Kinder einer Grundschule arbeiten im Schulgarten der Frankischen Stiftungen.
Einmal wöchentlich kommen die Kinder der August-Hermann-Francke Grundschule in den Schulgarten um die Ecke. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Pflichtfach in der DDR Was Schüler im Schulgarten über Natur und Klimawandel lernen können

11. Juni 2023, 16:19 Uhr

In der DDR war Schulgarten an Grundschulen ein Pflichtfach. 2005 wurde er dann als ein kleiner Teil in den Heimat- und Sachkundeunterricht integriert. In Zeiten des Klimawandels wünscht sich die Leiterin des Schulgartens der Franckeschen Stiftungen in Halle einen für jede Schule, um Kindern Umweltbewusstsein zu vermitteln. Doch Lehrkräfte erhalten für den Zeitaufwand keine Ausgleichsstunden. Damit sich ein Garten rechnet, muss er auch in andere Fächer integriert werden.

Lagebesprechung in einer Oase mitten in Halle: "Wenn ihr euch das Beet anguckt, was meint ihr, was man da machen müsste?", fragt Cornelia Jäger die Schulklasse vor sich. Ein Schüler meldet sich sofort und antwortet: "Unkraut jäten." Die Leiterin des Schulgartens der Franckeschen Stiftungen, in dem sie sich befinden, nickt: "Genau, Unkraut sowie Wildkräuter rausmachen und den Boden ein bisschen mit der Hacke lockern."

Kinder einer Grundschule arbeiten im Schulgarten der Frankischen Stiftungen.
Vor jeder Stunde im Schulgarten wird mit den Schülerinnen und Schüler die Arbeit an ihren Beeten besprochen. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Dann schwärmen die Kinder der vierten Klasse in den ältesten Schulgarten Deutschlands aus und holen sich aus dem Gewächshaus Gartengeräte, die teils größer und schwerer sind als sie selbst. Einmal wöchentlich lernen die Schülerinnen und Schüler der August-Hermann-Francke-Grundschule hier im Schulgarten alles, was zur Natur dazugehört – auch die unangenehmen Seiten.

Schulgarten 3 min
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3 min

Selber Kohl säen und pflanzen, Wege trampeln, regelmäßig gießen. In Halle lernen Grundschüler im ältesten Schulgarten Deutschlands. Wir haben sie besucht..

MDR FERNSEHEN So 09.05.2021 08:30Uhr 02:48 min

https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/schulgarten-halle-kinder-gaertnern-100.html

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Schulgarten als Plattform für Umweltschutz und Co.

Umweltschutz, Klimawandel und Trockenheit sind durch Social Media oder Aktionen von Gruppen wie Fridays for Future oder der Letzten Generation auch bei den Jüngsten längst keine Randthemen mehr. Dass der Schulgarten da ein riesiges Potential bietet, Kinder für genau diese Themen zu sensibilisieren, weiß Cornelia Jäger.

Eine Frau lächelt in die Kamera.
Cornelia Jäger ist die Leiterin des Schulgartens der Franckeschen Stiftungen Halle. Sie findet, dass Lehrkräfte Entlastungsstunden für die Arbeit im Schulgarten bekommen sollten. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Für die Diplom-Biologin ist der Schulgarten ein idealer Ort dafür. Sie wünscht sich, dass jedes Kind die Möglichkeit haben sollte, einen Schulgarten an seiner Schule zu haben, um Natur zu erleben. Für Jäger ist ein solcher Garten ein "ganzheitlicher Lernort, wo man mit allen Sinnen ist. Man kann die Pflanzen nicht nur sehen, sondern riechen und schmecken. Das ist durch kein Buch zu ersetzen."

Das ist ein ganzheitlicher Lernort, wo man mit allen Sinnen ist. Man kann die Pflanzen nicht nur sehen, sondern riechen und schmecken. Das ist durch kein Buch zu ersetzen.

