Podcast "Digital leben" Wie ein Hallenser den Mathe-Unterricht verbessern will

von Marcel Roth, MDR SACHSEN-ANHALT

05. November 2023, 08:17 Uhr

Es war ein erfolgreiches Jahr für Stefan Neuber aus Petersberg. Er hat einen Preis auf der renommierten US-Techkonferenz SXSW in Texas gewonnen. Und er hat auf der Münchner Start-Up-Messe "Bits and Pretzels" direkt vor Michelle Obama gesprochen. Immer ging es dabei um seine App MatheX, die Grundschulkindern die Grundrechenarten beibringen soll. Im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben" erklärt Neuber, ob es gut ist, mit digitalen Lernhelfern Geld verdienen zu wollen.

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  • Stefan Neuber hat in diesem Jahr zwei Preise gewonnen: In den USA und in München.
  • Seine App MatheX soll Grundschülern beim Mathelernen helfen – personalisiert. Dahinter steckt ein ausgeklügelter Algorithmus. Datenschutz hat Entwickler Stefan Neuber von Anfang an mitgedacht.
  • Ein Dilemma: Ist es okay für eine App, die zur Bildung beitragen soll, Geld zu verlangen und so möglicherweise soziale Unterschiede zu festigen?

Stefan Neuber ist aus Petersberg, 19 Jahre alt und surft. Auf einer Erfolgswelle. Noch als Schüler hat er seine App "MatheX" entwickelt und sich damit bei "Jugend forscht" und "Jugend gründet" beworben. Nach seinem Abitur am Georg-Cantor-Gymnasium in Halle hat er ein Auslandsjahr in Kalifornien absolviert, mit "Jugend gründet" eine Tour durch das Silicon Valley gemacht und sich bei der Bildungskonferenz der renommierten US-Techkonferenz SXSW in Austin (Texas) beworben – und im dort Frühjahr den internationalen Studenten-Start-Up-Preis gewonnen.

"Ich konnte als erster Deutscher den ersten Platz erringen. Das war natürlich unglaublich und ein großartiges Gefühl", sagt Stefan Neuer im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben". Im Herbst dann sein nächster Erfolg: Er gewinnt den Wettbewerb "Start-Up-Teens" – eine Initiative, die das Jungunternehmertum fördern will. Als Erstplatzierter darf er seine App auf der größten Bühne der renommierten Gründerkonferenz "Bits & Pretzels" in München vorstellen. Die Halle ist aus gutem Grund vollbesetzt.

Denn Stefan Neubers Drei-Minuten-Auftritt ist direkt vor dem von Michelle Obama. "Vor 3.000 Menschen auf Englisch zu sprechen, wenige Minuten vor Michelle Obama war ein unglaublich tolles Gefühl", sagt Stefan Neuber – auch wenn er mit der ehemaligen First Lady der USA aus Sicherheitsgründen nicht sprechen darf und sie nur als Zuschauer erlebt.

MatheX – eine Idee aus Petersberg

Neubers Jahr war also ziemlich erfolgreich. Und alles "nur" wegen seiner App-Idee. Mit MatheX sollen Erst- und Zweitklässler besser Mathe lernen können, sagt Neuber. "MatheX ist ein Algorithmus, der ein personalisiertes Mathematik-Training für Grundschüler ermöglicht." In diesem Alter sei es besonders wichtig, Mathe zu verstehen, weil alle weiteren Mathe-Kenntnisse und Naturwissenschaften auf diesen Grundkenntnissen aufbauen würden.

Die grundlegende Mathematik ist ein kritischer Bereich innerhalb unserer Bildung.

Stefan Neuber, MatheX-Gründer

Um diese mathematische Basiskompetenz am besten zu vermitteln, stand für Stefan Neuber schnell fest, dass eine Eingabe per Sprache die richtige Technologie ist. MatheX liest eine Matheaufgabe vor und Schülerinnen und Schülern antworten per Sprache: Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren. So kann die App ermitteln, wo die Stärken und Schwächen des Schülers liegen und neue Matheaufgaben entsprechend anpassen.

"Da ist das Handy wie ein Nachhilfelehrer und kann wirklich personalisiertes Feedback geben." Und wie eine gute Nachhilfe-Lehrerin stelle die App abwechslungsreiche Aufgaben. Stefan Neuber sagt, in einer idealen Welt würden alle Lehrerinnen ihre Aufgaben perfekt an den einzelnen Schüler anpassen. "Aber in unserer Realität haben wir natürlich die Situation, dass der Lehrer sich um 20 Schüler gleichzeitig kümmern muss."

Seine App hat noch einen zweiten Bereich: den für die Lehrerinnen und Lehrer. Sie können mit der App Hausaufgaben aufgeben und vor allem den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler einsehen. Hinter der App steckt ein ausgeklügelter Algorithmus, sagt Neuber. "Je nachdem, wie man es auslegt, könnte man auch KI dazu sagen. Aber ich halte mich mit Buzzwords zurück."

KI, Algorithmen und Daten von Grundschülern?

