Besuch in Polen Zukunftszentrum: Was Halle vom Solidarność-Zentrum in Danzig lernen kann
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11. Mai 2023, 19:29 Uhr
Halle wird der Standort des Zukunftszentrums Deutsche Einheit. Das Bauprojekt ist mit 200 Millionen Euro eines der umfangreichsten des Jahrzehnts. Eine Delegation ist von Halle nach Danzig in Polen gereist, um das Solidarność-Zentrum zu besuchen – ein mögliches Vorbild für das Zukunftszentrum in Halle.
- Eine Delegation aus Halle ist nach Danzig gereist und hat dort das Solidarność-Zentrum besucht, ein mögliches Vorbild für das Zukunftszentrum.
- Die nächsten Schritte auf dem Weg zum Zukunftszentrum sind die Gründung einer Trägerschaft und ein internationaler Architekturwettbewerb.
- Zur Gestaltung des Zukunftszentrums gibt es verschiedene Ideen. Gleichzeitig ist weiter unklar, wie der Umbau des Riebeckplatzes finanziert werden soll.
Es hat ein bisschen was von Klassenfahrt: Müde, aber gespannt sitzt die 20-köpfige hallesche Delegation aus Stadtpolitik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur früh im Reisebus gen Danzig in Polen. Halles Bürgermeister Egbert Geier (SPD) gibt den Reiseleiter, verteilt Gummibärchen und Kekse, hat über eine Handy-App die Route im Blick und hilft dem Busfahrer, durch den Stau zu navigieren. Zehn Stunden später startet die Bildungstour durch die größte Stadt an der polnischen Ostseeküste.
Majestätisch-monumental erhebt sich gebaut aus gewollt rostig-roten Stahlplatten das Solidarność-Zentrum im Hafen von Danzig in den blauen Himmel. Drinnen wuseln hunderte Menschen durch die lichtdurchfluteten Räume. Die meisten tragen Kopfhörer und hören einen digitalen Audioguide, andere werden von einem menschlichen Guide durch die Ausstellung geführt.
Basil Kerski ist Direktor des Zentrums: "Sie sind hier im Mekka Polens" erklärt Kerski den Gästen aus Halle. Kerskis Vater ist Iraker und seine Mutter Polin – da er in Berlin aufgewachsen ist, spricht er fließend Deutsch. "Hier ist im Jahr 1980 die polnische Demokratie entstanden." Im letzten Jahr vor Corona haben 1,2 Millionen Menschen das Zentrum besucht.
Neue Hotels und Restaurants durch Solidarność-Zentrum
Das ist eine Zahl, die den Mitgliedern der Stadt-Delegation ein Glänzen in die Augen zaubern, das zum Strahlen wird, als Cornelia Pieper (FDP) ausführt: "Mit dem Solidarność-Zentrum sind Hotels und Restaurants wie Pilze aus dem Boden geschossen. Der wirtschaftliche Erfolg der Stadt und der Region steht in engem Zusammenhang mit dem Zentrum. Gleiches wird aus meiner Sicht auch Halle widerfahren".
Pieper, gebürtige Hallenserin und Jury-Mitglied in der Entscheidung für Halle als Standort des Zukunftszentrums, ist seit neun Jahren deutsche Generalkonsulin in Danzig. Sie hat den Aufschwung Danzigs durch das Zentrum miterlebt. Wichtig sei, dass die Menschen in Halle das Zentrum auch unterstützten, die Euphorie des Zuschlags also aufrechterhalten werde.
Solidarność-Zentrum als Vorbild für das Zukunftszentrum?
Eine Euphorie, die immer wieder gebremst wird durch das Unkonkrete, wenn es um die Ausrichtung des Zentrums geht. Zwar hat die Stadt den Zuschlag für den Baukörper. Das Innenleben definiert jedoch in erster Linie der Bund. Einen Eindruck zu bekommen, wie das aussehen kann, ist Ziel der Reise der halleschen Delegation.
Basil Kerski betont, dass das Zentrum in Halle vor einer besonderen Herausforderung steht: "Das Zentrum darf sich nicht nur die deutsche Öffentlichkeit ausrichten, sondern muss europäisch sein." Dazu komme, dass an der Entstehung des Zentrums die Stadt und der Bund beteiligt seien, dass also viele an einen Tisch gebracht werden müssten. "Das ist unfassbar viel Arbeit", sagt er.
