Oma, Mutter und Kind lesen ein Buch.
Beim Thema Erbe sind Verwandschaftsgrade ausschlaggebend. Sie stehen oft noch über dem Willen des Verstorbenen. Bildrechte: IMAGO / Zoonar

Testament Die größten Irrtümer rund ums Erben

27. Juli 2023, 08:49 Uhr

Jeder kann frei bestimmen, wer sein Erbe antritt! Bei kinderlosen Ehen ist ein Testament überflüssig, da der Überlebende ohnehin alles automatisch erbt! Um seine Erbmasse zu mindern, empfiehlt es sich, das Vermögen noch zu Lebzeiten an den Ehepartner zu verschenken. Falsch! All das sind Irrtümer, die Betroffenen richtig teuer zu stehen kommen können. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Erbrecht hat Rechtsexperte Gilbert Häfner, ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichts Dresden.

MDR um 4 Rechtsexperte Gilbert Häfner, Experte zum Thema "Alles rechtens?".
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Seit Jahren lebt eine alte Frau allein. Ihr einziger Freund ist ihr Hund. Nun erwägt sie, ihr ganzes Vermögen dem Vierbeiner zu vermachen. Können Tiere erben?

Zum Erben kann nur eine Person bestimmt werden. Das muss nicht unbedingt ein Mensch (natürliche Person) sein, vielmehr können auch juristische Personen, wie etwa ein Verein, die Kirche, eine Aktiengesellschaft oder eine Stadt, als Erben eingesetzt werden. Ein Tier wird hingegen im Rechtsverkehr wie eine Sache behandelt (§ 90a BGB); es kann somit nicht erben, sondern als Bestandteil des Vermögens einer Person lediglich vererbt werden.

Testamente, in denen der Verstorbene – das Gesetz bezeichnet ihn als Erblasser – sein Vermögen allgemein "den Tieren" oder "dem Tierschutz" zugewendet hat, sind von Gerichten dahin ausgelegt worden, dass der örtliche Tierschutzverein als Erbe eingesetzt worden ist.

Wie kann ein Tierhalter dafür Sorge tragen, dass es seinem geliebten Tier auch nach dem eigenen Tod gut gehen wird?

Der Tierhalter kann ein Testament errichten, in dem er dem Erben die Versorgung des Tieres zur Auflage macht. Setzt er mehrere Personen zu Erben ein, kann er durch Teilungsanordnung bestimmen, dass nur eine dieser Personen Eigentümer des Tieres werden soll. Der Tierhalter kann in dem Testament das Tier aber auch im Wege eines Vermächtnisses einer anderen Person als den Erben zuwenden und dabei dem Vermächtnisnehmer eine Auflage zur Versorgung des Tieres erteilen. In diesem Fall wachen die Erben über die Erfüllung der Auflage.

Wer erbt, wenn es kein Testament gibt?

Ist die Erbfolge nicht durch ein Testament (oder einen Erbvertrag) geregelt, so tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Begünstigt sind insoweit der Ehegatte und die Verwandten des Erblassers. Dabei sind die Verwandten in Erben unterschiedlicher Ordnung eingeteilt. Zur 1. Ordnung gehören die Abkömmlinge des Verstorbenen (Kinder, Enkel, Urenkel etc.). Ist ein Erbe der 1. Ordnung vorhanden, so kommen die Erben der 2. oder noch entfernteren Ordnung (etwa die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge) nicht zum Zuge.

Bei den gesetzlichen Erben 1. Ordnung schließt ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling (Sohn oder Tochter) die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (Enkel und Urenkel) von der Erbfolge aus. An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (so genannte Erbfolge nach Stämmen). Kinder, auch innerhalb eines Stamms, erben zu gleichen Teilen.

Beispiel Der Erblasser hinterlässt einen Sohn, der wiederum zwei eigene Kinder hat. Der Erblasser hatte ferner eine Tochter, die bereits vor ihm verstorben war und zwei – zur Zeit des Todes des Erblassers noch lebende – Kinder hinterlassen hat. Bei dieser Konstellation erbt der Sohn des Erblassers zur Hälfte, die andere Hälfte des Nachlasses verteilt sich zu je ½ auf die beiden Kinder der verstorbenen Tochter des Erblassers. Demgegenüber gehen die Kinder des lebenden Sohnes des Erblassers bei dem Erbfall leer aus.

