werden, wenn schon und egal in welchen Bereichen, alle als Deutsche erfasst, die einen deutschen Pass besitzen, selbst die mit Doppelpass. Selbstverständlich die inbegriffen, die unserer Sprache kaum mächtig sind.

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