Die Spitzenkandidaten der sechs großen Parteien zur Landtagswahl, von links nach rechts: Eva von Angern (Die Linke), Cornelia Lüddemann (Grüne), Katja Pähle (SPD), Reiner Haseloff (CDU), Lydia Hüskens (FDP), Oliver Kirchner (AfD)
Die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der sechs großen Parteien zur Landtagswahl Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

#LTWLSA-Landtagswahl-Update | Freitag, 5. März 2021 (Fast) gestutzte Flügel und der immer lauter werdende Ruf nach Beteiligung

05. März 2021, 19:11 Uhr

In Ausgabe 8 unseres Updates zur Landtagswahl: Der Landtag diskutiert erneut über Beschlüsse zur Corona-Pandemie – mitbestimmen dürfen die Parlamentarier aber nicht. Und: Datenpanne im LKA sorgt für laute Rufe nach Aufklärung. Außerdem: Wie sich die Grünen die Mobilität der Zukunft vorstellen.

Luca Deutschländer
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Guten Abend, liebe Politikinteressierte,

eines direkt vorweg: Die Freibäder in Sachsen-Anhalt sind noch immer geschlossen. Trotzdem nehme ich den Ball, den mir Kollege Thomas Vorreyer vergangenen Freitag zugespielt hat, sehr gerne auf – und lasse mich zu folgender These hinreißen: Im munteren Wahlkampftreiben der kommenden Wochen und Monate wird ganz sicher der eine oder die andere ins Schwimmen geraten – so wie zuletzt Ministerpräsident Haseloff und Halles Oberbürgermeister Wiegand bei Markus Lanz im ZDF. Wir werden das äußerst aufmerksam beobachten und Ihnen an dieser Stelle schildern.

Schon jetzt ist eines gewiss: So richtig baden gegangen ist in den vergangenen sieben Tagen das Landeskriminalamt. 42.000 Daten über Straftäter – gelöscht. Bevor wir uns der Aufklärung dieser Panne widmen, will ich Ihnen den Überblick über die weiteren Themen des heutigen Abends geben: Wir schauen natürlich noch einmal in Ruhe auf die Corona-Pandemie, die beschlossenen Lockerungen und den "Sachsen-Anhalt-Plan" – und was all das politisch bedeutet.

Außerdem geht's in unserem multimedialen Update heute um grüne Ideen für die Mobilität der Zukunft – und ich möchte Ihnen Lust machen auf einen Themenschwerpunkt über Frauen im Landtag, den wir diesen Sonntag starten. All das später – jetzt folgt erstmal der Kurzüberblick über die Woche.

Die Woche kompakt

  • Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft und wurde just heute am Freitag vom Kölner Verwaltungsgericht zurückgepfiffen. Das hat entschieden, dass der Verfassungsschutz die Partei vorerst weder als Verdachtsfall einstufen, noch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten darf. Warum? Die Beobachtung war Mitte der Woche durch Medienberichte öffentlich geworden. Der Verfassungsschutz hatte aber zugesagt, dass genau dies vorerst nicht passiert. Schlussfolgerung: Es muss eine undichte Stelle innerhalb der Behörde gegeben haben.


  • Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef Martin Reichardt hatte in der Entscheidung, die AfD als Verdachtsfall einzustufen, eine politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes gesehen, um seiner Partei im Wahlkampf zu schaden. Das sagte Reichardt diese Woche der Volksstimme. Ähnlich hatte sich der Parteichef Ende Januar bei MDR SACHSEN-ANHALT geäußert: Damals war bekannt geworden, dass der Verfassungsschutz den AfD-Landesverband hier bereits beobachtet. Von den politischen Mitbewerbern in Sachsen-Anhalt gab's dagegen lobende Worte für die inzwischen kassierte Entscheidung der Verfassungshüter. Der CDU-Innenexperte Chris Schulenburg kommentierte: "Wenn der rechte Flügel der AfD die Macht in der Partei übernommen hat, dann muss die wehrhafte Demokratie zum Schutz unserer Verfassung reagieren und dem braunen Flügel mit rechtsstaatlichen Mitteln die Federn stutzen."