In welchem Umfang erbt nach der gesetzlichen Erbfolge der Ehegatte des Verstorbenen neben dessen Kindern, und was gilt, wenn der Verstorbene keine Kinder hatte?

Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist – zunächst unabhängig vom ehelichen Güterstand – neben Abkömmlingen zu ¼ gesetzlicher Erbe. Gibt es keine Abkömmlinge, so erbt der Ehegatte neben Verwandten der 2. Ordnung sowie neben Großeltern zu ½. Haben die Eheleute, wie es die Regel ist, im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, so erhöht sich der genannte Erbteil um ¼, also neben leiblichen Kindern auf ½ und in der anderen Variante auf ¾.

Kann es passieren, dass auch der geschiedene Ehegatte des Verstorbenen diesen beerbt?

Nach einer Trennung endet das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten nicht erst durch die Scheidung, sondern bereits dann, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte (§ 1933 BGB). Ein geschiedener Ehegatte kann aber unter Umständen mittelbar in den Genuss der Erbschaft kommen. Solches passiert etwa, wenn die geschiedenen Ehegatten ein einziges Kind haben und dieses, nachdem es als Abkömmling den verstorbenen Elternteil beerbt hat, verstirbt, ohne eigene Abkömmlinge zu hinterlassen. In diesem Fall "wandert" das Vermögen des verstorbenen geschiedenen Ehegatten über das hiernach verstorbene gemeinsame Kind an den überlebenden geschiedenen Ehegatten. 

Kann man mittels Testament ein eigenes Kind dergestalt enterben, dass es im Erbfall gänzlich leer ausgeht?

Grundsätzlich ist man frei bei der Bestimmung der Personen, die Erben werden sollen (so genannte Testierfreiheit, §  1937 BGB). Eigene Kinder können daher durch Testament von der Erbenstellung ausgeschlossen werden. Allerdings sichert das Gesetz den Abkömmlingen (ebenso wie dem Ehegatten oder den Eltern des Erblassers, wenn diese ohne testamentarische Verfügung gesetzliche Erben gewesen wären) den so genannten Pflichtteil zu (§ 2303 BGB). Die Pflichtteilsberechtigten haben danach gegen den oder die testamentarisch eingesetzten Erben einen Anspruch auf Geldzahlung in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

Kann der Erblasser den Pflichtteilsanspruch dadurch ins Leere laufen lassen, dass er zu Lebzeiten wesentliche Teile seines Vermögens verschenkt?

Der Pflichtteil genießt einen starken gesetzlichen Schutz. Der Pflichtteilsberechtigte partizipiert sogar an Schenkungen, die der Erblasser weniger als zehn Jahre vor seinem Tod einem anderen zugewendet hat. Als Ergänzung seines Pflichtteils kann der Berechtigte den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird (§ 2325 Abs. 1 BGB). Dabei wird die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Dieser so genannte Pflichtteilsergänzungsanspruch richtet sich grundsätzlich gegen den Erben. In Ausnahmefällen, etwa wenn das Erbe nicht ausreicht oder der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt ist, kann der Beschenkte in Anspruch genommen werden (§§ 2329, 2326 BGB).

Beispiel Der Erblasser verfügte ursprünglich über ein Vermögen von 100.000 Euro, von dem er ein Jahr vor seinem Tod 75.000 Euro an seine nichteheliche Lebensgefährtin verschenkte. Das dem Erblasser verbliebene Vermögen von 25.000 Euro erbt dessen einziges Kind als gesetzlicher Erbe allein. Zur Ergänzung des Pflichtteils dieses Kindes muss ihm die nichteheliche Lebensgefährtin des Erblassers aus dessen Schenkung 25.000 Euro herausgeben, so dass es unter Einrechnung des ererbten Betrages von ebenfalls 25.000 Euro insgesamt 50.000 Euro und damit die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils erhält, welcher für das Kind als Alleinerben ohne die Schenkung 100.000 Euro betragen hätte.

