Blick auf ein digitales Spielfeld mit fünf mittelalterlich gekleideten Spielfiguren 4 min
Bei der neuen Ausstellung in Eisleben können die Besucher in die Rollen von historischen Persönlichkeiten schlüpfen. Wie das funktioniert, erklärt Hartmud Schade im Audio. Bildrechte: LutherMuseen, Markus Scholz
4 min

"1525! Aufstand für Gerechtigkeyt" heißt eine neue Ausstellung im Luthermuseum Eisleben. Darin können Besucher in die Zeit der Reformation und des Bauerkriegs eintauchen und selbst entscheiden, was Gerechtigkeit ist.

MDR KULTUR - Das Radio Do 30.05.2024 16:10Uhr 04:05 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/mansfeld/audio-eisleben-ausstellung-bauernkrieg-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

"1525! Aufstand für Gerechtigkeyt" Luther und der Bauernkrieg: Interaktive Ausstellung in Eisleben und Mansfeld

30. Mai 2024, 16:03 Uhr

Vor 500 Jahren erschütterte nicht nur die von Martin Luther ausgelöste Reformation Europa, sondern auch der sogenannte Bauernkrieg. Überall erhob sicher "der gemeine Mann" und kämpfte für seine Rechte. So auch im heutigen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. "1525! Aufstand für Gerechtigkeyt" heißt eine neue Mitmachausstellung in den Luthermuseen Eisleben und Mansfeld. Darin können Besucher über den Lauf der Geschichte bestimmten und für sich entscheiden, was Gerechtigkeit bedeutet.

"Das Leben ist ein Würfelspiel" – diese Zeile aus einem Landknechtslied haben die Ausstellungsmacher wörtlich genommen. Vor dem Rundgang muss man würfeln, wer man ist: Bürger, Bauer, Nonne, Schösser oder Edelmann. Alle Figuren sind historisch belegte Personen, deren Leben und Taten aber in der Ausstellung fiktiv weitergesponnen werden – und immer wieder anders verlaufen, denn die Besucherinnen und Besucher entscheiden, wie ihre Figuren handeln.

Eine Frau steht in einer Ausstellung umgeben von Spielfiguren in mittelalterlicher Kleidung.
Die Ausstellung "1525! Aufstand für Gerechtigkeyt" in Luthers Sterbehaus in Eisleben ist Teil der Landesausstellung zum Gedenken an 500 Jahre Bauernkrieg. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Mit Luther über Gerechtigkeit nachdenken

Der historische Graf Albrecht von Mansfeld ist ein Anhänger Luthers, ein Mann, der den neuen Glauben schützen will und für Gerechtigkeit eintritt. Gerechtigkeit in seinem Sinne heißt, die feudale Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Äbtissin Sophia von Schafstaedt will ihr Kloster vor den Reformation schützen.

Der Ziegelbrenner Paul Schramm verteidigt seine alten Rechte und wird darüber zum Klosterstürmer. Die Bürgerin Elsa Knauth steht für die in den Quellen kaum erwähnten Frauen in den Aufständen, weil sie für die Freilassung ihres Mannes kämpft. Und der Schösser, also Steuereintreiber, Hans Zeiß steht als kursächsischer Beamter zwischen den Fronten und versucht sich durchzulavieren. Die historischen Personen sind verbürgt. Mit ihren in der Ausstellung erzählten Biographien stehen sie pars pro toto für eine soziale Schicht.

Ein Mann mit kurzen dunklen Haaren, schmaler Brille und Bart lächelt in die Kamera.
Der Historiker Mirko Gutjahr leitet seit 2022 die Luthermuseen der gleichnamigen Stiftung in Eisleben und Mansfeld. Bildrechte: Mirko Gutjahr

Laut Mirko Gutjahr, dem Leiter der Luthermuseen Eisleben und Mansfeld, sei die Grundidee der Ausstellung, zu überlegen, was man selbst in dieser Rolle im Bauernkrieg gemacht hätte. Man müsse sich die grundlegende Frage stellen, was für einen selbst Gerechtigkeit ist und wie man selbst eine gerechte Welt kreieren kann.

Entscheidungen in historischer Kulisse treffen

In der Schau in Eisleben verknüpfen sich analoge und digitale Welt. Besucherinnen und Besucher laufen durch die Kulissen einer im Mangastil gezeichneten mittelalterlichen Stadt, die in einigen Gebäuden durchaus an Eisleben erinnert. Man kann auf dem Marktplatz ein Schock Eier kaufen, im Gasthaus einem Gespräch lauschen oder die Kirche evangelisch umgestalten.

In einer Ausstellung hängen verschiedene Stempel; darunter ist ein Tisch mit Stempelkissen und Papier zu sehen.
Die Besucherinnen und Besucher der Landesausstellung in Eisleben und Mansfeld werden aufgefordert, darüber nachzudenken, was für sie Gerechtigkeit ist. Bildrechte: LutherMuseen, Markus Scholz

In verschiedenen Kulissen setzt man seine Spielkarte ein und muss Entscheidungen für die zugewürfelte historische Person fällen. Hilft man einer Nonne bei der Flucht oder nicht? Drucke ich als Graf Albrecht von Mansfeld Luthers bauernfreundliche frühe Schriften oder die 1525er Kampfschrift "Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern"?

