Drei alte Damen an einem Tisch
Eine Pflegekraft bei der Arbeit - von ihnen gibt es immer weniger. Für die Pflegeheime wird das zum Problem. Bildrechte: picture alliance/dpa | Soeren Stache

Altenpflege Personalmangel, dann teure Leiharbeit – warum Pflegeheime pleite gehen

10. Februar 2024, 08:46 Uhr

Insolvenzen von Pflegheimen sind nach Einschätzung der Allgemeinen Ortskrankenkasse vor allem auf den Personalmangel zurückzuführen. Die Bereichsleiterin für Pflege der AOK Plus, Claudia Schöne, sagte MDR AKTUELL, das führe bei den Betreibern zu weiteren Kosten, da sie mit teuren Leiharbeitnehmern gegensteuerten. Außerdem könnten nicht alle Plätze in den Heimen wegen des Mangels genutzt werden, was zu finanziellen Verlusten führe.

Ein Mann naht, blickt direkt in die Kamera
Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur MDR AKTUELL Bildrechte: MDR

Die Hoffnung starb kurz vor Weihnachten. Damals machte die Nachricht die Runde, dass das Pflegeheim Muldentalstift im sächsischen Naunhof schließen muss. Fast ein Jahr hatten die Beschäftigten auf Rettung gehofft. Vergeblich. Pflegekräfte wie Tina Franke wandten sich an die Öffentlichkeit: "Es sind immerhin 76 Bewohner, die hier ihr Zuhause verlieren. Um die wir jetzt bangen müssen, dass die alle ein neues Zuhause finden. Oder dass wir gemeinsam ein neues Zuhause finden."

Naunhof ist kein Einzelfall. Zum Jahreswechsel traf es eine Pflegekette aus Zerbst. Auch in Riesa ging ein Heim pleite. Laut pflegemarkt.com machten vergangenes Jahr bundesweit 66 Pflegeheime zu. Dafür gebe es viele Gründe, sagt Markus Sutorius von der Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen: "Der erste Grund ist tatsächlich die Kostenerhöhung, die solche Pflegeeinrichtungen in den letzten Jahren mitmachen mussten. Das lag zum einen daran, dass Pflegeeinrichtungen seit September vorletzten Jahres nach Tarif bezahlen müssen. Wenn Sie das also nicht getan haben, dann haben sie eine massive Personalkostensteigerung gehabt in der Zwischenzeit." Außerdem seien die Kosten für Strom, Wärme und Essen gestiegen.

Sprecherin der AOK macht Personalmangel verantwortlich

Obwohl man als Pflegekraft heute besser verdiene als früher, sagt Sutorius, fänden viele Heime noch immer schwer Personal. Und das, ergänzt Claudia Schöne von der Pflegekasse AOK Plus, führe bei den Betreibern zu weiteren Kosten. "Mitunter wird mit sehr teurem Leiharbeitnehmer-Personal gegengesteuert. Das kann man sich aber so auf Dauer nicht leisten. Oder es ist tatsächlich so, dass die Teams so ausgedünnt sind, dass nicht alle Plätze, die im Haus vorhanden sind, auch betreut werden können mit dem Pflegepersonal. Und damit geht natürlich die Auslastung zurück."

Ein nicht voll belegtes Heim trägt sich aber oft nicht. Für Schöne ist der Personalmangel deshalb einer der Hauptgründe, warum sich manche Heime nicht halten. Eine generelle Unterfinanzierung sieht die AOK-Plus-Vertreterin nicht. Trotz der Insolvenzen wachse die Zahl der Heimplätze: "Wir haben in Sachsen 710 Pflegeheime und wir haben über das letzte Jahr sechs Schließungen gehabt, aber sieben Neueinrichtungen."

