DNA-Moleküle, die sich teilt
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Chemische Evolution Wie und wo ist eigentlich das Leben auf der Erde entstanden?

25. Mai 2023, 17:05 Uhr

Leben gibt es auf der Erde in Hülle und Fülle. Doch wie ist es entstanden? Und vor allem wo? Kommt das Leben aus dem Weltall? Ist es durch rauchende Schlote am Meeresboden entstanden? Verdanken wir Vulkanen die Formung erster Moleküle? Oder müssen wir in Spalten am Meeresboden nach den passenden Antworten suchen? MDR WISSEN lädt Sie auf eine Reise zum Ursprung des Lebens ein. Dabei gibt es nicht nur etwas zu lesen, sondern auch unseren Podcast "Die großen Fragen in zehn Minuten" zu hören.

Heute geht es nicht darum, einen Frosch oder ein Schweineherz zu sezieren, um das komplexe Leben zu verstehen. Es geht auch nicht um die biologische Evolution. Es geht um chemische Verbindungen, die irgendwann einmal das Leben, wie wir es kennen, möglich gemacht haben. Es geht um die Fragen: Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? Und wo finden wir die Anfänge der Urform des irdischen Lebens?

Dafür müssen wir die Uhr zurückdrehen. Reisen wir zunächst 4,6 Milliarden Jahre zurück in der Zeit zu dem Zeitpunkt, an dem unsere Sonne entstanden ist. Wo genau im Universum sie entstand, können Astronomen und Astrophysikerinnen heute leider nicht mehr beantworten. Sie sind sich jedoch sicher, dass die Sonne gemeinsam mit vielen anderen Sternen in einer gigantischen Gas- und Staubwolke geboren wurde. 

Die Entstehung der Erde

Wenige Hundert Millionen Jahre darauf nahmen die ersten Planeten ihre Gestalt an, darunter auch unsere Erde – zumindest ihr Prototyp. Die junge Erde ist nämlich mit einem anderen Protoplaneten zusammengestoßen: Theia. Aus dieser Kollision soll unser Mond entstanden sein. Und die nötige Zeit zur Entstehung von Leben verdanken wir unseren Nachbarn im Sonnensystem, auch den entfernten. Denn die Gasriesen Jupiter und Saturn zerren genauso an der Erde wie die Sonne mit ihren Gravitationskräften. Der Mond sorgt dafür, dass sich die Neigung der Erde nicht andauernd ändert und damit neue Hitzewellen oder Eiszeiten auslöst. 

Impakt von Protoplanet Theia auf Protoerde Gaia
Impakt von Protoplanet Theia auf Protoerde Gaia Bildrechte: imago/Science Photo Library

Als das Sonnensystem etwa 600 Millionen Jahre alt war, soll ein spätes schweres Bombardement (Late Heavy Bombardment, LHB) von einer unverhältnismäßig großen Anzahl von Asteroiden die inneren Gesteinsplaneten getroffen haben.

Auf der Erde können wir zwar keine Überreste davon mehr erkennen, doch anhand der Analyse von Mondgestein fand dieser Asteroiden-Hagel wohl vor 3,95 Milliarden Jahren statt. Forschende vermuten, dass sich dadurch die Entstehung von Leben auf der Erde verzögert hat. Jedoch zweifeln immer mehr Wissenschaftler und Forscherinnen diese Hypothese an. Die meisten Asteroiden seien wohl um die 100 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems eingeschlagen. 

Woher kommt das ganze Wasser auf der Erde?

Aufschluss über die Anfänge unseres Sonnensystems können uns heute noch Asteroiden und Kometen liefern. Im Asteroidengürtel zwischen Jupiter und Mars befinden sich einige von ihnen und kürzlich wurden auch besonders wasserreiche Klassen von Kometen und Asteroiden unter ihnen entdeckt. Mit der Raumfahrtmission Hayabusa-2 hatten japanische Forschende Material vom Asteroiden Ryugu zur Erde gebracht. Darunter fanden sie auch organisches Material. Daraus schlossen sie, dass kohlenstoffhaltige Stoffe vermutlich mit Asteroiden aus dem äußeren Sonnensystem zur Erde gelangt sind. 