Cornelia Jäger Diplom-Biologin

Seit 2005 ist Schulgarten kein eigenständiges Unterrichtsfach an Grundschulen mehr, sondern, laut Sachsen-Anhalts Lehrplan, ein kleiner Teil des Heimat- und Sachkundeunterrichts. Darin steht zwar, dass dieser durch die "Vielzahl seiner Gestaltungsmöglichkeiten" besonders geeignet ist und einen "wesentlichen Beitrag zur Herausbildung der Wertschätzung der Natur" leistet. Doch nicht jede Schule hat die Kapazitäten für einen Garten als Lernort.

Denn: Die Schulgärten sind mit zusätzlicher Arbeit verbunden und für diese erhalten die Lehrkräfte laut Cornelia Jäger keine Entlastungsstunden. Das sei ein großes Problem, da man einen Schulgarten nicht allein durch die Arbeit der Kinder in Stand halten könne. "Ich glaube, das Hauptproblem ist vielleicht auch das Geld, aber vor allen Dingen die fehlende Zeit und Arbeitskraft", so die Leiterin des halleschen Schulgartens.

Kinder einer Grundschule arbeiten im Schulgarten der Frankischen Stiftungen.
Im angrenzenden Gewächshaus erhalten die Kinder Werkzeuge für die Gartenarbeit. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Keine aktuellen Zahlen zu Schulgärten in Sachsen-Anhalt

Laut Bildungsministerium Sachsen-Anhalt verfügen die "meisten Grundschulen" über Schulgärten, auch wenn die "Größen dieser Schulanlage und die Wege zur Schulanlage unterschiedlich sind", heißt es. Wie viele Schulgärten es aktuell in Sachsen-Anhalt aber tatsächlich gibt, kann keiner so genau sagen – auch nicht das Bildungsministerium.

Kinder einer Grundschule arbeiten im Schulgarten der Frankischen Stiftungen.
Gartenabfälle werden für den Kompost aufbereitet. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Zwar gibt es Daten, die vom Ministerium erhoben wurden, diese sind allerdings von 2015. Der Anlass dafür war eine sogenannte "Kleine Anfrage" im Landtag. In der Antwort heißt es, dass von den damals 469 Grundschulen in Sachsen-Anhalt 323 (69 Prozent) einen Schulgarten nutzten und 146 Grundschulen (31 Prozent) über keinen Schulgarten verfügten.

So ist laut Lehrplan ein Schulgarten als Lernort wünschenswert, ein flächendeckendes Engagement des Landes gibt es aber offenbar nicht. Denn auf Nachfrage, inwieweit das Land Schulgärten unterstützt, hieß es vom Ministerium, dass für die Ausstattung eines Schulgartens die Schulträger zuständig seien. "Sie entscheiden, wie die Freiflächen der Schule genutzt werden oder ob ein separater Schulgarten angemietet wird", heißt es.

Was Schüler im Schulgarten gelernt haben und was sie sich für die Umwelt wünschen

Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Ich habe gelernt, wie man einpflanzt. Und ich habe viel gelernt über Pflanzen und unsere Umwelt. Ich wünsche mir, dass es wieder mehr Grün gibt und nicht mehr so viel Umweltverschmutzung herrscht." Ilen (10) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Ich habe gelernt, wie man einpflanzt. Und ich habe viel gelernt über Pflanzen und unsere Umwelt. Ich wünsche mir, dass es wieder mehr Grün gibt und nicht mehr so viel Umweltverschmutzung herrscht." Ilen (10) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Ich habe gelernt, dass Pflanzen Sauerstoff produzieren, den wir zum Leben brauchen. Ich wünsche mir, dass wir nicht mehr viel Kohle brauchen. Dass Atomenergie nicht so gefährlich wird, sondern sicherer. Und dass wir viel mit Sonnenenergie und Windkraft machen. Und dass nicht alle Menschen auf der Welt die Umwelt verschmutzen." Enno (10) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Ich habe gelernt, wie man erntet. Ich wusste nicht, dass es Pflanzen gibt, die schneller wachsen und welche, die langsamer wachsen." Cherin (9) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Wenn jemand Blätter von Bäumen abpflückt oder mit Stöckern gegen einen Baum schlägt, dann sage ich, dass sie aufhören sollen. Ich wünsche mir, dass sich die Natur wieder ein bisschen erholen kann und dass der Klimawandel aufhört." Luca (10) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Wir haben gelernt, wie es den Pflanzen und der Natur gerade geht. Und dass Pflanzen viel Wasser brauchen, um zu überleben. Ich wünschen mir, dass Menschen mit der Natur besser umgehen." Fatima (10) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Ich habe gelernt, dass man mit der Umwelt viel freundlicher umgehen soll. Nicht dass man Plastikmüll, Papier oder Pappe hinschmeißen soll auf die Wiese. Man muss mit der Umwelt sehr freundlich sein. Die Blumen haben damit eigentlich gar nichts zu tun, sondern es sind die Menschen, die die Umwelt nicht schützen." Noah (11) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Ich wünsche mir, dass alles sauber bleibt und nicht mehr so viel Plastik und Papier herumliegt. Ich passe auf, dass Pflanzen nicht kaputtgetreten werden. Wenn ich jemanden sehen, dann sage ich auch mal: 'Pass auf, du trittst auf eine Pflanze.'" Rosalie (10) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Ich wusste nicht, dass aus einem Kirschsamen ein großer Baum mit vielen Kirschen wächst. Ich dachte, man brauche dafür mehrere. Jetzt weiß ich es. Es macht mir Freude, im Schulgarten zu sein. Ich wünsche mir, dass mehr auf die Umwelt geachtet wird und dass Müll sortiert wird." Nadifa (10)   Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
Ein Kind lächelt in die Kamera.
"Ich habe gelernt, wie Bienen Blüten bestäuben und heute habe ich gelernt, dass man Heu auch über Pflanzen machen kann, damit sie nicht austrocknen. Ich wünsche mir, dass jeder die Natur gleich gut behandelt." Eileen (11) Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg
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Schulgarten ist ein Privileg

Zurück im ältesten Schulgarten Deutschlands in die Franckeschen Stiftungen. Der Junitag zeigt sich schon in den Morgenstunden von seiner sonnigsten Seite. Die Grundschüler harken, buddeln und verteilen Mulch, um die Erde feucht zu halten. Schließlich sollen ihre Pflanzen vor dem Austrocknen geschützt sein.

Kinder einer Grundschule arbeiten im Schulgarten der Frankischen Stiftungen.
Der Schulgarten passt sich an: Um gegen die Trockenheit zu kämpfen, verteilen die Schüler Mulch auf den Beeten. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Das Thema Klimawandel und der Umgang damit fließt so von ganz allein in die Stunde ein. Laut Cornelia Jäger, der Leiterin des Schulgartens der Franckeschen Stiftungen, wird "Bildung für nachhaltige Entwicklung" immer wichtiger, weswegen Schulgärten auch mehr Geld und Aufmerksamkeit bekommen sollten.

Auch wenn die Zahl der Schulgärten recht hoch zu sein scheint, ist ein solcher Ort laut Klassenlehrerin Sophie Quaas immer ein Privileg. Ihre Schule hat Glück, was diesen prächtigen Garten angeht, denn diese befindet sich gleich hinter dem Zaun, an dem die Kinder gärtnern. Sie findet, dass Grundschulen den Grundstein dafür legen sollten, damit Kinder bewusster mit der Natur umgehen.