Privater Betrieb von Pflegeheimen steht in der Kritik

Gleichwohl, sagt Schöne, sei eine Insolvenz für die Bewohner dramatisch. Das sieht auch Verdi Mitteldeutschland so. Gewerkschaftssekretärin Manuela Schaar stellt deshalb privat betriebene Pflegeheime generell infrage: "Wenn ich nicht möchte, dass ein Pflegebetrieb aus finanziellen Schwierigkeiten heraus den Betrieb einstellt, dann muss ich mir überlegen, ob die privatwirtschaftlich betrieben werden sollen. Kommunale Einrichtungen sind von Pleiten eher wenig betroffen, weil die Arbeitsplätze dahingehend abgesichert sind, dass sie eben zur Kommune gehören und sich eine Kommune kümmert."

Auch Markus Sutorius sagt, in der Wirtschaft müsse man immer mit Insolvenzen rechnen. Oft müssten Heimbetreiber allerdings auch lange auf staatliches Geld warten, das ihnen eigentlich zusteht. Das schaffe man zusätzlich Probleme und sollte man ändern. "Man könnte auch zum Beispiel die Insolvenzen dadurch abfedern, dass man ähnlich wie im Reisebereich die Einrichtungsträger verpflichtet, eine Insolvenzversicherung abzuschließen, sodass die Folgen von Insolvenzen auf die Art und Weise abgefedert werden können."

Den Bewohnern im Muldentalstift Naunhof hilft diese Diskussion nichts mehr. Ende März müssen sie ausgezogen sein.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 09. Februar 2024 | 06:09 Uhr

18 Kommentare

Yogi123 vor 11 Wochen

@reuter4774: Na da haben Sie ja Glück , wenn Sie der Meinung sind, eine gute Bezahlung in der Pflege zu bekommen. Also ich arbeite seit 30 Jahren in einer Klinik und die einzige Wertschätzung die ich je kennengelernt habe kam von Patienten und Angehörigen. Der Konzern hat nur Interesse am Gewinn und die Mitarbeiter sind billige Statisten🙈

Reuter4774 vor 11 Wochen

Undankbar, aber nicht vom AG her oder vom Geld. Undankbar aufgrund des Verhaltens von Angehörigen und oft auch Pflegebedürftigen. Nein hier geht's nicht um Geld sondern um Wertschätzung. Und die kann nicht von der Politik kommen sondern von den fordernden Senioren selbst. Mal drüber nachdenken!

Reuter4774 vor 11 Wochen

Die zukünftigen AN sind in der Minderheit und können sich die Arbeit aussuchen. Da nimmt man keinen körperlich anstrengenden Beruf mit 3 Schichten! Sie werden keine ausreichenden Pflegekräfte mehr finden. Den Beruf muss man machen WOLLEN, erzwingen funktioniert nicht. Also was wollen Sie mit auf die Straße gehen erreichen? Sich Leute aus den Rippen schneiden? ES SIND KEINE MEHR DA! Ich arbeite gerne in meinem Beruf, verstehe aber auch vollkommen wenn Jemand das nicht kann und will.

Mehr aus Wirtschaft

Das Gelände der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft von oben. 1 min
Bildrechte: MDR/Tim Schulz
1 min 25.04.2024 | 21:13 Uhr

Was aus Biomüll gemacht werden kann, zeigt eine Anlage südlich von Leipzig. Auf der Zentraldeponie Cröbern entsteht aus Biomüll neben Komposterde grüner Strom für 3.000 Menschen.

Mi 13.09.2023 11:15Uhr 01:00 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/video-biogas-strom-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Deutschland

Illustration eines menschlichen Kopfes aus Glass 29 min
Bildrechte: IMAGO/Addictive Stock
berkner 1 min
Bildrechte: MDR
1 min 28.04.2024 | 04:45 Uhr

Bei der Renaturierung aktuell noch betriebener Tagebaue kündigt sich ein Dilemma an: Wasser für die Flutung werde kaum zur Verfügung stehen, so Planer Andreas Berkner. Doch Grundwasser weiter abzupumpen, ist zu teuer.

Fr 26.04.2024 10:21Uhr 00:29 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/video-tagebau-flutung-wasser-berkner-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video