Der Asteroid Ryugu
Der Asteroid Ryugu. Bildrechte: JAXA, University of Tokyo, Kochi University, Rikkyo University, Nagoya University, Chiba Institute of Technology, Meiji University, University of Aizu and AIST.University of Aizu, Kobe University, Auburn University,

Das erste Wasser soll wohl in Form von Staubkörnern auf die Erde geregnet sein. Die Sonnenwinde transportieren durch das Weltall ständig Wasserstoff- und Helium-Ionen – also elektrisch geladene Atome oder Moleküle. Gemeinsam mit anderen Molekülen haben ihre geladenen Teilchen wohl die flüssige Lebensquelle erzeugt. Und in genau diesem Wasser spielt sich die Geschichte der Entstehung von Leben ab. 

Vulkane, Meteoriten – Wie sind die Moleküle entstanden?

Die Vorläufer der Moleküle, die unsere Leben ermöglichen, können vor 4,4 Milliarden Jahren durch chemische Reaktionen entstanden sein. Dafür brauchte es eisenhaltige Partikel, die entweder aus dem All mit Meteoriten kamen oder aus dem Erdinneren von Vulkanen ausgespuckt wurden. Organische Moleküle wie Kohlenwasserstoffe, Aldehyde und Alkohole sind somit entweder durch Reaktionen in der frühen Erdatmosphäre und den Ozeanen erzeugt worden oder kamen als Begleiter mit Kometen und Asteroiden auf die Erde. 

Forschende von der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg wollten herausfinden, ob die Umwandlung von atmosphärischem Kohlendioxid die Vorstufen organischer Moleküle auf der frühen Erde gefördert hat. Dafür simulierten sie eine Reihe von Bedingungen, die auf der frühen Erde herrschten. Zudem ahmten sie die Ablagerung von Meteoriten- oder Aschepartikeln auf Vulkaninseln nach. 

Illustration - Vulkanausbruch von 500 Millionen Jahren.
Illustration - Vulkanausbruch von 500 Millionen Jahren. Bildrechte: imago/StockTrek Images

Aldehyde und Alkohole bildeten sich bereits bei niedrigeren Temperaturen. Laut den Forschenden könnte die Abkühlung der frühen Erdatmosphäre im Laufe der Zeit die Produktion von Alkoholen und Aldehyden begünstigt haben. Eisenhaltige Partikel aus Meteoriten und Vulkanasche sollen auch bei der Umwandlung von Kohlendioxid in Kohlenwasserstoffe geholfen haben. Wobei sich die Kohlenwasserstoffe erst bei einer Temperatur von 300 Grad Celsius bildeten.

Bis zu 600.000 Tonnen organischer Vorläufer bildeten sich womöglich jährlich auf der frühen Erde, bevor die ersten Moleküle entstanden. Nach den Kohlenwasserstoffen, Alkoholen und Aldehyden könnten dann weitere Reaktionen zu neuen Verbindungen geführt haben. Diese brachten möglicherweise Kohlenhydrate, Lipide, Zucker, Aminosäuren, DNA und RNA hervor.

Der Tanz der Moleküle – aus Chaos entstanden

Den Ursprung des Lebens verdanken wir daher Gasen. Aus Sternenstaub – wie es oft heißt – sind wir nicht entstanden, schlussfolgert auch der emeritierte Professor für Allgemeine Geologie Ulrich Schreiber. Gelehrt hatte er an Universität Duisburg-Essen, wo er mit seinen Kolleginnen und Kollegen an einem Modell zur Entstehung von Leben innerhalb kontinentaler Bruchzonen der jungen Erdkruste geforscht hatte.

"Wir bestehen aus Sternengas, weil die Hauptkomponenten, aus denen wir bestehen – Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff –, gasförmig sind. Und diese Gase können aus der Erdkruste kommen. Das wäre ein geeigneter Ort, weil alle Rohstoffe, die wir [für die Entstehung von Leben] benötigen, dort bereits vorhanden sind", erklärt Schreiber in der aktuellen Folge vom MDR WISSEN Podcast "Die Großen Fragen in zehn Minuten". 

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Leben kann nämlich nicht in der puren Ordnung entsteht, sondern im Chaos. Der Entstehungsort für Leben "muss fernab jeglichen Gleichgewichtszustand sein", erörtert der Evolutionsbiologe Aleksandar Janjic von der Technischen Universität München. "Im Gleichgewicht ist schon alles passiert. Alle chemischen Reaktionen, die miteinander reagiert haben, sind vorüber. Das Leben ist genau das Gegenteil: Da passiert ständig etwas, da reibt etwas aneinander, ständig entstehen neue Reaktionsmuster." 

Unter Wasser: Raucher als Entstehungsort des (interstellaren) Lebens?

