Mann in Jeanshemd, mit grauem Bart und Brille steht vor dem geöffneten Zähelrstand und zeigt auf den Smart Meter
Jörg Schiffmann am Herzstück seiner Stromanlage: dem Smart Meter Bildrechte: Marcel Roth / MDR

Podcast "Digital leben" "Ein gutes Gefühl": Magdeburger erzeugt seinen Strom (fast) komplett selbst

von Marcel Roth, MDR SACHSEN-ANHALT

27. Januar 2024, 12:24 Uhr

Jörg Schiffmann ist gelernter Physiker und hat in Magdeburg ein Einfamilienhaus. Seit Jahren baut er sich quasi eine eigene Stromversorgung: Photovoltaik, Wärmepumpe, E-Auto, Elektrorad. Im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben" erzählt er, wie er dazu kam, ob sich das rechnet und wie viel digitaler Aufwand dahintersteckt.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Als Deutschland im Sommermärchen der Fußballweltmeisterschaft ist, steckt Jörg Schiffmann im Baustress. 2006 hat er in Magdeburg-Sudenburg sein Einfamilienhaus gebaut. In sein Haus lässt er sich damals eine Wärmepumpe einbauen. Worauf er verzichtet: auf einen Erdgasanschluss – Gas sei ihm immer suspekt vorgekommen, sagt er. "Ich wollte keine Heizung mit Dreck und Rauch und Qualm mehr haben. Strom ist eine saubere Sache", sagt Schiffmann. Als studierter Physiker und Informatiker steht er neuen Technologien aufgeschlossen gegenüber.

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Die Wärmepumpe versorgt die Fußbodenheizung und sorgt für warmes Wasser. Außerdem entlüftet sie das Bad und belüftet die anderen Räume. Zur Wärmepumpe in der Garage lässt er sich auch eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach bauen. Solche PV-Anlagen hätten viele Menschen damals vor allem als Investitionsmöglichkeit gesehen, sagt Schiffmann im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben". "Bei mir kam immer schon dazu, dass die Wärmepumpe viel Strom verbraucht. Also wollte ich noch ein bisschen Strom von der Sonne hinzutun."

Ein paar Jahre später erweitert Schiffmann die Photovoltaikanlage und nutzt zur Warmwasseraufbereitung auch eine Solarthermie-Anlage. Mittlerweile sind ein großer Stromspeicher, ein Anschluss für das Elektroauto und ein Smart-Meter-Stromanschluss dazu gekommen. Und Jörg Schiffmanns ist 68 Jahre alt und Rentner. Sein Einfamilienhaus hat die Energiewende bereits gemacht – es ist eine Art Haus der Zukunft.

Was die Technik leistet

"Mein Speicher hat 13,8 Kilowattstunden und die ganze PV-Anlage hat 14,3 Kilowatt", sagt Schiffmann. Er ist zufrieden mit seiner Investition: "Das ist ein gutes Gefühl." Und es ist auch ein günstiges: Er führt Buch über seinen Stromverbrauch, sieht genau, wie viel Strom die Anlage auf dem Dach erzeugt, wie viel davon für die Wärmepumpe gebraucht wird, wie viel im Speicher landet und wie viel im Elektro-Auto. Sein Stromspeicher ist das ganze Jahr über mindestens halbvoll – Schiffmann will so auch bei einem Stromausfall gewappnet sein.

Mann in Jeanshemd schaut auf die digitale Anzeige seines Stromspeichers
Jörg Schiffmann an seinem Stromspeicher in der Garage. Dort sieht er, wie voll der Speicher ist, woher der Strom gerade kommt und wo er gerade verbraucht wird. Bildrechte: Marcel Roth / MDR

Im Sommer bleibt sogar noch Strom "übrig". Da erzeugt er mehr, als er verbraucht. Diesen Strom speist Jörg Schiffmann ins Netz und bekommt dafür Geld. Übers Jahr gerechnet, würde ihn der Strom, den er im Winter braucht, nichts kosten. "Früher habe ich jährlich etwa 2.500 Euro Energiekosten gehabt." Insgesamt hat der Magdeburger für seine Stromanlage etwa 47.000 Euro gezahlt. Er hat dafür keine Förderung bekommen, allerdings steuerliche Vorteile, weil private Stromerzeuger zwischenzeitlich als unternehmerisch tätig galten und die Umsatzsteuer für die Kosten der Anlage verrechnen konnten.