Variante: Liegt die Schenkung an die nichteheliche Lebensgefährtin des Erblassers zur Zeit seines Todes bereits nahezu fünf Jahre zurück, muss die nichteheliche Lebensgefährtin lediglich 10.000 Euro herausgeben. Denn die Schenkung ist dann nur noch mit 6/10, mithin einem Betrag von 45.000 Euro zu berücksichtigen, wodurch sich der Wert des Nachlasses auf 70.000 Euro (25.000 Euro + 45.000 Euro) erhöhen und der Pflichtteil sich auf 35.000 Euro (70.000 Euro x 1/2) belaufen würde. Die Differenz zwischen diesem Pflichtteil und dem geerbten Betrag von 25.000 Euro beträgt 10.000 Euro.

Lastet der Pflichtteilsergänzungsanspruch auch auf Schenkungen, die der Erblasser seinem Ehepartner gemacht hat?

Auch der Ehegatte ist bei einer Schenkung dem Pflichtteilsergänzungsanspruch der Abkömmlinge des Schenkers ausgesetzt. Er ist sogar schlechter gestellt als andere Zuwendungsempfänger, weil die zehnjährige Frist nicht vor der Auflösung der Ehe beginnt. Daher können Ehegatten durch gegenseitige Schenkungen den Pflichtteil der Kinder praktisch nicht beschränken.

Beispiel Der Erblasser verfügte ursprünglich über ein Vermögen von 100.000 Euro, das er zwölf Jahre vor seinem Tod im Ganzen an seine mit ihm im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebende Ehefrau verschenkte. Der deshalb bei seinem Tod vermögenslose Erblasser wird kraft Gesetzes von seiner Ehefrau und seinem einzigen Kind zu je ½ beerbt. Das mangels Nachlasses leer ausgehende Kind kann zur Ergänzung seines Pflichtteils von der Ehefrau aus der Schenkung 25.000 Euro heraus verlangen, damit es die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils erhält, welcher für das Kind als Erben ohne die Schenkung 50.000 Euro (100.000 Euro x ½) betragen hätte.

Worauf ist bei der Abfassung eines Testaments zu achten?

Ein privates Testament ist nur wirksam, wenn bestimmte Formerfordernisse beachtet werden (§ 2247 BGB): Es muss von demjenigen, der damit über sein Vermögen für den eigenen Todesfall verfügen will, vollständig handgeschrieben und unterschrieben sein. Ist das Testament mit der Schreibmaschine oder am Computer geschrieben oder fehlt die Unterschrift, so ist es insgesamt unwirksam; das hat zur Folge, dass die gesetzliche Erbfolge eingreift. Die Unterschrift muss den Text auch räumlich abdecken und ihn deshalb abschließen. Dringend zu empfehlen ist die Angabe von Zeit und Ort der Niederschrift im Testament. Da ein neues das alte Testament ganz oder teilweise aufheben kann, kann man nur auf diese Weise einfach und zuverlässig ermitteln, welches das jüngere von beiden oder das jüngste von mehreren ist.

Inhaltlich muss das Testament vor allem erkennen lassen, welche Person das vorhandene Vermögen – gegebenenfalls zu einem bestimmten Bruchteil neben anderen – als Ganzes erhalten und damit Erbe werden soll. Bei Ehepaaren ist auch ein gemeinschaftliches Testament zulässig. In diesem Falle müssen beide das von einem der Ehegatten eigenhändig verfasste Testament unterschreiben.

Wichtig zu wissen: Totenfürsorge Die sogenannte Totenfürsorge, also das Recht, aber auch die Pflicht, für die Bestattung des Leichnams zu sorgen und die Kosten zu tragen, trifft nicht immer den oder die Erben. Der Verstorbene kann die Totenfürsorge auch jemand anderem übertragen. Gibt es keine Bestimmung des Verstorbenen, dann gilt sein mutmaßlicher Wille und hilfsweise die Regelungen der Bestattungsgesetze. Danach sind in erster Linie der Ehegatte und danach die Kinder des Verstorbenen zur Totenfürsorge berufen. Gibt es die nicht, dann kommen die weiteren Verwandten in gerader Linie (z. B. Enkel) und sodann die nächsten Seitenverwandten (z. B. Onkel, Tanten) zum Zug.

