Eine Frau steht neben einer Säule im Innenhof des Thüringer Landtags.
Abgeordnete Stark im Innenhof des Thüringer Landtags. Bildrechte: MDR/Louisa Krüger

Jüngste Abgeordnete "Es ist mir egal, wer mich nicht ernst nimmt": Warum Linda Stark in den Landtag wollte

11. Oktober 2024, 08:23 Uhr

Mit 23 Jahren ist Linda Stark die Jüngste im neuen Thüringer Landtag. Neben vielen positiven Nachrichten erhält die Linke-Abgeordnete auch Kritik. Warum sie als junger Mensch in die Politik wollte und wie sie mit Anfeindungen umgeht.

Es ist gerade wenig los im Thüringer Landtag, wegen der Herbstferien. Im Haus der Abgeordneten herrscht aber reger Betrieb: Während Grüne und FDP ihre Büros ausräumen müssen, beziehen andere Neu- oder Wiedergewählte ihre Schreibtische oder müssen innerhalb des Hauses umziehen.

Linda Stark in einem neuen, noch leeren Büro
Das neue Büro ist noch ganz leer. Aber das will Linda Stark in den nächsten Tagen ändern. Bildrechte: MDR/Louisa Krüger

Eine der Neuen ist Linda Stark von den Linken. Sie ist die jüngste Abgeordnete im Thüringer Landtag der 8. Legislaturperiode. Am Morgen hat sie ein Foto auf Instagram hochgeladen, Sonnenaufgang um 7:30 Uhr. "Guten Morgen, Erfurt", schreibt sie da.

Das Büro mit Leben füllen

In den Regalen stehen leere Ordner und an den Wänden lassen Reißzwecken erahnen, dass es dort mal weniger kahl ausgesehen haben muss. "Ich möchte mir auf jeden Fall noch Pflanzen besorgen. Und wir haben so schöne Fotos vom Jugendverband. Da will ich mir eines entwickeln und aufhängen und das Büro dann mit Leben füllen."

Ihr Vorgänger Ralf Kalich hat ihr das Büro in der vierten Etage und ein Retro-Radio hinterlassen. Er ist nicht wieder im Landtag.

Über Listenplatz 9 in den Landtag gewählt

In ihrem Wahlkreis Hildburghausen II/Sonneberg II gaben 2.724 Menschen Linda Stark die Erststimme - das sind 11,1 Prozent. Damit erhielt sie zwar deutlich weniger Stimmen als Wahlkreissiegerin Melanie Berger (AfD, 41,6 Prozent) und Henry Worm (CDU, 34,1 Prozent). Sie zog aber über den Listenplatz 9 der Linken in den Landtag.

Glücklich sei sie über das Ergebnis gewesen - und sie hatte dennoch Sorge vor den Reaktionen, auch aus den eigenen Reihen: "Ich dachte mir: Du bist jetzt hier die Neue, vielleicht denken Leute, du hast ihnen was weggenommen, weil wir ja Sitze verloren haben. Das war zum Glück überhaupt nicht so."

Man habe sie umarmt und ihr Hilfe angeboten. Weil sie eben vieles neu kennenlernen wird. Den Landtag oder die Arbeit dort kenne sie ganz gut, sagt sie, weil sie bereits für mehrere Abgeordnete gearbeitet habe - in Erfurt und auch in Wahlkreisbüros direkt vor Ort. Für die konstituierende Sitzung bekam sie vorher Hilfe von Parteikollegen. In dieser Sitzung kam ihr gleich eine wichtige Funktion zu. Gemeinsam mit dem 27-jährigen CDU-Abgeordneten Lennart Geibert wurde sie als Schriftführerin ernannt und rief mit ihm die Namen der Abgeordneten auf, um die Beschlussfähigkeit des Parlaments festzustellen und später zur Wahl des Landtagspräsidenten aufzufordern.

Schon zu Schulzeiten politisch aktiv

Linda Stark ist 2001 in Sonneberg geboren, in Neuhaus am Rennweg zur Schule gegangen und hat in Jena Politik und Geschichte studiert. Dort lebt sie auch aktuell.

Wir sind vor Zoos gefahren und haben demonstriert.

