Der Chatbot "ChatGPT" auf einem Bildschirm
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Podcast "Digital leben" ChatGPT an Schulen: Das sagen Lehrer und Schüler

03. Februar 2023, 08:09 Uhr

Über das KI-Tool ChatGPT wird auch an Sachsen-Anhalts Schulen diskutiert. Im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "Digital leben" sagt eine Lehrerin, dass ChatGPT zeigt: Die Zukunft ist längst da. Und ein Schüler meint: ChatGPT kann ein guter Denkanstoß sein.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
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Der 16-jährige Andor aus Magdeburg gibt unumwunden zu: Selbstverständlich habe er ChatGPT schon für Hausaufgaben benutzt. Andor geht in die zehnte Klasse auf ein Gymnasium und hat bei YouTube oder TikTok von ChatGPT erfahren. "Ich dachte, das ist cool. Wenn so eine künstliche Intelligenz meine Hausaufgaben machen könnte, kann ich noch mehr Minecraft mit meinen Freunden zocken."

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Er sagt, das Werkzeug hilft auf jeden Fall bei den Hausaufgaben. "Allerdings ist das vollständige Abnehmen der Hausaufgaben meiner Meinung nach nicht ganz möglich." ChatGPT sei ein Hilfsmittel wie auch der Computer. Seine Versuche damit haben gezeigt: "Wenn die Fragen sehr komplex werden, sind die Antworten nicht mehr ausreichend." Aber für Aufgaben bis zur achten Klasse würde ChatGPT sehr gute Antworten geben, sagt Andor im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "Digital leben".

Das Team von MDR Recap wollte wissen: Ist ChatGPT cleverer als ein Mensch? Dafür hat Lehrer René Michel den Menschen und dem Programm die gleichen Hausaufgaben aufgegeben und im Anschluss ausgewertet.
Wer besser abgeschnitten hat und wie schwer es dem Lehrer gefallen ist, den Text der Künstlichen Intelligenz zu identifizieren, erfahren Sie in der aktuellen Recap-Folge.

Was ist ChatGPT

ChatGPT ist ein Chatbot der US-Firma OpenAI und tritt in einen Dialog mit dem Nutzer, der oder die Fragen stellen kann. Das Tool ist zunächst englischsprachig und seit Ende November 2022 online. Das zugrunde liegende Sprachmodell nutzt Daten, die es bis 2021 gesammelt und ausgewertet hat. Bei KI-Methoden geht es vor allem darum, Muster zu erkennen. OpenAI selbst sagt, ChatGPT tendiert dazu, "plausibel klingende, aber falsche oder sinnlose Antworten" zu liefern. Die Behebung dieses Problems sei schwierig.

Wer steckt hinter ChatGPT

OpenAI wurde als gemeinnützige Organisation unter anderem von Elon Musk gegründet. Er verließ den Verwaltungsrat von OpenAI 2018. Musk lobte ChatGPT auf Twitter als "erschreckend gut" und ließ den Zugriff von OpenAI auf Twitter sperren, weil OpenAI die Daten nutze, um die KI zu trainieren. 2019 hat OpenAI einen gewinnorientierten Ableger gegründet. Ein Investor ist der umstrittene PayPal-Mitgründer Peter Thiel, ein anderer der Software-Konzern Microsoft. Microsoft plant, das Werkzeug in seinen Cloud-Dienst Azure einzubauen.

KI-Hilfe bei Hausaufgaben

Andor meint deshalb, dass ChatGPT für die unteren Klassenstufen eher ein unerlaubtes Hilfsmittel sei. "Denn da reichen die Formulierungen der KI bestimmt aus, um eine sehr gute Note zu bekommen, ohne etwas dafür zu tun." Allerdings würden Lehrer sicher auch misstrauisch, wenn ein Fünfer-Schüler plötzlich ganz anders schreiben würde.

Verbieten würde Andor ChatGPT trotzdem nicht: "Es bringt nichts. Das ist genauso, als wenn man ein Schild aufhängt: Mobbing ist doof. Und dann soll das Mobbing auf einmal aufhören."

Ähnlich sieht es sicher auch Lehrerin Paula Friedrich aus Merseburg. Sie unterrichtet Biologie und Mathe an einem Gymnasium und besucht als medienpädagogische Beraterin im Auftrag des Landesinstituts für Schulqualität und Lehrerfortbildung Schulen im Süden Sachsen-Anhalts. Friedrich sagt: "Dass KI irgendwie genutzt wird, um Hausaufgaben zu lösen, ist nichts Neues."

KI-Werkzeuge im Unterricht

Dass ihre Schüler ChatGPT benutzt haben, hätte sie aber noch nicht wahrgenommen. Ein anderes KI-Werkzeug hat sie bereits in ihrem Mathe-Unterricht thematisiert: Google Lens. "Dort gibt es sogar einen Button namens Hausaufgaben. Damit kann man Übungsaufgaben abfotografieren und bekommt eine Lösung." An einem Tag habe sie ihren Schülern eine Hausaufgabe gegeben, von der sie wusste, dass Google Lense eine falsche Lösung anzeigt.

