Postenaffäre Ramelow im Untersuchungsausschuss: "Keine Kenntnisse von Problemen"
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23. Februar 2024, 17:05 Uhr
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und die Ex-CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht wurden am Freitag vom Untersuchungsausschuss "Postenaffäre" zur Einstellung von Staatssekretärinnen und Ministerinnen befragt.
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Ex-CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat die Ernennung einer Staatssekretärin während ihrer Regierungszeit verteidigt. Lieberknecht sagte im Untersuchungsausschuss zur Postenaffäre, die betreffende Kandidatin habe die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für den Posten gehabt.
Auch eine Planstelle im Haushalt habe es dafür gegeben. Bei der ehemaligen Staatssekretärin handelt es sich um Hildigund Neubert. Sie war zunächst Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen und wurde im November 2013 von Lieberknecht zur Staatssekretärin für Europaangelegenheiten ernannt, ein Jahr vor Ende der Amtszeit von Lieberknecht.
Nach Ansicht der rot-rot-grünen Regierungsfraktionen steht der Verdacht im Raum, dass Neubert damals weniger aufgrund ihrer Qualifikation, sondern eher nach Parteibuch eingestellt wurde.
Grüne kritisieren Lieberknecht-Aussagen
Auch die Landtagsfraktion der Grünen kritisieren Lieberknechts Aussage. Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich sagte MDR THÜRINGEN, die frühere CDU-Regierungschefin habe zwar die Geschichte erzählt, wie es im Herbst 2013 zur Ernennung der Staatssekretärin Hildigund Neubert gekommen sei.
Es sei aber deutlich geworden, dass es vor der Personalentscheidung keine Bestenauslese gegeben habe. Auch an der nötigen Dokumentation habe es gefehlt. Lieberknecht habe damals allein eine politische Entscheidung getroffen.
Der Untersuchungs-Ausschuss "Postenaffäre" im Landtag geht auf Betreiben der CDU-Fraktion vor allem der Frage nach, inwieweit die rot-rot-grüne Landesregierung bei der Einstellung ihres Spitzenpersonals auf das Prinzip der Bestenauslese geachtet hat.
Ramelow verteidigt Personal-Entscheidung
Deshalb wurde am Freitag auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) vom Ausschuss angehört. Er hat dort seine umstrittene Entscheidung, Susanna Karawanskij (Linke) erst zur Staatssekretärin und später zur Ministerin zu machen, mit ihrer Leitungserfahrung gerechtfertigt. "Oberste Priorität war, die Fähigkeit und der Nachweis, ein Haus schon geführt und schon Verantwortung getragen zu haben", sagte Ramelow am Freitag. Er verwies darauf, dass Karawanskij ein Jahr lang Sozialministerin in Brandenburg war, bevor sie nach Thüringen kam.

Mininisterpräsident sieht keinen Eingriff in Prozesse
Ramelow betonte, dass er in die Arbeitsprozesse zur Überprüfung, ob alle Voraussetzungen für Einstellungen vorliegen, als Ministerpräsident nicht eingreife. "Ich habe die politischen Gespräche dazu geführt", sagte er. Er bekomme den komplett geprüften Fall auf den Schreibtisch.
Aus den Reihen der Opposition wurde gefragt, ob Ramelow auf Probleme bei der Überprüfung der Voraussetzungen für Karawanskijs Einstellung hingewiesen wurde. "Ich habe keine Kenntnisse von Problemen gehabt", sagte Ramelow.
Ministerposten war unbesetzt
Zum Fall Karawanskij wies er im Untersuchungsausschuss auf die Umstände Ende 2019, Anfang 2020 hin. Die damalige Landwirtschaftsministerin Birgit Keller (heute Pommer, Linke) wurde neue Landtagspräsidentin, der Ministerposten im Agrarministerium wurde damit frei. Der Chef der Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) übernahm den Posten kommissarisch.
Es sei angesichts der unsicheren Umstände in Thüringen nicht banal gewesen, geeignetes Personal zu gewinnen. Er habe drei Personen in Deutschland angesprochen, "ob sie sich das abstrakt vorstellen können", sagte Ramelow.
Zwei haben mir ganz deutlich gesagt, das sei ihnen in Thüringen viel zu unsicher, auch für ihren persönlichen Lebensweg.
Später habe er diese drei Menschen noch einmal kontaktiert und "zwei haben mir ganz deutlich gesagt, das sei ihnen in Thüringen viel zu unsicher, auch für ihren persönlichen Lebensweg."
Ernennung nach geplatzter Neuwahl
Bei Karawanskij, die im Untersuchungsausschuss immer nur als "Fall H" oder "Frau H" bezeichnet wird, sei er sich zunächst nicht sicher gewesen, ob sie Staatssekretärin werden wolle. Ramelow erinnerte daran, dass es damals eine schriftliche Vereinbarung zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU für eine Neuwahl des Landtags für das Jahr 2021 gegeben habe.
Die Frage nach einem Ministerjob habe sich erst ergeben, als klar war, dass es keine Neuwahl geben werde. Er habe keinen Zweifel gehabt, dass sie der Aufgabe gewachsen sei. Karawanskij wurde nach der geplatzten Neuwahl im Jahr 2021 zur Landwirtschaftsministerin in Thüringen ernannt.
Kritik des Landesrechnungshofes an Personalpolitik
Hintergrund für den Untersuchungsausschuss ist ein Prüfbericht des Landesrechnungshofes zur Personalpolitik der rot-rot-grünen Landesregierung. Darin wird unter anderem beanstandet, dass bei der Einstellung etwa von Staatssekretären die Bestenauslese nicht beachtet und Dokumentationspflichten verletzt wurden.
Der Landesrechnungshof wirft der Landesregierung darin systematische und schwerwiegende Verstöße gegen Regeln zur Einstellung von Beamten vor.
Die Landesregierung weist die Vorwürfe zurück und vertritt eine andere Rechtsauffassung. Im Januar 2023 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Erfurt wegen des Anfangsverdachts der Untreue ermittelt.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 23. Februar 2024 | 15:00 Uhr