Linda Stark Thüringer Abgeordnete (Die Linke)

Schon in der Schulzeit sei sie politisch aktiv gewesen. Das habe 2015 angefangen, erinnert sie sich. "Wir sind vor Zoos gefahren und haben demonstriert", aber immer eher auf die kleinen Demos oder direkt dahin, wo was los ist, sagt sie - für Tierwohl und Frauenrechte, gegen Ausländerfeindlichkeit.

Erfurt sei damals noch weit weg gewesen - so als Kind vom Dorf. Doch mit dem Studium sei es ernsthaft geworden. Kein jugendlicher Krawall, sondern ernsthaftes Interesse an Politik. Und es entstand der Wille, selbst etwas einzubringen.

Seit 2019 ist sie Mitglied der Linken, "weil die als einzige Partei meine Sprache spricht". Im Jugendverband habe sie Freunde gefunden, die sie bis heute stützen.

Eine Frau schaut durch eine Scheibe in den Plenarsaal.
Es ist schon ein Unterschied, ob man die Landtagssitzungen nur beobachtet, oder Teil davon ist. Bildrechte: MDR/Louisa Krüger

Pendeln zwischen Landtag, Studienort und Heimat

Politik als solche statt auf Lehramt studieren? Genau die richtige Wahl und trotzdem weit weg von dem, wie Politik real abläuft, sagt Stark. Gerade schreibt die 23-Jährige ihre Bachelorarbeit und pendelt zwischen ihrem Wahlkreis Sonneberg, Hildburghausen, dem Landtag in Erfurt und ihrer Wohnung in Jena. Wie ihr das gelingt, das müsse sie jetzt ausprobieren. Sie kann sich aber auch einen Umzug nach Erfurt vorstellen.

Seit der Wahl habe sich nicht nur ihr Terminkalender gefüllt, sondern auch ihr Postfach. Unzählige Glückwünsche, mutmachende Nachrichten, aber auch negative Kommentare habe sie erhalten. Letzteres vor allem über ihr junges Alter oder ihr Aussehen. Doch das Positive überwiege. "Deswegen ist es mir egal, wer mich nicht ernst nimmt oder denkt, ich wäre viel zu jung."

Linda Stark in herzlicher Umarmung mit Bodo Ramelow
Ende April ist Linda Stark zur Jugendkandidatin der Linken gewählt worden. Bodo Ramelow gehörte zu den Gratulanten. Bildrechte: MDR/Die Linke Thüringen

Und sie sagt, ein Austausch zwischen Jung und Alt, zwischen Politikneulingen und alten Hasen, sei für die Politik essenziell. Weil junge Frauen eben ihre Probleme lieber jungen Frauen schildern als jemandem, der 50 Jahre älter ist.

"Bei jungen Frauen geht es oft um die Optik"

Auf Instagram schreibt ein User: "Oh man, das ist ja richtig schlimm mit dem Filter bei der Dame" und bezieht sich auf das Pressefoto von Linda Stark. Kommentare wie diese machen ihr wenig aus, sagt sie. Fremde Menschen würden sich bei jungen Frauen oft auf die Optik beziehen, das sei keine ernstzunehmende Kritik, die ihr persönlich zu schaffen mache.

Es müssten mehr Frauen in die Politik, sagt Stark. Männerdominiert ist der neue Thüringer Landtag. Unter 88 Abgeordneten sind nur 27 Frauen. Wozu das langfristig führen kann, erlebt auch sie immer wieder. "Wenn ich mit einem Mann, der so alt ist wie ich, irgendwo hinkomme, dann wird automatisch der Mann eher angesprochen und angeschaut", sagt sie. "Die sehen dich als Praktikantin und nicht als Mensch, der eine politische Meinung äußern darf."

Zuhören ist wichtiger als mit der eigenen Ansicht durchzupreschen.

Linda Stark Thüringer Abgeordnete (Die Linke)

Das habe sich mit der Wahl gewandelt. Vorher habe man ihr zwar auch Hallo gesagt, aber mittlerweile suchen die Menschen das Gespräch mit ihr, geben ihr die Hand. In ihrem Wahlkreis will sie Ansprechpartnerin für alle sein, in sämtlichen Belangen. "Zuhören ist wichtiger als mit der eigenen Ansicht durchzupreschen", sagt sie.

Während der vergangenen zwei Jahre im Wahlkampf habe sie erfahren, dass die Menschen auf dem Land schneller inhaltlich Probleme ansprechen und die Politik kritisch hinterfragen.