"Je nachdem, für welche Schrift sich der Graf entscheidet, beeinflusst er das Schicksal für sich und natürlich für sein Land", erklärt Mirko Gutjahr. Natürlich müssen auch Sophia von Schafstaedt, Hans Zeiß und Paul Schramm solche Entscheidungen fällen und beeinflussen damit das Geschehen in der Ausstellung.

Den Alltag vor 500 Jahren erleben

Der zweite Teil der Ausstellung in Mansfeld, im Elternhaus Martin Luthers, konzentriert sich auf die Lebenswelt vor 500 Jahren. Hier kann man erleben, wie mühsam Elsa Knauth ihre Familie durchbringt oder als Armbrustschütze das adlige Jagdrecht ausüben mit seinen fatalen Folgen für die Bauern.

Martin Luthers Elternhaus in Mansfeld
Der zweite Teil der Ausstellung zum Bauernkrieg befindet sich in Luthers Elternhaus in Mansfeld. Bildrechte: MDR/Manuela Lonitz

Beide Ausstellungen erlauben ein intensives Eintauchen in die Welt vor 500 Jahren, das weit über die Spektakel von Mittelaltermärkten und Landknechtschlachten hinausgeht. Die Schau in Eisleben erzählt von einer Welt im Umbruch: Das Klima ändert sich, die kleine Eiszeit beginnt, die Ernten werden schlechter. Mit Luther stellt sich die Frage neu, was der wahre Glaube ist. Amerika ist gerade entdeckt und wirft wissenschaftliche Gewissheiten über den Haufen. Die Türken drängen nach Europa, die Kriegsgefahr wächst.

Geschichte wiederholt sich zwar nicht, sagt Mirko Gutjahr, aber sie stellt ähnliche Fragen: Verhalten wir uns eher wie Graf Albrecht? Oder sind wir vielleicht eher wie der hemdsärmelige Handwerker Paul Schramm? Fragen, die einem am Ende der Ausstellungsrunde der "magische Spiegel" beantwortet. Dann gibt es auch die Aufklärung, wie sich die historischen Personen wirklich entschieden haben. Am Ende geht es laut Mirko Gutjahr um Fragen der Mitbestimmung: "Wie soll die Welt beschaffen sein und wer darf wieviel mitreden?"

Mitmachausstellung als Event für die ganze Familie

Auch wenn die Ausstellung in Eisleben nur einen einzigen Raum umfasst, man braucht Zeit für die Zeitreise in das Jahr 1524, um all die versteckten digitalen und realen Spielelemente zu entdecken und auszuprobieren. Und um, wie man es von Computerspielen kennt, auf das nächste Level zu gelangen, Punkte zu sammeln und Passworte zu finden. Und sich an jeder Station zu entscheiden: Was soll ich tun? Was ist der richtige Weg zu einer gerechten Gesellschaft? Denn darum ging es bei den Kämpfen und Auseinandersetzungen vor 500 Jahren, die verkürzend als Bauernkrieg bezeichnet werden, tatsächlich aber ein "Aufstand für Gerechtigkeyt" waren.

Gemälde zum Thema Bauernkrieg
Das Bauernkriegspanorama von Werner Tübke zeigt die letzte Schlacht, bei der die Bauern geschlagen wurden. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mehr Informationen

"1525! Aufstand für Gerechtigkeyt"
31. Mai 2024 bis 6. Januar 2026

Am 1. Juni 2024 findet außerdem anlässlich des Kindertags von 10 bis 18 Uhr in Luthers Elternhaus in Mansfeld ein Familienfest mit einer Vielzahl an Aktivitäten zum Thema Bauernkrieg statt.

Adressen:
Andreaskirchplatz 7, 06295 Lutherstadt Eisleben
Lutherstraße 29, 06343 Mansfeld-Lutherstadt

Öffnungszeiten:
April bis Oktober: täglich von 10 bis 18 Uhr
November bis März: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, montags geschlossen

Eintritt:
Erwachsene 4 Euro, ermäßigt 2,50 Euro
Verschiedene Kombi-Angebote mit Luthers Sterbe- oder Elternhaus möglich.

Quellen: MDR KULTUR (Hartmut Schade), Stiftung Luthergedenkstätten
Redaktionelle Bearbeitung: as, tmk, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Mai 2024 | 07:40 Uhr

Mehr aus Mansfeld-Südharz, Saalekreis und Harz

Geflicktes Schlagloch Landstraße L228
Die Landstraße L228 in Mansfeld-Südharz gleicht einem Flickenteppich. Jedes Frühjahr wird grob gestopft, was der nächste Winter dann wieder zerstört. Eine Sanierung bleibt aus. Bildrechte: MDR Sachsen-Anhalt

Mehr aus Sachsen-Anhalt