Alica Weihrauch vom Fritz Theater
Alica Weihrauch vom Fritz Theater will mit ihrem Team ein Theaterstück auf die Beine stellen, in dem die Darsteller drei verschiedene Sprachen sprechen. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Partnerschaften Mit der Kulturhauptstadt von Chemnitz quer durch Europa und zurück

10. Dezember 2023, 08:00 Uhr

Das Ausbildungsprogramm "Soft Skills Akademie" der Kulturhauptstadt soll Menschen aus Chemnitz und der Region dabei unterstützen, ihr eigenes kulturelles Projekt bestmöglich umzusetzen. Dazu gab es im ersten Schritt die Möglichkeit, sich mit einer Reise Projektpartner in Europa zu suchen. Insgesamt waren die Ideengeber von 18 Projekten unterwegs oder haben Gäste nach Chemnitz eingeladen. Drei der Initiatoren haben nun über ihre Erfahrungen gesprochen.

Alica Weihrauch vom Fritz Theater in Chemnitz will sich mit ihrem Team mit einem Theaterstück bei der Kulturhauptstadt einbringen. Thematisch soll es dabei um Flucht gehen. "Wir sind aber darauf gekommen, Flucht mal umgekehrt zu denken", sagt sie über die Idee. "Es gibt in Ungarn und Rumänien sehr viele Deutsche, die dort vor vielen Jahren hingeflohen sind." Um dieses Thema zu recherchieren und auch Projektpartner zu finden, ist sie mit Unterstützung der Kulturhauptstadt in die beiden Länder gereist.

"Zuerst wollte ich fliegen, habe aber gemerkt, dass das mit all den verschiedenen Zielen nicht so gut funktioniert", erzählt sie. Kurz entschlossen hat sie sich ein Dachzelt für ihr Auto angeschafft, um unabhängig von Ort zu Ort reisen zu können. Zuerst ging es nach Timișoara in Rumänien, das in diesem Jahr Kulturhauptstadt ist, danach nach Siebenbürgen und nach Ungarn. Überall hat sie Kulturschaffende getroffen und für ihre Idee begeistert.

Theaterstück in drei Sprachen ohne Übersetzung

"Wir wollen ein Theaterstück in drei Sprachen machen mit Künstlern aus Rumänien, Ungarn und Deutschland", erzählt Weihrauch. "Es darf dann jeder in seiner Sprache spielen und wir wollen sehen, was dann passiert." Auf ihrer Reise hat die Schauspielerin eine Theateraufführung komplett auf ungarisch gesehen, ohne die Sprache zu sprechen und trotzdem alles verstanden. Diese Erfahrung, dass Theater auch ohne Sprachkenntnisse funktioniert, will sie nun auch anderen zugänglich machen.

Im März wollen sich alle teilnehmenden Künstler in Chemnitz treffen und zwei Wochen zusammen arbeiten. "Es wird dann auch eine Art Werkschau im Fritz Theater mit Publikumsdiskussion geben", sagt Weihrauch. "Es ist ja auch spannend für uns, wie das Publikum das aufnimmt." Sollte alles gelingen, soll ein komplettes Theaterstück dann 2025 nicht nur in Chemnitz, sondern im besten Fall auch in Rumänien und Ungarn zur Aufführung kommen.

Wandergesellen
Thomas Heidenreich (Mitte) plant für das Jahr 2025 Sommerbaustellen in der Kulturregion, auf der Wandergesellen wie Henrik (links) und Albin (rechts) arbeiten sollen. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Wandergesellen für Sommerbaustellen in der Kulturregion begeistern

In einem ganz anderen Bereich engagiert sich Thomas Heidenreich. Er ist Zimmermeister und plant Wandergesellen aus dem Handwerk im Jahr 2025 auf sogenannte Sommerbaustellen in der Kulturregion zu locken. Dazu war er nicht wie Weihrauch in Europa unterwegs, sondern hatte alle Organisationen reisender Gesellen im Juli nach Chemnitz eingeladen, um sie für die Idee zu begeistern und einen Überblick über die Region zu geben. "Seitdem wissen wir, dass die reisenden Gesellschaften dahinter stehen", sagt Heidenreich.

25 Projekte, die gern eine Sommerbaustelle aufbauen wollen, haben bereits mit Heidenreich und seinen Mitstreitern Kontakt aufgenommen. Mit dabei sind zum Beispiel die Stadt Hohndorf, die ein kleines Heimatmuseum einrichten möchte, und das Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgebirge. Im Rahmen der "Soft Skills Akademie" der Kulturhauptstadt hat Heidenreich mit den Bewerbern einen Workshop durchgeführt, um ihnen mögliche Finanzierungen für ihr Projekt, wie Fördermittel und Crowdfunding, näherzubringen. "Damit sie trotzdem in der Lage wären, sich zu finanzieren, auch wenn es nicht alles Projekte mit reisenden Gesellen werden", so Heidenreich.