Zukunftszentrum: Architekturwettbewerb und Trägerschaftsgründung
In Danzig sei das Zentrum durch die Solidarność-Geschichte direkt aus der Stadt heraus entstanden. Das habe die Abläufe etwas leichter gemacht, weil weniger Akteure mitzusprechen hatten, so Kerski. Den Erfolg des Zentrums in Danzig wolle man kopieren, erklärt deshalb auch Cornelia Pieper. Das Konzept könne Orientierung und Inspiration für Halle sein.
Direktor Basil Kerski kritisiert den Namen des Zentrums in Halle: "Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und europäische Transformation" könne nur ein Arbeitstitel sein. Besser sei etwa "Europäisches Demokratiezentrum". Um solche Dinge zu besprechen und zu entscheiden, fehlt es noch an Struktur. Aktuell arbeitet der Aufbaustab an einem Architekturwettbewerb für das Zukunftszentrum in Halle. Eine Trägergesellschaft muss entstehen. Beide Projekte sollen noch 2023 umgesetzt werden.
Kerski offen für Zusammenarbeit mit Halle
An der Idee fürs Deutsche Zukunftszentrum hat Kerski mitgeschrieben. Er war Teil der Jury, sagt, er sei fasziniert von der Stadt Halle, war häufig dort. Ist er derjenige, der in Halle Verantwortung übernehmen könnte? "Ich fände es spannend, bei der Entstehung der Einrichtung mitzuwirken, in welcher Rolle auch immer. Gerne auch ehrenamtlich", antwortet Kerski ausweichend. Einen Anruf von Entwicklungsbeauftragten des Zukunftszentrums, dem Ostbeauftragten der Bundesregierung Carsten Schneider (SPD), habe er noch nicht bekommen.
Zukunftszentrum: Deutsche und europäische Geschichte
Bei den Mitgliedern der Delegation zeigen sich Erleichterung, Kreativität und Begeisterung. Es seien durchaus noch Fragezeichen da, sagt etwa CDU-Fraktionschef Andreas Scholtyssek. Seine Kollegin Melanie Ranft von den Grünen sagt, ihr sei aufgegangen, was europäische Transformation bedeuten könne. Die deutsche und europäische Geschichte mit Blick in die Zukunft solle im Mittelpunkt stehen.
Olaf Schöder von der FDP sagt: "Ich frage mich, wie wir Demokratie neu denken können, auch im Umgang mit Fremden, mit Andersdenkenden." Katja Müller von den Linken, die Vorsitzende des Stadtrats, bremst: "Wir sollten uns beim Einfluss nicht allzu große Hoffnungen machen." Aufgabe des Stadtrats und der Stadt sei es aber, Ideen einzubringen und mitzubestimmen. Diese Chance sieht Bürgermeister Egbert Geier als gegeben. Schon jetzt rede man auf Augenhöhe mit dem Bund.
Finanzierung zur Umgestaltung des Riebeckplatzes unklar
Doch auch mit den Aufgaben der Stadt dürften Rat und Ratshofchef genug zu tun haben. Schließlich gehört zum Architekturkonzept des Zukunftszentrums auch eine Umgestaltung des Riebeckplatzes, der nicht gerade durch Schönheit besticht.
Woher das Geld für die städtebaulichen Maßnahmen kommt, ist unklar. Denn die geplanten 200 Millionen Euro sind nur für das Zentrum gedacht, nicht für die städtische Umgebung. Hoffnung dürfte die Stadt Halle auf Mittel des Landes setzen. Womöglich bringt dazu eine Reise des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff nach Danzig Anfang Juni erste Ergebnisse.
MDR (Marc Weyrich, Annekathrin Queck)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Mai 2023 | 16:30 Uhr
pwsksk am 11.05.2023
"Hotels wie Pilze aus dem Boden geschossen", in Danzig.
Die Solidarnosh war etwas ganz Großes, gebe ich zu.
Das was in Halle künstlich entsteht, hätte vielleicht nach Leipzig gehört.
In Sachsen-Anhalt brauchen wir eher Krankenhäuser und Personal dafür, ausgebildet in Halle.