Weil die App die Aufgaben an das Wissen der Schüler anpassen kann, muss sie die Eingabedaten der Schüler auswerten. Deswegen habe er von Anfang an auf Datenschutz geachtet: "Die Trainingsdaten werden nicht in irgendeiner Cloud, sondern immer nur lokal auf den Endgeräten ausgewertet", sagt Neuber. Außerdem erfrage seine App keine Telefonnummern oder E-Mail-Adressen der Schüler. "Ich verknüpfe die Trainingsdaten des Schülers niemals mit persönlich identifizierbaren Informationen." Nutzer könnten sich allerdings einen Spitznamen geben. "In meiner Datenbank sehe ich zwar, dass jemand 'drei plus fünf ist gleich acht' gesagt hat. Aber ich habe keine Ahnung, wer das war."

Gerade weil seine App für Grundschulkinder gedacht ist, will Neuber alles richtig machen. Noch habe er sie allerdings nicht von externen IT-Sicherheitsexperten prüfen lassen. So ein Test komme, bevor man die App an Schulen verbreite, sagt Neuber. Und schließt demnach zum Beispiel grundsätzlich aus, dass in seiner App jemals Werbung zu sehen sein wird. Wie also lässt sich damit Geld verdienen? Oder sollte mit Bildung überhaupt Geld verdient werden?

Geschäftsmodell: Wie sozial ist es, Geld mit Bildung zu verdienen?

Geschäftsmodelle für Apps basieren in der Regel auf zwei Grundideen: dass Daten erhoben werden, um besser Werbung verkaufen zu können oder dass es bestimmte Funktionen nur gegen Bezahlung gibt. Mehr als zehn Euro würde er dafür aber nicht verlangen wollen, meint Neuber. Mit einem günstigen Preis ließe sich die Software demokratisieren; es könnten mehr Menschen an einem sprachbasierten und personalisierten Mathe-Training teilnehmen. Das sei günstiger als Nachhilfeunterricht.

Neuber ist wichtig, dass jeder Schüler und jede Schülerin von seiner App profitieren kann. "Man möchte ja nicht dafür sorgen, dass Bildung elitär wird. Also dass man bessere Bildungschancen hat, wenn man Geld hat", sagt Neuber im MDR SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben".

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Grundsätzlich sagt er: "Ich habe noch kein Geld mit der App selbst verdient, weil mir wichtig war, zuerst Nutzerfeedback zu bekommen." Jetzt versuche er, das Feedback von Nutzern, Eltern und Lehrern auszuwerten und so die App zu verbessern. Um Geld zu verdienen oder die laufenden Kosten zu decken, kann sich Stefan Neuber für Mathe X auch vorstellen, Lizenzen an Schulen zu verkaufen. Jetzt müsse er herausfinden, ob und wie sich Schulleitungen am besten ansprechen lassen, um seine App an die Schulen zu bekommen.

Der Idealfall wäre natürlich, dass sich Schüler und Eltern keine Gedanken über Geld machen müssen.

Stefan Neuber, MatheX-Gründer

Gründen: In den USA einfacher

Als Gründer von MatheX habe er bereits mit Investoren gesprochen. "Bis jetzt habe ich immer gesagt, ich möchte noch kein Investmentkapital aufnehmen." Was er aus seinem Jahr in den USA aber bereits mitgenommen hat: Dort ist es leichter, ein Unternehmen zu gründen. "In Deutschland muss man einen langwierigen Prozess durchlaufen. In den USA geht es natürlich viel schneller und kostengünstiger." Das verbessere auch die Innovationskultur und so würden neue Technologien schneller eingesetzt werden.

Der Unternehmergeist im Silicon Valley habe ihn zutiefst inspiriert. "Dieses Einfach-Sachen-Anpacken, Anfangen und Dinge realisieren – das fand ich super spannend." Es sei wirklich schwierig, das nachzuvollziehen, wenn man diese Lebenseinstellung nicht erlebt hat, sagt er.

Bis jetzt ist MatheX aber noch nicht als Unternehmen gegründet. Aber darüber würde er nachdenken. "Wenn ich in den kommenden Monaten gründen möchte, steht mir eben ein Prozess bevor, den ich in den USA nicht im gleichen Maße hätte". Der nächste Schritt ist jetzt, dass Stefan Neuber MatheX stärker auch als App für Lehrer entwickelt. Damit sie damit Hausaufgaben aufgeben und den Lernfortschritt ihrer Schüler einsehen können. "Danach kann man dann wirklich darüber nachdenken, ein Investment aufzunehmen und das Unternehmen zu beschleunigen."

Aber gerade hat Stefan Neuber sein Informatik-Studium am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam angefangen. Auch dort will er Informatik nutzen, um unserer Gesellschaft helfen zu können und an spannenden Projekten zu arbeiten.

MDR (Marcel Roth)

9 Kommentare

salzbrot am 05.11.2023

das stimmt. Digitale Anwendungen helfen nur Schülern mit hoher Eigenmotivation. Allen anderen hilft nur der Klassenverband mit lebendigem Lehrer vorne, zumindest während des Unterrichts dran zu bleiben. Eine Jungsmutter

Nudel81 am 05.11.2023

Am Endes des Tages will damit Geld verdienen. Egal ob mit Werbung oder Abonnenten. Ist ok aber auch nichts neues. Bei Corona haben wir gelernt, das Apps keine Lehrer ersetzen können besonders bei jüngeren Schülern.

Altlehrer am 05.11.2023

Mit Verlaub, aber das ist Unsinn. Moderne Lernprogramme leisten ein dynamische und differentielles Feedback mit Hilfesystem. Da gibs kein" Rumprobieren"!

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