Ein Mann sitzt in einem Rollstuhl an seinem Arbeitsplatz am Schreibtisch. 4 min
Audio: In den Urteilen der Woche geht es auch um die Frage, ob Kirchen Behinderte zum Vorstellungsgespräch einladen müssen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Stefan Puchner

Urteile der Woche Facebook muss alle Falschzitate von Grünen-Politikerin Künast löschen

27. Januar 2024, 10:12 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Facebook muss rechtsverletzende Posts gegen Grünen-Politikerin löschen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Aktenzeichen: 16 U 65/22)

Müssen soziale Netzwerke ehrverletzende Posts grundsätzlich löschen, auch dann, wenn sie in ähnlicher Form mehrfach wiederholt werden? Das ist eine der Fragen im Rechtsstreit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast gegen den Facebook-Konzern Meta. Fälschlicherweise hatte man in verschiedenen Beiträgen Künast folgendes Zitat zugeschrieben: "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal Türkisch lernen!". Das Landgericht Frankfurt hatte Meta im April 2022 verpflichtet, identische oder ähnliche Inhalte auf der Plattform zu löschen. Außerdem sollte der Konzern eine Entschädigung von 10.000 Euro zahlen.

Über die Berufung entschied nun das Oberlandesgericht Frankfurt am Main: "Das Falschzitat stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Der Facebook-Betreiber Meta haftet hier auch deshalb, weil er es unterließ, alle weiteren identischen oder ähnlichen Posts zu löschen. Denn diese Pflicht gilt auch für sinngleiche Mitteilungen, die ganz oder teilweise Gegenstand einer neuen Äußerung sind. Eine menschliche Einzelfallbewertung ist hier in Kombination mit technischen Verfahren für einen Plattformbetreiber zumutbar."

Eine Geldentschädigung gibt es aber nicht. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde eine Revision zugelassen.


Kirchen müssen behinderte Stellenbewerber nicht einladen

Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen: 8 AZR 318/22)

Thoralf Thormann* bewirbt sich für eine Vollzeitstelle in der Finanzbuchhaltung. Die entsprechende Stellenausschreibung hat ein Kirchenkreis der Evangelische Kirche ins Netz gestellt. In der Bewerbung weist Herr Thormann auf seine Qualifikation als Großhandelskaufmann hin und auf den Grad seiner Schwerbehinderung. Vom Kirchenkreis erhält er allerdings eine Absage, auch eine Einladung zum Vorstellungsgespräch gibt es nicht. Herr Thormann empfindet das als diskriminierend wegen seiner Behinderung. Er verlangt vom Kirchenkreis entschädigt zu werden mit 7.500 Euro. Dabei beruft er sich auf eine gesetzliche Verpflichtung: Öffentliche Arbeitgeber seien verpflichtet, schwerbehinderte Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen.

Am Bundesarbeitsgericht urteilte man letztlich wie folgt: "Kirchliche Arbeitgeber wie die Evangelische Kirche nehmen keine staatlichen Aufgaben wahr und sind deshalb auch keine öffentlichen Arbeitgeber. Bei Stellenausschreibungen müssen gleich geeignete schwerbehinderte Bewerber und Bewerberinnen nicht zwingend zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Nur für öffentliche Arbeitgeber besteht diese gesetzliche Verpflichtung." Herrn Thormann steht hier keine Entschädigung zu.


Pauschale Entschädigung für Flugverspätung nur bei Auftauchen am Flughafen

Europäischer Gerichtshof (Aktenzeichen: C-474/22 und C-54/23)

Paolo Palmenwind hat einen Flug nach Palma de Mallorca gebucht. Dort muss er einen wichtigen Geschäftstermin wahrnehmen. Allerdings erhält er die Nachricht, dass sich der Flug stark verspäten wird. Deshalb erscheint er erst gar nicht zur Abfertigung. Er geht davon aus, dass er den Geschäftstermin ohnehin nicht mehr erreichen wird. Der Flug geht dann auch dreieinhalb Stunden später als ursprünglich vorgesehen. Nun möchte er 250 Euro Ausgleichszahlung haben. Die steht nach der europäischen Fluggastrechteverordnung einem Passagier zu, wenn sein Flug auf einer Kurzstrecke mindestens drei Stunden Verspätung hat.

Der Europäische Gerichtshof fällte hier eine klare Entscheidung: "Ein Passagier ist nicht von der Pflicht befreit, sich an der Abfertigung einzufinden, auch wenn sein Flug verspätet ist. Denn hier sollte der verspätete Flug trotzdem stattfinden. Wenn sich der Passagier gar nicht erst zum Flughafen begibt, hat er keinen irreversiblen Zeitverlust erlitten. Ein verpasster Geschäftstermin ist ein individueller Schaden, der nach nationalem Recht über einen Schadenersatz ausgeglichen werden kann."

Darüber muss nun der Bundesgerichtshof entscheiden, er ist an die Rechtsauffassung des EuGH gebunden.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 27. Januar 2024 | 08:20 Uhr

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