Ein Organist spielt während eines Gottesdienstes an der historischen Orgel in die Marktkirche in Halle (Saale) 4 min
Wegen mehrfacher Handbrüche gibt Irénée Peyrot sein Amt als Marktkantor ab. Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Arno Burgi
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Nach zwei komplizierten Handbrüchen gibt der langjährige Marktkantor in Halle, Irénée Peyrot, sein Amt auf. Er will nun einen neuen Beruf lernen und beginnt eine Bäckerausbildung in Frankreich. Von Theo M. Lies.

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Marktkantor in Halle verabschiedet sich Organist wird Bäcker

von Theo M. Lies, MDR KULTUR

04. Dezember 2023, 16:10 Uhr

Am Wochenende wurde der langjährige Kantor der Marktgemeinde in Halle, Irénée Peyrot, feierlich verabschiedet. Der 51-Jähre gibt nach zwei komplizierten Handbrüchen sein Amt auf, um in seinem Heimatland Frankreich eine Bäckerlehre zu beginnen. Gutes Brot gehöre wie gute Musik zu den lebenswichtigen Dingen, begründet der Organist seinen beruflichen Wechsel.

  • Nach 19 Jahren gibt der Kantor der Marktkirche in Halle sein Amt ab.
  • Grund dafür sind mehrere komplizierte Handbrüche, die sein Orgelspiel behindern.
  • Im nächsten Jahr will der Organist eine Bäckerlehre beginnen.

Es gibt Augenblicke im Leben, die ändern alles – ob nun großes Glück oder großes Unglück damit einhergeht. Von jetzt auf gleich ticken die Uhren anders, müssen Lebensentwürfe über den Haufen geworfen werden, wird Selbstverständliches plötzlich in Frage gestellt. Einen solchen Augenblick hat Irénée Peyrot erlebt. Der gebürtige Franzose trat vor 19 Jahren in Halle seinen Dienst als Kantor an der Marktkirche an, hat sich als phantasiebegabter Organist längst einen Namen gemacht. Er formte die Marktkantorei zu einem respektablen Chor.

Ein Organist spielt während eines Gottesdienstes an der historischen Orgel in die Marktkirche in Halle (Saale)
Marktkantor Irénée Peyrot spielt 2007 an der Orgel der Marktkirche in Halle. Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Arno Burgi

Ein Unfall und ein Übergriff beenden die Musikkarriere

Das hätte auch noch einige Jahre so weitergehen können, bis zu jenen dramatischen Ereignissen, die im Januar 2022 ihren Anfang nahmen. Auf einem eisglatten Parkplatz in den französischen Alpen rutschte er aus und brach sich die rechte Hand. "Da habe ich bis Juli viel trainieren müssen, um einigermaßen wieder spielen zu können. Denn meine Dienste in der Kirche mussten ja gesichert sein."

Aber gerade als sich die Feinmotorik in alter Frische zurückmeldete, kam es zu einer verhängnisvollen Begegnung mit Jugendlichen in Halle, die Peyrot mit ruhigen Worten nach einem Jahr so schildert: "Nach anfänglichen Provokationen wegen meines Akzents, verfolgten mich die Jungen und als ich mich einmal umdrehte, kam da plötzlich einer von ihnen mit einem Messer auf mich zu, das landete auf dem Boden, ich trat drauf. Dann aber wurde ich so heftig zurückgestoßen, dass ich wieder auf das rechte Handgelenk gefallen bin. Multiple Fraktur - ganz fürchterlich!"

Wieder folgten Monate mit viel Training. So kehrte etwas Leben in die Hand zurück. Die schwarzen und weißen Tasten könne er nun auch weiterhin leidlich drücken. Peyrot saß zu den Gottesdiensten auch wieder an der Orgel, hat Konzerte gegeben. Aber: Die einstige Virtuosität, die Souveränität, die Leichtigkeit des Spiels und damit auch der eigene hohe künstlerische Anspruch – alles perdu.

Orgel in der Marktkirche Unser Lieben Frauen
Die Orgel in der Marktkirche Unser Lieben Frauen Bildrechte: imago/imagebroker

"Gutes Brot ist wie gute Musik"

Da war er also, der Augenblick, der alles verändern sollte: "Erst einmal konnte ich mir nichts anders vorstellen, als Musik zu machen. Ich habe dafür gelebt. Aber das ist nur eine Illusion. Wieso sollte man so einseitig sein? Die Vorstellung, dass man nur eine Sache gut machen kann, ist überhaupt nicht schön."

Und auf der Suche nach Talenten und Vorlieben außerhalb der Musik wurde Irénée Peyrot in seiner französischen Heimat fündig. Dort habe er so tolles Brot entdeckt und die Freude erlebt, die Menschen haben können, wenn sie gutes Brot essen. "Gutes Brot ist wie gute Musik. Also werde ich Bäcker!"

Mit allen Konsequenzen. Nach ersten heimischen Versuchen und Rücksprache mit halleschen Brotbäckern startet im Januar in Frankreich eine mehrmonatige Ausbildung für Quereinsteiger in Sachen Brotkunst. Im nächsten Herbst kehre er dann wieder nach Halle zurück, verspricht Peyrot - und dann werde man sehen.

Was wird aus der Musik?

Ein Mann mittleren Alters im grauen Anzug steht vor einem älteren Mann mit weißem Haar und Brille in kirchlichem Gewand und einer Frau in dunkler Kleidung und mit dunklem mittellangem schwarzem Haar.
Der hallesche Marktkantor Irénée Peyrot wird am 2. Dezember in der Marktkirche verabschiedet. Bildrechte: Evang. Kirchenkreis Halle-Saalkreis

Und die Musik? Darüber mache er sich derzeit keine großen Gedanken. Aber es gäbe ja in Halle auch einen Bäckerchor, lächelt er weitere Fragen zu diesem Thema weg und legt eine CD ein, mit Musik von Max Reger, einem seiner musikalischen Leitsterne. Dessen Bach-Berarbeitungen hat Irénée Peyrot einmal komplett eingespielt. An der großen Schuke-Orgel in der halleschen Marktkirche, 20 Stunden reinste romantische Klänge, voller Kraft und Innigkeit und mit klingender Melancholie.

Quellen: MDR KULTUR (Theo M. Lies)
redaktionelle Bearbeitung: hro

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. Dezember 2023 | 07:40 Uhr

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