  • Zu lasch der Umgang mit Parteikollegen, die mit Rechtsaußen flirten – zu despektierlich der Umgang mit der Frauenquote in der Partei: Die Frau, die das kritisiert, heißt Kerstin Rinke – und hat in dieser Woche ihren Austritt aus der CDU bekannt gegeben. Rinke, CDU-Stadtratsvorsitzende in Südliches Anhalt und Mitglied im Kreistag von Anhalt-Bitterfeld, war bislang auch Vize-Chefin der Frauen Union in Sachsen-Anhalt. Nun wird sie die CDU verlassen und hat die Gründe dafür in einer zweiseitigen persönlichen Erklärung dargestellt. Das Papier liegt MDR SACHSEN-ANHALT vor. Rinke schreibt darin: "Mein Weg in der CDU endet hier. Ich habe vorher angekündigt, dass ich mit dieser Konstellation nicht leben kann und will. Das bin ich mir, meiner Familie und meinen drei Jungs schuldig." Wir halten fest: So richtig kommt die Sachsen-Anhalt-CDU nicht zur Ruhe.

  • Mehr Busse und Bahnen, mehr Radverkehr – und deutlich weniger Menschen, die ins Auto steigen: Klingt nach den Grünen, meinen Sie? Stimmt. Die aktuell kleinste Fraktion im Landtag hat sich in dieser Woche auf ein Papier geeinigt, das eine "Mobilitätsgarantie" für alle in Sachsen-Anhalt vorsieht. Der Staat soll demnach vorrangig auf ÖPNV, Radverkehr und Fußgänger schauen, weniger aufs Auto. Das Ziel ist klar, schreibt mein Kollege Thomas Vorreyer: Die Grünen wollen die CO2-Emissionen bis 2030 drastisch drücken. Die Reaktion von Koalitionspartner CDU ist – sagen wir so – verhalten. CDU-Verkehrspolitiker Frank Scheurell gab dieser Tage zu Protokoll, die Vorschläge seien "grüne Großstadt-Ideologie" und gingen an den Realitäten des ländlichen Raums vorbei. Mein Kollege Uli Wittstock hat das Wichtigste zum Nachhören für Sie zusammengefasst.

  • Und dann habe ich noch einen Lesetipp für Sie: Die Kollegen von der Mitteldeutschen Zeitung haben sich in dieser Woche noch mal mit Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) auseinandergesetzt. Das Stadtoberhaupt rückt in der Impfaffäre von Halle weiterhin keinen Millimeter von seiner Linie ab (Zitat des Textes: "Ich muss Sie enttäuschen. Ich werde nicht zurücktreten."). In einem sehr lesenswerten Porträt (€) erklärt MZ-Kollege Dirk Skrzypczak, warum das zu Wiegands bisheriger Amtsführung seit 2012 passt. Ausdrücklicher Tipp!

Das Zitat der Woche

Es gibt mangelhafte Abläufe im LKA.

Michael Richter, CDU Innenminister

Diese Panne tut weh – ganz sicher jeder Innenpolitikerin und jedem Innenpolitiker, ganz besonders wohl dem Innenminister und noch ein bisschen mehr gewiss den Zuständigen im Landeskriminalamt: Denn in der Behörde sind Zehntausende Datensätze (in Zahlen: 42.000) gelöscht worden, die unter anderem Fingerabdrücke und Fotos von Straftätern und Tatverdächtigen enthalten hatten. Aufgedeckt hat das vorigen Sonnabend die Volksstimme.

Nun gehört zum kompletten Verständnis der Angelegenheit eine nicht ganz unwichtige Information: Die Datensätze hätten im Normalfall ohnehin schon gelöscht sein müssen, weil die sogenannte Löschfrist abgelaufen war. Das ist die datenschutzrechtliche Komponente der Geschichte. Im Normalfall muss jedoch vor dem Löschen geprüft werden, ob dies in Ordnung geht – oder die Daten wegen weiterer Ermittlungen länger im System bleiben müssen. Das ist im LKA nicht passiert, stattdessen wurden alle Daten auf einmal gelöscht. Mit mehr als zweijähriger Verspätung.

Eine am Wochenende rasch einberufene Arbeitsgruppe soll jetzt sicherstellen, dass sich so etwas nicht wiederholen kann. Innenminister Michael Richter (CDU) sagte diese Woche, Kernproblem sei die Aktenführung gewesen. Und dass Abläufe mangelhaft gewesen seien. Was Richter außerdem sagte: Dass aktuell versucht wird, die Daten zurückzubekommen.