Das System, in dem Leben entstehen kann, muss sehr turbulent sein und das thermodynamische Gleichgewicht muss durch Materie- und Energieaustausch ständig gebrochen werden. Deswegen vermuten manche Forschende, dass die schwarzen und weißen Raucher auf den Meeresböden die idealen Orte für die Entstehung der ersten Lebewesen sein können. 

Schwarzer Raucher einer hydrothermalen Quelle
Schwarzer Raucher einer hydrothermalen Quelle Bildrechte: IMAGO / UIG

Solche Unterwassergeysire werden auch auf einigen Eismonden in unserem Sonnensystem vermutet. Beispielsweise beim Saturnmond Enceladus, bei dem die Raumsonde Cassini bei einem Vorbeiflug und dem Ausbruch eines Geysirs feine kleinste Teilchen analysiert hatte. Zudem hoffen Forschende auch auf den Monden des Jupiters Erstaunliches zu entdecken. Mit der Juice-Mission der Esa wollen sie zwar nicht nach Leben suchen, jedoch herausfinden, wie realistisch die Hypothese sei, dass abseits der bewohnbaren Zone in unserem Sonnensystem – sie erstreckt sich von der Umlaufbahn der Venus bis zum Mars – Leben entstehen könnte.  

Die Raumsonde (oben) fliegt durch die Fontänen der Enceladus-Geysir. Der Mond befindet sich großflächig in der unteren Bildhälfte.
Die Raumsonde (oben) fliegt durch die Fontänen der Enceladus-Geysir. Der Mond befindet sich großflächig in der unteren Bildhälfte. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech

Für Schreiber kommen diese Raucher auf den Meeresböden jedoch nicht infrage: "Die haben eine sehr, sehr starke Verdünnung, die praktisch keine Konzentrationsmöglichkeiten gibt. Die Langlebigkeit dieser schwarzen Raucher ist nicht hoch genug – die sind nach wenigen Tausend Jahren wieder weg." Leben ist bekanntlich über einen viel längeren Zeitraum hinweg entstanden. 

Die Erdkruste sei dafür laut Schreiber ein idealer Ort, beispielsweise das Innere einer Erdspalte am Meeresboden. Dort gibt es keine Verdünnung, wenig Strömung und sie hält ewig. Warme Gase strömen nach oben – Schwefel, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff – und alles kommt zusammen, was miteinander eine Verbindung eingehen kann. 

Die chemische Evolution im vollen Gange

Dort unten passiert einiges und die Evolution kann von Mutter Natur vorangetrieben werden. Jedoch nicht die biologische Evolution, wie wir sie von Charles Darwin kennen, sondern die chemische Evolution. Alles ist in Bewegung und verändert sich ständig.

Meeresboden aus Gestein, Sand, sandartigen Sedimenten und Algen in flachem Gewässer mit türkisblauem Wasser. Weitwinkelblick.
Meeresboden aus Gestein, Sand, sandartigen Sedimenten und Algen in flachem Gewässer mit türkisblauem Wasser. Weitwinkelblick. Bildrechte: imago images/Nature Picture Library

Egal wie lange eine chemische Verbindung hält: Nichts ist für die Ewigkeit. Doch in der RNA werden – wie bei einem Zahlencode – Informationen gespeichert. Und die RNA machte nichts lieber, als zu kopieren, zunächst sich selbst und später erstellte sie auch Duplikate von Molekülen, in denen chemische Verbindungen gespeichert waren.

Die Strukturen wurden immer komplexer und es entstanden neue Andockstellen für weitere Verbindungen. "Wenn Sie das über Millionen von Jahren hochrechnen, kamen Moleküle dazu, die Funktionen einnehmen konnten und gleichzeitig eine RNA" als Speichermedium bildeten, sagt Schreiber. Damit Leben entstehen kann "muss dafür gesorgt werden, dass die Ketten in gleicher Form nachgebildet werden" kann. 

Diese RNA, die einfache Form unseres Erbguts der DNA, entstanden wohl überall auf der Erde unabhängig voneinander. Ob sie der einzige Mechanismus war, der zu Leben geführt hat, können Forschende heute (noch) nicht beantworten. Dafür müssen sie wohl weiter in die Ritzen unserer Erdkruste schauen. 

Links/Studien

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Ansicht des Mondes mit einer reliefartigen Struktur der Zahl 10. 12 min
Was wissen wir über den Mond? Bildrechte: MDR

Dieses Thema im Programm: MDR+ | Podcast Große Fragen | 24. Mai 2023 | 12:00 Uhr