Eine Frau lächelt in die Kamera.
Klassenlehrerin Sophie Quaas weiß, wie viel Glück sie mit dem Garten haben. Die praktische Arbeit ist nicht mit dem Lesen in einem Buch zu vergleichen, sagt sie. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Sophie Quaas sagt, es lerne sich leichter, "wenn man Dinge praktisch macht, als nur ins Lehrbuch zuschauen. Das macht schon viel aus, gerade, weil die Kinder selber Dinge erschaffen." Das sieht auch Cornelia Jäger so: Für die Schüler wird klar, dass es nicht selbstverständlich ist, dass es immer alles Obst und Gemüse im Supermarkt gibt, sagt sie. "Und sie entwickeln ein Verständnis dafür, dass Boden keine tote Erde, sondern eine lebendige ist, für die man etwas tun muss."

Schulgarten wieder als Pflichtfach einführen?

Bei so viel Lob stellt sich jetzt die Frage, ob in Sachsen-Anhalt Schulgarten wieder als eigenständiges Unterrichtsfach eingeführt werden sollte? In Thüringen ist dies beispielsweise immer noch der Fall. Eine Wiedereinführung als Pflichtfach hält Cornelia Jäger aber nicht unbedingt für notwendig.

Wenn sich viele engagieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass es dann auch funktioniert.

Cornelia Jäger Diplombiologin
Schulgarten der Frankischen Stiftungen.
Hinter dem ältesten Schulgarten Deutschlands von 1698 befindet sich die Grundschule August-Hermann-Francke. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Ihrer Meinung nach sollte man eher darauf achten, dass ein solcher Garten fächerübergreifend genutzt wird. So können sich viele Lehrkräfte daran beteiligen. Im Kunstunterricht könne man etwa die Pflanzen zeichnen, in Mathe Beete berechnen und in Deutsch Gedichte über die Natur schreiben. "Wenn sich viele engagieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass es dann auch funktioniert", sagt Jäger.

Nach nur 45 Minuten ist die Unterrichtsstunde im Schulgarten auch schon wieder vorbei. Zufrieden vom Tagwerk und mit schmutzigen Händen geht es für die vierte Klasse zurück in den Klassenraum.

MDR (Maximilian Fürstenberg)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 12. Juni 2023 | 19:00 Uhr

15 Kommentare

Eulenspiegel1 vor 47 Wochen

"Denkschnecke, nein- das trifft nur auf die Wissenschaftler zu, die sich pro Weltklimarat positionieren "
Dann nennen sie doch einfach mal andere Wissenschaftler.
" die Abweichnungen der meisten Modelle sind riesig"
Die Modellrechnungen sind auf die Zukunft gerichtet. Und keiner weiß wieviel CO2 der Menschheit gelingt einzusparen. Darum die verschiedenen Modellrechnungen.


Vielleicht sollten sie sich weniger mit beschäftigen was die AfD über das Klima so von sich gibt.
Also ich kann COUNTDOWN von
Mojib Latif nur empfehlen.
Und Seven Plöger Zieht EUCH WARM AN, ES WIRD HEISS!

Britta.Weber vor 47 Wochen

Denkschnecke, nein- das trifft nur auf die Wissenschaftler zu, die sich pro Weltklimarat positionieren (kann man durch googeln sehen) Vergleichen Sie mal die Modellrechnungen und Voraussagen mit realer Temperaturentwicklungen- die Abweichnungen der meisten Modelle sind riesig. Ein Beispiel ist die Vorausgabe von Latif von 2000, dass es in 20 Jahren in unseren Breiten weder Eis noch Schnee geben wird. Ich habe dieses Jahr beides gesehen!
Wissenschaft, die sich politisch vereinnahmen lässt, hat keinen Wert- das haben wir ja gerade bei Corona und der Impfung gesehen.

Eulenspiegel1 vor 47 Wochen

Ja Klimawandel. Mehr als 50 Jahre wissen die Wissenschaftler das wir auf einer Katastrophe zurasen. 50 Jahre Forschung auf der ganzen Welt. Die Ursachen und Wirkungszusammenhänge sin unter den Fachwissenschaften nicht mehr strittig. Das ist die Realität.

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