Blick auf das Tor des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald.
Der letzte Tag der Konferenz über Kunst im Holocaust wurde in der Gedenkstätte Buchenwald abgehalten. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

"To tear these images from time" Kunst im Holocaust: Uni Jena versammelt internationale Forschende

12. Oktober 2023, 15:40 Uhr

Was zeigt die Kunst, die in Konzentrationslagern, Ghettos oder allgemein im Holocaust entstanden ist? Darüber haben an der Uni Jena 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus neun Ländern bei der ersten internationalen Tagung zu dem Thema diskutiert. Im Zentrum stand dabei die Frage, was diese Bilder über die Geschichte verraten und wie diese Arbeiten kunsthistorisch zu bewerten seien. Die Ergebnissen sollen auch in einem Buch zusammengefasst werden.

Die Schrecken des Holocausts lassen sich nur schwer in Worte fassen. Doch in den Lagern und Ghettos schufen verfolgte Menschen - oft unter Lebensgefahr - Bilder. Über diese Kunst ist vier Tage lang an der Universität Jena und in der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar diskutiert worden.

Erste Tagung über Kunst im Holocaust

"Das ist das erste Mal, dass eine solch internationale Konferenz zu dem Thema stattfindet", sagt Verena Krieger, die Organisatorin der Tagung "To tear these images from time" an der Uni Jena, im Gespräch mit MDR KULTUR.

Bisher sind laut der Wissenschaftlerin Kunstwerke, die in nationalsozialistischen Lagern entstanden sind, wissenschaftlich kaum erforscht worden. Grund dafür seien die unterschiedlichen Hintergründe der Werke, die teilweise von ausgebildeten Malern, teilweise von Kindern geschaffen wurden. "Da hat die Kunstgeschichte immer ein bisschen einen Bogen darum gemacht, mit wenigen Ausnahmen", erzählt Krieger.

Forschende aus neun Ländern in Jena

Eine dieser Ausnahmen sei Ziva Amishai-Maisels, die schon 1993 ein Buch zum Thema Holocaust und Kunst veröffentlichte, über das sie auch auf der Tagung sprach. Doch inzwischen wird laut Krieger auch in Polen, Frankreich oder den USA zum Thema gearbeitet. Das Ziel der Konferenz sei gewesen, diese Forschenden in Jena zusammen zu bringen.

Schwarz-Weiß-Zeichnung von mehreren verhärmten Figuren.
Die Zeichnung des ehemaligen Buchenwald-Gefangenen Boris Taslitzky wurde zum Titelbild der Konferenz in Jena. Bildrechte: VG Bildkunst

Dabei hatte auch der Angriff der Hamas im Gaza-Streifen Auswirkungen auf die Konferenz: Kollegen aus Israel konnten für ihre Vorträge nicht nach Jena reisen. "Umso beeindruckender finde ich, dass sie so tapfer sind und sagen, sie nehmen per Zoom teil", berichtet die Organisatorin Verena Krieger. Auch die Bilder der Angriffe waren auf der Tagung präsent, in der es auch um Gewalt gegen jüdische Menschen ging: "Es geht uns allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern so, dass wir sehr schockiert sind und dieser Vergleich sich aufdrängt", so Krieger.

Teilnehmende der Tagung "To tear these images from time" stehen für ein Gruppenbild vor einem Gebäude der Uni Jena.
Forschende aus aller Welt haben an der Tagung an der Uni Jena und der Gedenkstätte Buchenwald teilgenommen. Bildrechte: Alan Bade

Kunst unter harten Bedingungen

Dass in den Lagern und Ghettos überhaupt Kunst entstand, sei ein Wunder, meint Verena Krieger: "Die Nazis haben versucht, den Menschen alles zu nehmen, ihre Würde, ihre Identität, ihre Individualität und auch alles, was sie an Ausdrucksmöglichkeiten hatten." So seien Künstlern beispielsweise ihre Arbeitsmittel genommen worden.

Es ist zwar laut Krieger auch vorgekommen, dass SS-Männer Bilder für Vergünstigungen sozusagen in Auftrag gegeben haben. Doch meistens hätten die Menschen heimlich gemalt. Dafür nutzten sie Papiermüll oder sie klauten Materialien aus den Verwaltungsräumen.

Innenansicht einer Häftlingsbaracke in Buchenwald: Mehrere Menschen liegen in einem Holzgestellt.
Die Nazis haben versucht bestimmten Menschen in den Lagern ihre Menschlichkeit zu nehmen. Bildrechte: imago/StockTrek Images

Die so entstandenen Bilder können als wichtige historische Dokumente verstanden werden, die mehr über das Leben im Lager zeigen. "Andererseits gibt es aber auch Kunst im Zusammenhang mit dem Holocaust als ein Mittel des Überlebens, als ein Mittel der Selbstachtung, die eigene Würde zu bewahren, sich am Leben zu halten, auch andere zu unterstützen."

Kunst zu schaffen bedeutet immer auch, sich als Mensch zu fühlen, ein kulturelles Wesen zu sein.

Verena Krieger, Kunsthistorikerin an der Uni Jena

Porträt-Gemälde hängen in einer Ausstellung an einer Wand.
In der Tagung in Jena ging auch um die Werke von Sara Gliksman-Fajtlowicz, die unter anderem in Berlin gezeigt wurden. Bildrechte: picture alliance / AP Photo | Michael Sohn

20.000 bis 50.000 Bilder überliefert

Viele dieser Werke seien in den Lagern versteckt und so für die Nachwelt erhalten worden. Wirklich erfasst wurde diese Kunst bisher noch nicht. Wie Verena Krieger erzählt, befinden sich in Yad Vashem in Israel oder im Holocaust Memorial in Washington zahlreiche solcher Arbeiten. Auch in Gedenkstätten wie in Buchenwald würden Bilder im Depot gelagert. Die Menge könne bisher aber nur geschätzt werden - auf eine Zahl zwischen 20.000 und 50.000 Bilder.

Bei der Tagung in Jena wurden einige Werke vorgestellt und der Umgang mit diesen Arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg nachvollzogen. Die besondere Herausforderung liegt laut der Organisatorin vor allem darin, dass diese Werke immer mit dem geschichtlichen Hintergrund analysiert werden müssten. Um die weitere Aufarbeitung zu fördern, soll bis Ende 2024 ein englischsprachiges Buch über die Tagung entstehen.

Quelle: MDR KULTUR (Vladimir Balzer, Pia Uffelmann), Friedrich-Schiller-Universität Jena
Redaktionelle Bearbeitung: tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 11. Oktober 2023 | 07:10 Uhr

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