Viele Ankündigungen also, aber es gibt trotzdem noch Fragen – diese zum Beispiel:

Auch darum ging es heute am Freitag in einer Sondersitzung des Innenausschusses, in der Minister Michael Richter Rede und Antwort stehen musste. Ein Ergebnis: Die Daten können über das Bundeskriminalamt wiederhergestellt werden (was bei einigen weitere Fragen zum Datenschutz aufwirft). Kritik gab es im Anschluss unter anderem von Linken, Grünen und AfD. Deren innenpolitischer Sprecher Hagen Kohl sagte, die wesentlichen Gründe für das "Debakel" und die daraus resultierenden Folgen blieben ungeklärt. Die Linken-Abgeordnete Henriette Quade kritisierte, der eigentliche Skandal sei, dass sich in Sachsen-Anhalt niemand für die Kontrolle der Löschfristen interessiert habe

Die Geschichte der Woche

Es war mal wieder Corona-Woche. Sie alle haben davon mitbekommen, deswegen will ich an dieser Stelle gar nicht unbedingt auf das eingehen, was Bund und Länder am Mittwoch (die Zusammenfassung finden Sie hier) und die Landesregierung am Donnerstag (die Zusammenfassung dazu wiederum hier) beschlossen haben. Viel mehr interessiert uns in diesem Update zur Landtagswahl, wie die politischen Reaktionen waren.

Über die Lockerungen ist am Donnerstagabend in einer erneuten Sondersitzung des Landtags diskutiert worden. Einige Erkenntnisse:

  • Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte auffallend oft, wie wichtig ihm die Mitbestimmung des Landtags für die kommenden Monate der Pandemie-Bewältigung sei – um langfristige Szenarien zu erörtern und um die Gesellschaft stabil zu halten, wie er sagte. Denn, so Haseloff: "Wir merken überall, dass den Menschen die Puste langsam ausgeht."
  • Wirklich abgekauft hat die Opposition Haseloff das offenbar nicht – und nicht nur die: Auch die mitregierenden Grünen verlangten erneut mehr Mitbestimmung des Parlaments. Aus der Opposition rief Linken-Fraktionschefin Eva von Angern: "Holen Sie uns aus der Zuschauerrolle heraus! Uns reicht das Informieren nicht."
  • Einigkeit herrschte indes darüber, dass es bei zwei Dingen nun endlich schneller gehen muss: beim Impfen und beim Testen.

Einberufen worden war die Sondersitzung im Übrigen von Abgeordneten von CDU, SPD und Grünen – und somit von den Koalitionsfraktionen. Bislang hatte immer die Opposition Sondersitzungen des Landtages in der Corona-Pandemie anberaumt.

Die Frage der Woche

Wenn Sie Mitglied unseres Meinungsbarometers MDRfragt sind, werden Sie bemerkt haben: Diese Woche haben wir keine Frage der Woche an Sie verschickt – kein Versehen, sondern unser Entschluss nach intensivem Nachdenken in der Redaktion. Wir sind der Meinung: Kein Thema wäre in dieser Woche so brennend, dass es unsere ohnehin begonnene Befragung zu den Corona-Lockerungs-Beschlüssen von Bund und Ländern getoppt hätte.

Darin möchten wir diese Woche von Ihnen wissen, ob Sie die nun vereinbarten Lockerungen für leichtsinnig halten – oder für längst überfällig? Mitmachen geht ganz einfach nach Anmeldung bei unserem MDR-Meinungsbarometer – und zwar hier.

PS: Für kommende Woche steht unsere Frage der Woche schon fest. Es wird darum gehen, ob Parteien Frauen und Männer zu gleichen Teilen als Kandidatinnen und Kandidaten für Wahlen aufstellen sollten. Wenn Sie bereits Mitglied von MDRfragt sind, können Sie uns Ihre Meinung dazu im Zuge der Corona-Frage schon jetzt beantworten – schauen Sie einfach in Ihre E-Mails. :-) 

Was in den kommenden Tagen politisch wichtig wird

Die meisten Landeslisten stehen, in vielen Fällen auch die Parteiprogramme. Und die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten sind weitgehend gewählt: Sachsen-Anhalts Parteien sind im Endspurt für die Landtagswahl in ziemlich genau drei Monaten. Die Grünen nutzen die kurze Verschnaufpause zwischen Landesliste und Parteiprogramm am Wochenende für einen Kleinen Parteitag. Es soll um ein Jahr Corona gehen, um die Klimakrise und um den Schutz vor künftigen Krisen. Alles virtuell natürlich – am Sonnabend ab 14 Uhr. Falls Sie zusehen möchten: Das geht auch vom heimischen Sofa.