Kann man durch das Testament einzelne Gegenstände an verschiedene Personen vererben?

Der Erblasser hat zum einen die Möglichkeit, im Testament mehrere Personen als Erben einzusetzen und dabei durch Teilungsanordnung über die Aufteilung des Nachlasses unter den Erben zu bestimmen (§ 2048 Satz 1 BGB). Zum anderen kann der Erblasser durch das Testament eine Person oder mehrere Personen als Erben einsetzen und dabei den bzw. die Erben im Wege eines Vermächtnisses verpflichten, einzelne Nachlassgegenstände einem oder mehreren Dritten zu überlassen (§§ 2147 ff. BGB). Ein solcher Dritter ist dann also kein Erbe, sondern Vermächtnisnehmer.

Wichtig ist, dass der Erblasser im Testament klar zum Ausdruck bringt, für welche Alternative er sich entschieden hat. Fehlt es an einer solchen Klarstellung und sind einer Person nur einzelne Vermögensgegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll; dies gilt sogar, wenn diese Person im Testament als Erbe bezeichnet ist (§ 2087 Abs. 2 BGB).

Wo bewahrt man sein Testament am besten auf?

Ein Testament kann zu Hause aufbewahrt werden, allerdings besteht in diesem Fall unter Umständen die Gefahr, dass es nach Eintritt des Todes nicht gefunden oder mit einem früheren Testament verwechselt wird oder sogar in falsche Hände gelangt. Daher sollte man erwägen, das Testament in amtliche Verwahrung zu geben. Das kann man beim zuständigen Amtsgericht tun. Im Sterbefall erhält dann das zuständige Nachlassgericht vom Zentralen Testamentsregister eine Information, ob und welche Verfügungen von Todes wegen zu beachten sind.

Das Leipziger Amtsgericht in der Bernhard Göring Straße (Südvorstadt).
Beim Amtsgericht kann man zu Lebzeiten sein Testament sicher verwahren lassen. Bildrechte: imago/Christian Grube

Kann man ein Testament auch dann widerrufen, wenn es bei einem Notar errichtet worden ist?

Ein privatschriftliches Testament einer Einzelperson kann ohne weiteres widerrufen werden, am besten dadurch, dass es vernichtet wird. Hierdurch wird späterer Streit, welches von mehreren Testamenten das jüngste und damit gültige ist, vermieden. Man kann aber auch durch Streichen oder einen Vermerk "ungültig" – jeweils mit Unterschrift versehen – wirksam zum Ausdruck bringen, dass das Testament keine Gültigkeit mehr besitzen soll.

Ein notarielles Testament kann dadurch widerrufen werden, dass man es aus der amtlichen Verwahrung nimmt. Zu beachten ist ferner, dass jedes Testament durch das Verfassen eines formwirksamen neuen Testaments automatisch seine Gültigkeit verliert. Auf diese Weise kann also auch ein hochkompliziertes notarielles Testament, welches sich in amtlicher Verwahrung befindet, durch wenige handschriftlich verfasste und unterschriebene Zeilen außer Kraft gesetzt werden – eine Handhabung, die freilich Streitigkeiten unter den potentiellen Erben Tür und Tor öffnet und daher vermieden werden sollte.

Anders verhält es sich hingegen mit einem gemeinschaftlichen Testament, das z. B. Eheleute miteinander verfasst haben. Dieses kann nur gemeinschaftlich widerrufen werden. Ein so genanntes Berliner Testament, bei dem Ehegatten einander zunächst als Alleinerben und nach dem Tod des Letztversterbenden die Kinder als Erben eingesetzt haben, kann nach dem Tod eines Ehepartners durch den Überlebenden nicht mehr geändert werden. Will man diese Folge vermeiden, muss eine Änderungsklausel in das Testament aufgenommen werden.