Das ist Medienbildung, sagt Friedrich im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "Digital leben". Ihr Tipp an ihre Schülerinnen und Schüler: "Ihr müsst das Werkzeug müsst mit eurem Fachwissen gegenchecken." Das gilt auch für ein weiteres Werkzeug, dass sie im Bio-Unterricht nutzt: eine App, um Pflanzen zu bestimmen. "Natürlich lernen die Schüler, auch mit einem Bestimmungsbuch umzugehen. Aber es spricht überhaupt nicht dagegen, Pflanzen auch mit KI-Tools abzufotografieren und das auch zu überprüfen." Friedrich meint, Menschen müssten den Umgang mit solchen KI-Werkzeugen lernen und dabei gezielt an der richtigen Stelle nachfragen.

KI-Hilfe für Lehrerinnen und Lehrer

Selbst für ihre eigene Arbeit kann ChatGPT eine Hilfe sein, sagt Lehrerin Friedrich: "Das Werkzeug kann Textbausteine generieren und uns dabei ein Stück Arbeit abnehmen – zum Beispiel beim Schreiben von individualisierte Elternbriefen." Das Werkzeug kann zum Beispiel auch Aufgaben so umformulieren, dass sie einfacher zu verstehen sind. Das berichtet der Bildungsexperte Christian Füller im MDR-SACHSEN-ANHALT-Podcast "Digital leben"

Aber noch müssten sich Lehrerinnen und Lehrer den Umgang mit ChatGPT selbst erarbeiten. Man müsse sich im Moment eigenverantwortlich damit beschäftigen, sagt Lehrerin Friedrich: "In Sachsen-Anhalt, zumindest in den vom Bildungsministerium organisierten Strukturen, gibt es noch keine Fortbildungsveranstaltungen dazu."

KI-Hilfe in einer Prüfung

Und auch unter Schülern sei ChatGPT noch nicht allzu bekannt, meint Schüler Andor: "Die meisten Schüler haben überhaupt keine Ahnung, dass diese KI existiert und von denen, die sie tatsächlich kennen, verwenden sie nur wenige." Dabei könnte sie selbst in Prüfungen genutzt werden, meint Andor.

Um klassisches Schummeln geht er ihm dabei allerdings nicht – sondern eher um eine Art Denkanstoß. "Die KI betrachte ich als Ergänzung, wie es auch die Mitschüler sein können. Wenn ich zum Beispiel in die falsche Richtung gedacht habe, dann hilft mir die KI, etwas Passables zu schreiben." Und das sei dann auch nicht die gesamte Arbeit, denn dafür reiche das Werkzeug bisher nicht aus.

Außerdem: "Wenn ich nicht weiß, was eine DNA ist und mir die KI das erst lang erklären muss, woraus eine DNA besteht und was eine Aminosäure ist: Bis dahin ist die Prüfung auch schon wieder vorbei", sagt Andor. Was ihn aber auch grundsätzlich beschäftigt: Was in Prüfungen, Tests und Klausuren abgefragt wird.

Wenn man den Test geschrieben hat, hat man keine Ahnung mehr, was man überhaupt gemacht hat. Also das ist so ja meiner Meinung nach Zeitverschwendung.

Andor, 16 Jahre, Schüler aus Magdeburg

Manche nennen das "Bulimie-Lernen": Wissen in sich hineinstopfen und zu einem bestimmten Zeitpunkt schwallartig auszuspucken. Allein weil es Schule und Bildungssystem so wollen – im Leben nach Schule oder Uni funktioniert Lernen nie wieder so.

Schüler Andor sagt ganz klar: "Es fehlt ein bisschen die Vorbereitung aufs Leben. Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder in meinem Leben eine Interpretation von einem Goethe-Gedicht schreiben muss."

Technologie hinterfragt Lehren, Lernen und Schule

Vehement spricht sich Lehrerin Friedrich dafür aus, solche Werkzeuge nicht länger als Zukunftstechnologie zu bezeichnen. "Es sind keine Zukunftstechnologien mehr. Die Zukunft ist längst da! Es sind Realitätstechnologien!"

Diesen Technologien müsse sich das Bildungssystem auch stellen. Doch das sei träge, sagt Friedrich. "Natürlich bemühen sich alle bei der digitalen Ausstattung. Aber wer auf die Fakten und die Realität guckt, sieht, dass wir nicht auf dem Stand sind, wo wir sein müssten, um unsere Schüler das Leben vorzubereiten." Mitunter frage sie sich, ob Schule am Leben vorbei arbeiten würde.

Denn dass Kinder sich für ihre Hausaufgabe oder zur Prüfungsvorbereitung Hilfe holen, sei nichts Schlimmes, sagt Friedrich. Lehrerinnen und Lehrer müssten deshalb auf sich und auf das Bildungssystem schauen: "Wenn Lösungen einfach generiert werden können, dann muss ich das Interesse bei den Schülern wecken, dass sie lernen und sich kennenlernen wollen, dass sie wissen, wofür sie etwas tun."

Das sei in ihren Augen Persönlichkeitsentwicklung und Selbstmotivation. Eine Art Coaching, das an Schulen stattfinden müsse, um die Kinder zu begleiten, ihre Persönlichkeit, ihre Interessen und ihre Motivation zu finden. Und dabei könnten nur echte Menschen helfen. Für Lehrerin Paula Friedrich bleibt nämlich eines klar: "Bei all den tollen KIs und den ganzen technischen Möglichkeiten wünsche ich mir, dass ganz viel Menschlichkeit in unserer Gesellschaft bleibt."

MDR (Marcel Roth)

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