"Landtag Sachsen-Anhalt" steht auf dem Rednerpult im Plenarsaal des Landtages zu lesen.
MDR SACHSEN-ANHALT startet am Sonntag eine Reihe über den geringen Frauenanteil in der Politik – und speziell im Landtag von Sachsen-Anhalt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Klaus-Dietmar Gabbert

Und dann möchte ich Sie auf einen Themenschwerpunkt hinweisen, der mir besonders am Herzen liegt: Mit meiner Kollegin Marie-Kristin Landes habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten ausführlich zum niedrigen Frauenanteil in der Politik insgesamt wie auch im Magdeburger Landtag recherchiert (in keinem anderen deutschen Landesparlament ist der Frauenanteil niedriger). Hier noch mal die anschauliche Erinnerung, warum das Thema wichtig ist:

#MDRklärt So viele Frauen stehen auf den Landeslisten zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2021

So viele Frauen sind auf den Listen zur Landtagswahl 2021
Bildrechte: MDRklärt,pixabay
So viele Frauen sind auf den Listen zur Landtagswahl 2021
Bildrechte: MDRklärt,pixabay
Frauen auf der Landesliste der CDU zur Landtagswahl 2021
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Frauen auf der Landesliste der SPD zur Landtagswahl 2021
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Frauen auf der Landesliste der Grünen zur Landtagswahl 2021
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Frauen auf der Landesliste der AfD zur Landtagswahl 2021
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Frauen auf der Landesliste der Linken zur Landtagswahl 2021
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Frauen auf der Landesliste der FDP zur Landtagswahl 2021
Bildrechte: MDRklärt
Texttafel: "Mehr Erklärgrafiken und -videos auf Instagram @mdrklaert"
Dieses Thema im Programm:
MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 21. Februar 2021 | 19:00 Uhr

MDR, Max Schörm
Bildrechte: MDR/Max Schörm
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Herausgekommen ist eine Themenreihe mit spannenden Erkenntnissen, die Sie ab Sonntagabend bei MDR SACHSEN-ANHALT im Fernsehen, im Hörfunk und Online verfolgen können. Würde mich sehr freuen, wenn Sie mal reinschauen, reinhören oder reinlesen!

Zum Schluss

Reiner Haseloff hält nach seiner Wahl zum Spitzenkandidaten ein Trikot mit der Aufschrift -Haseloff 1- in die Kamera.
Ist zwar die Nummer 1 auf der CDU-Landesliste – war aber nie Parteichef: Reiner Haseloff Bildrechte: CDU Sachsen-Anhalt

Bevor ich nun gleich Schluss ist für diese Woche, kommt noch ein Hinweis in eigener Sache: Mein Kollege Thomas Vorreyer bittet Sie um Entschuldigung. Vergangene Woche hatte er an dieser Stelle geschrieben, dass Sven Schulze (CDU), der "Nach-Nachfolger" von Reiner Haseloff werden will. Gemeint war damit Schulzes Bewerbung um den Parteivorsitz der Landes-CDU. Man muss aber nicht Thomas Webel heißen, um zu wissen: Haseloff ist zwar schon lange Regierungschef, aber doch nie Parteichef gewesen.

Hätten wir das auch noch gerade gezurrt. Das war's dann auch für diese Woche von mir. Schönen Dank fürs Anschauen, Anhören und Lesen unseres Updates. Wie immer gilt: Wenn Sie Rückmeldungen oder Anmerkungen für uns haben, freuen wir uns über Ihre Mails an ltwlsa-newsletter@mdr.de.

Nächste Woche hören Sie hier wieder vom Kollegen Thomas Vorreyer. Vorher fehlt noch eine Info: Bis zur Landtagswahl am 6. Juni bleiben noch 93 Tage.

Schönes Wochenende und bleiben Sie gesund!
Luca Deutschländer

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MDR/Luca Deutschländer

1 Kommentar

Mikro am 07.03.2021

Weil ich nie wieder Nazis an der Macht in Deutschland will wähle ich selbstverständlich die demokratische AfD.Ich empfinde es als Schande,das die derzeitige Regierung hier nicht in der Lage war,die Tat des psychisch kranken Einzeltäters hier in Halle zu verhindern.

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