Im Sommer 2024 entscheiden dann die Gesellen, welche Projekte sie interessieren und wo sie hinreisen wollen. Dann ist klar, ob es einige große oder viele kleine Baustellen in der Region geben wird. Auch ein kulturelles Rahmenprogramm soll den Gesellen dann vor Ort geboten werden. Ein Pilotprojekt für 2024 bereitet Heidenreich gerade vor.

Comic über Menschen, die Chemnitz verlassen haben

Auch die Illustratorin Stephanie Brittnacher hat sich ein Kulturhauptstadtprojekt überlegt. Sie möchte in Form eines Comics Geschichten über Menschen, die aus Chemnitz weggezogen sind, erzählen. Außerdem überlegt sie, die Bilder mit Audioeinspielungen zu untermalen. "Meine persönliche Motivation für das Thema ist, dass ich selber erst in diese Stadt gekommen bin durch Menschen, die weggegangen sind", sagt Brittnacher. "Die haben mir von Chemnitz erzählt und das hat mich alles sehr neugierig gemacht und beeindruckt."

Illustratorin Stephanie Brittnacher
Die Illustratorin Stephanie Brittnacher plant einen Comic, der Geschichten von Menschen, die aus Chemnitz weggezogen sind, erzählt. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Es sei eine große Anzahl von Menschen, die seit der Wende weggezogen sind und das sei in der Stadt spürbar. "Deshalb ist es mir wichtig zu gucken, was haben die Leute zu sagen, die jetzt auf ihre Stadt zurückschauen von einem anderen Ort aus und mit neuer Erfahrung", sagt die Illustratorin.

Comicworkshops mit Künstlern aus Finnland

Bei ihrer Recherche nach europäischen Projektpartnern stieß Brittnacher auf ein Comiccenter im finnischen Oulu. Passenderweise ist diese Stadt im Jahr 2026 europäische Kulturhauptstadt. Auf ihrer Reise nach Finnland hat sie viele Kontakte geknüpft, die ihr Projekt erweitern und bereichern werden. "Ich möchte Workshops anbieten zum Thema Comic und habe da offene Türen eingerannt bei Künstlern, die nach Chemnitz kommen wollen und Lust haben das hier anzubieten", erzählt sie.

Die Workshops sollen sich an alle Menschen richten, auch wenn keine große Malbegabung vorliegt. "Ein Beispiel ist, dass man in Tagebuchform kreativ wird und da bietet sich Comic total gut an", sagt Brittnacher. "Das Projekt soll Lust machen seine eigene Stimme kreativ umzusetzen."

"Soft Skills Akademie" - Zweck der "Soft Skills Akademie" ist, zivilgesellschaftliche Akteure und Kulturschaffende, die noch nicht den Weg ins Bidbook und damit ins Programm geschafft haben, auch eine Möglichkeit zum Mitmachen zu geben.
- Dabei sollten im ersten Schritt Menschen der Region, die eine gute Idee beisteuern wollen, die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um sich europaweit zu vernetzen.
- Dazu konnten zum Beispiel Festivals oder Kongresse im europäischen Ausland besucht werden. Die Ideen sollen sich an der Schnittstelle zwischen Kunst, Kultur und Demokratiearbeit bewegen.
- Im zweiten Schritt des Programms soll dann die konkrete Umsetzung von Projekten gefördert werden.

Projekte europäischer machen

Pascal Anselmi, der für die "Soft Skills Akademie" zuständig ist, freut sich über die vielen Projektideen. Insgesamt habe es 40 Einsendungen gegeben, von denen dann 20 gefördert wurden. "Zwei haben sich dann noch zurückgezogen, sodass wir jetzt 18 Projekte bei ihren Reisen unterstützt haben", sagt er. Für jeden hätte es ein Budget von 5.000 Euro gegeben, um innerhalb Europas zu reisen oder europäische Gäste nach Chemnitz einzuladen, um zu recherchieren oder gemeinsame Workshops auf die Beine zu stellen.

Das EU-Gremium, das Chemnitz auf dem Weg zur Kulturhauptstadt berät und seinen zweiten Monitoring Bericht zum Stand der Vorbereitungen veröffentlicht hat, betonte in dem Bericht, dass die europäische Dimension noch gestärkt werden müsse. Dazu können dieses 18 Projekte nun einen Beitrag liefern. "Um etwas europäisch zu machen, muss man erstmal Leute aus Europa kennenlernen", sagt Anselmi.

MDR (ali)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 07. Dezember 2023 | 14:30 Uhr

0 Kommentare

Mehr aus Chemnitz und Stollberg

Mehr aus Sachsen