Eine Frau spricht auf einem Parteitag
Linda Stark spricht am liebsten frei. Das Spontane liegt ihr, sagt die junge Politikerin. Bildrechte: MDR/Die Linke Thüringen

Ansprechpartnerin sein in der Heimat

Regiomed, kaputte Straßen oder lange Arbeitswege - das seien einige der Themen, die die Menschen in ihrem Wahlkreis beschäftigen und zu denen sie einen Zugang habe, weil es ihr Zuhause ist. Dafür wollte sie unbedingt in ihrer Heimat antreten.

Ich mache das für die jungen Menschen, die keinen Glauben mehr in die Politik haben, weil sie sich nicht gesehen fühlen.

Linda Stark Thüringer Abgeordnete (Die Linke)

Für die kommenden Monate plant sie eine Tour durch Verbände ihres zukünftigen Arbeitsschwerpunktes in Kinder- und Jugendpolitik sowie Ausbildungspolitik. Ihren Hauptwohnsitz will die 23-Jährige weiterhin in Hasenthal haben.

Linda Stark in einem Innenhof, an einer Säule lehnend
Auch das Gelände und die Struktur des Landtags in Erfurt wollen erkundet werden. Bildrechte: MDR/Louisa Krüger

Warum sie in den Landtag wollte? "Ich mache das für die jungen Menschen, die keinen Glauben mehr in die Politik haben, weil sie sich nicht gesehen fühlen", sagt Linda Stark. Sie will Jugendliche an den Tisch holen und ihnen eine Stimme geben.

Ihre eigene wird sie irgendwann selbst im Plenum brauchen, wenn der Landtag seine reguläre Arbeit aufnimmt. Angst davor hat sie keine, eher Vorfreude. Gut vorbereiten will sie ihre erste Rede, aber nicht zu viel festlegen. "Das kann ich dann doch am besten, wenn es ein bisschen spontan ist."

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MDR (gh/ost)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 10. Oktober 2024 | 18:00 Uhr

258 Kommentare

DanielSBK vor 20 Wochen

Es ist mir als Steuerzahler(!) aber bestimmt nicht egal, was Frau Stark so den lieben langen Tag macht oder auf TikTok treibt; am Ende des Tages zählt die erbrachte Arbeitsleistung❗ ..... vielleicht kommt das bei einigen hier in deren "Bubble" nicht drin vor... bei mir schon!

Anita L. vor 20 Wochen

"dass es aus deren Sicht bei einer Landtagsabgeordneten offenbar überhaupt nicht darauf ankommt, ob eine fachliche Eignung oder Kompetenz für einen überdurchschnittlich bezahlten und verantwortungsvollen Job vorhanden ist"

Kann ich mal so eine Stellenanzeige für den Job lesen, über den wir hier reden? Es geht immer noch um gewählte Volksvertreter, oder?

"Da sollte man zum Beispiel wenigstens wissen, was eine Insolvenz ist"
Und dazu bedarf es eines Berufsabschlusses, um das Wissen nachzuweisen?

"was eine Insolvenz ist, wenn es ggf. der zuständige Wirtschaftsminister schon nicht weiß. Soll es ja geben oder gegeben haben"

Märchen werden keine Wahrheit, wenn man sie immer wieder erzählt. Auch das vom Wirtschaftsminister, der nicht wisse, was eine Insolvenz ist. Der Chef der DIW sollte es ja definitiv wissen und der hat Herrn Habecks Ausführungen entsprechend bestätigt.

Anita L. vor 20 Wochen

"es hätte einen so wohlmeinenden Artikel auch ggf. über ein AfD-Mitglied gegeben. Wie konnte ich nur zweifeln?"

Noch einmal: Der MDR oder welches Medium auch immer kann sich die wohlmeinenden Artikel nicht zusammenfantasieren. Herr Sesselmann, der Antworten verweigert, bekam den obligatorischen 100 Tage im Amt- Artikel trotzdem. Ein Herr Halemba hat seinen Artikel über das jüngste Mitglied in einem Landtag selbst versaut, ebenso Herr Treutler den über das älteste. Wenn Sie also - verständlicherweise - Zweifel hegen, dann zweifeln Sie bitte an der richtigen Seite: Der Bote ist immer nur der Bote, der die Geschichte weiterträgt.

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