Dass Jörg Schiffmann über seinen Strom so genau Bescheid weiß, liegt vor allem am Smart Meter – ein digitaler intelligenter Stromzähler. Smart Meter sollen bis 2032 die herkömmlichen Stromzähler in Deutschland ersetzen. Wer einen digitalen Stromzähler hat, kann die Firma wählen, die ihn betreibt. Stromkunden wie Jörg Schiffmann haben es so mit drei verschiedenen Unternehmen zu tun haben:

  • dem Energieerzeuger, dem Stromanbieter, bei dem er seinen Strom kauft
  • dem Netzbetreiber, dem die Stromleitungen bis zum Hausanschluss gehören
  • und dem Messstellenbetreiber, der Strom misst und sich um den Stromzähler kümmert.

Dass das komplexe Stromnetz reibungslos funktioniert, ist nur mit Hilfe digitaler Technologien und des Internets möglich. Ein Smart Meter kann die Messwerte viertelstündlich speichern und an den Netzbetreiber melden. Und die Stromanbieter können deshalb sogenannte dynamische Stromtarif anbieten und den Verbrauch stundengenau berechnen. Kunden wie Jörg Schiffmann können so entscheiden, ihren Stromspeicher oder ihr Elektroauto zu günstigen Zeiten mit Strom zu befüllen.

Jörg Schiffmanns dynamischer Stromvertrag

Manche Stromhändler bieten solche Tarife sogar an, ohne dass der Kunde einen Smart Meter hat. Ihren Zählerstand können Kunden dann täglich in der App des Anbieters eintragen. Solche dynamischen Stromtarife scheinen vor allem deshalb sinnvoll, weil der Strompreis von Stunde zu Stunde schwankt – und dank des Internets für jeden ersichtlich ist. Eine Seite des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme zeigt zum Beispiel die aktuelle Stromproduktion und die Börsenstrompreise.

Auch Jörg Schiffmann hat einen dynamischen Stromvertrag: "An der Strombörse in Leipzig wird jeden Tag um 14 Uhr der stündliche Strompreis für den folgenden Tag festgelegt." Wird dann in einer Stunde besonders viel Strom erzeugt, weil der Wind ordentlich wehrt oder die Sonne kräftig scheint, und gibt es zu dieser Stunde wenig Stromnachfrage, weil in Büros und Fabriken noch nicht gearbeitet wird – ist der Strom günstig.

Manchmal ist der Strompreis sogar negativ. "Das habe ich sogar einmal geschafft", sagt Schiffmann. Stromverbraucher kriegen dann quasi Geld zurück. 2023 war der Strompreis laut Bundesnetzagentur an 301 Stunden negativ. Bisheriger Rekord: Am 2. Juli 2023, einem Sonntag, lag der Strompreis zwischen 14 und 15 Uhr bei -500 Euro pro Megawattstunde.

Jörg Schiffmann ist der Strompreis vor allem in seinem winterlichen Alltag wichtig, um seinen Stromspeicher oder sein Elektroauto günstiger zuladen. "Ich will zum Beispiel morgen nach Berlin fahren und habe schon geguckt: Zwischen null und sechs Uhr kostet die Kilowattstunde sieben bis acht Cent." Hinzukommen noch Steuern und Gebühren, das sei aber trotzdem noch günstiger als die durchschnittlich 20, 30 Cent pro Kilowattstunde.

Digitale Energiesteuerung – ein smartes Gebäude

Jörg Schiffmanns Haus zeigt, was mit Strom und digitalen Technologien möglich ist: Licht, Wärme, warmes Wasser und Mobilität – und das möglichst günstig. Das kann auch eine Art der Altersvorsorge sein – unabhängiger von Strompreisen zu sein und Preisschwankungen auszugleichen. Schiffmann sagt, er muss sich nicht einschränken, aber seine Gewohnheiten ändern. Und er muss sich mit seiner Stromerzeugung und seinem Stromverbrauch befassen: Dazu hat er den Strompreis im Blick, den Füllstand seines Energiespeichers, er muss den Verbrauch seines Hauses kennen und seine Geräte so einstellen, dass sie im Winter in den günstigen Stunden den Strom beziehen. Das meiste davon geht bereits digital. Aber wirklich automatisch, gar smart sei das noch nicht, sagt Schiffmann im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "Digital leben".

Mann in Jeanshemd schaut auf seinen Laptop
Vor allem im Winter schaut sich Jörg Schiffmann den Strompreis genau an. Ist er günstig, wird das Auto oder der Stromspeicher geladen. Bildrechte: Marcel Roth / MDR

Sein Fazit aus seinen Strom-Erfahrungen der vergangenen fast 20 Jahre ist jedenfalls mehr als positiv: "Ich würde am liebsten jetzt auch noch Solarpanele auf der Nordseite installieren." Dort ist bislang nämlich keine. Mittlerweile gäbe es aber technische Lösungen, um auch auf solche Flächen eine gute "Sonnen-Ausbeute" zu haben, auf die Schatten fallen kann. Insgesamt sagt Jörg Schiffmann über die Energieversorgung seines Hauses: "Das ist das Beste, was ich für meine Kinder und Enkel tun kann."

Dr. André Göbel, Präsident der FITKO
Marcel Roth spricht im Podcast mit dem amtierenden Landesdatenschützer Albert Cohaus, dem Datenschutz-Journalisten Ingo Dachwitz, mit dem MDR-Intel-Experten Dr. Sebastian Mantei und Dr. André Göbel 8im Bild), dem Präsidenten der FITKO. Bildrechte: FITKO Kathleen Friedrich

MDR (Marcel Roth)

49 Kommentare

Peter Pan vor 13 Wochen

@Huxley
Eines muss Ihnen doch wohl klar sein,eine Wärmepumpenheizung ist eine Niedertemperaturheizung und setzt eine Hohe Wärmedämmung vorraus, beim Neubau kann man das entsprechend berücksichtigen, beim Bestandsbau setzt das enorme Investitionen vorraus.
ich keine einige Wärmepumpenbesitzer, alle haben zusätzlich einen Kamin, der regelmäßig geheizt wird, sobald es draussen kälter wird.
Und das eine 14 KWP Solaranlage Haushaltstrom, E-Auto und Wäremepumpe versorgen kann ist nur Möglich, wenn es sich um ein sehr kleines Haus handelt.
Ich schaue jeden tag genau, was mein Balkonkraftwerk je nach Wetterlage erzeugt, an nebligen, grauen und nassen tagen geht die Erzeugung gegen Null, bei Schneefall ebendso, also nicht immer Märchen erzählen, die höre ich schon jeden Tag in der Solarwerbung.

ElBuffo vor 13 Wochen

Der Physiker hat hier offenbar keine Restwerte einkalkuliert, die er nach 18,8 Jahren noch beim Verkauf erzielen könnte. Da hat er längst die gesamte Investition wieder rein und noch Geld gespart. Das E-Auto wird in den 47k sind dabei sein, sondern ist eher einfach nur Hobby. Auch die Diesel-SUV haben die Teile doch nicht, um bei Bedarf damit das Haus mit Strom oder Wärme zu versorgen. Die finden es toll und gut ist.

DanielSBK vor 13 Wochen

Dann sehen sich einen x-beliebigen Wechselrichter an und Sie werden am Netzkabel solche dicken schwarzen "Klappferrite" feststellen. Die sind da nicht umsonst dran und sollen das Einstrahlen in andere elektrische Geräte vermindern bzw. dämpfen. Die Wechselrichter senden auf sehr niedrigen Frequenzen und das Hausstromnetz (=ihre Leitungen in der Wand) werden zur resonanten Antenne. Der Fachmann spricht hier von "Man-Made-Noise" - menschengemachten Störaussendungen... ob man das jetzt haben will, muss jeder selber wissen. Bei der Schweizer BAKOM (=das Gegenstück zu unserer deutschen Bundesnetzagentur) misst man inzwischen sehr genau die elektromagnetische Störungen von Photovoltaikanlagen. Etliche Anlagen diverser Hersteller von Wechselrichter erfüllen dabei nicht die geforderten Stör- Dämpfabstände und wurden durch die BAKOM bereits aus dem Handel genommen. Und wenn Sie keinen Wechselrichter betreiben, gibt es auch keine Störaussendung, Keller oder Bad ist völlig Wurscht. Logisch oder.

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