Vor einer Notarin steht eine Justitia auf einem Schreibtisch
Ob beim Notar erstellt oder nicht – ein sogenanntes Berliner Testament kann nur in Ausnahmefällen nach dem Tod eines Ehepartners geändert werden. Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Kann der Erbe, der im Besitz des Testaments ist, den Erbfall abwickeln, ohne das Nachlassgericht einzuschalten?

Wer ein Testament, das sich nicht in besonderer amtlicher Verwahrung befindet, im Besitz hat, muss es unverzüglich, nachdem er von dem Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Amtsgericht als Nachlassgericht abliefern. Diese Pflicht trifft auch den Erben selbst. Das Nachlassgericht prüft das Testament und erteilt dem darin bestimmten Erben einen Erbschein.

Kann man ein Erbe umgehen, indem man sich einfach nicht meldet und es auf sich beruhen lässt?

Mit dem Tod einer Person, dem Erbfall, geht deren Vermögen als Ganzes auf die Erben über, ohne dass es deren Zutun bedarf (§ 1922 BGB). Um einer Erbschaft zu entgehen, was sich bei namentlich bei Überschuldung des Nachlasses empfiehlt, muss der Erbe sie ausschlagen (§§ 1942 ff. BGB). Dies geht nicht mehr, wenn der Erbe bereits eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, die Erbschaft behalten zu wollen (Annahme der Erbschaft).

Im Übrigen ist die Ausschlagung nur befristet möglich, und zwar binnen sechs Wochen nach Kenntnis vom Anfall der Erbschaft. Dazu muss der Erbe beim Nachlassgericht entweder persönlich vorsprechen und die Erklärung zur Niederschrift des Rechtspflegers abgeben; das Einreichen einer schriftlich abgefassten Erklärung genügt nur, wenn die Unterschrift durch einen Notar beglaubigt ist.

Nachträglich, d.h. nach Ablauf dieser sechs Wochen, ist eine Ausschlagung grundsätzlich nicht mehr möglich. Man kann aber immerhin die Haftung für die geerbten Schulden auf die sog. Erbmasse beschränken und dadurch das eigene Vermögen vor fremdem Zugriff sichern. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass man beim Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft oder beim Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren beantragt und dass man während dieser Zeit kein Erbstück verkauft oder verbraucht.

Kann man ein bereits ausgeschlagenes Erbe doch noch antreten oder ein bereits angenommenes Erbe doch noch ausschlagen, wenn man sich über den Schuldenstand des Erblassers getäuscht hatte?

Die Ausschlagung und die Annahme einer Erbschaft können nicht widerrufen werden. Es besteht lediglich die Möglichkeit, diese Erklärungen wegen unrichtiger Übermittlung, Irrtums, Täuschung oder Drohung anzufechten (§§ 119, 120, 123 BGB). Ein Irrtum in diesem Sinne ist unter anderem gegeben, wenn dem Erben die Überschuldung des Nachlasses nicht bekannt war. Unbeachtlich ist dagegen eine Fehlvorstellung über den Wert einzelner Nachlassgegenstände. Die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung muss zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form gegenüber dem Nachlassgericht abgegeben werden (§§ 1955, 1945 BGB). Die Anfechtungsfrist beträgt sechs Wochen und beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt (§ 1954 Abs. 1 und 2 BGB). Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind (§ 1954 Abs. 4 BGB).

Stimmt es, dass Eltern nicht ohne weiteres die Erbschaft für ihr minderjähriges Kind ausschlagen können?

Eltern, die für ihr minderjähriges Kind die Erbschaft ausschlagen wollen, benötigen hierfür eine gerichtliche Genehmigung, es sei denn, das Kind ist erst durch die Erbausschlagung eines oder beider Elternteile in die Erbenstellung gelangt. Wird die Genehmigung nicht erteilt, wird das Kind "zwangsweise" Erbe. Problematisch kann das werden, wenn sich das Erbe (beispielsweise, weil ein von Insolvenz bedrohtes Unternehmen zur Erbmasse gehört) als überschuldet herausstellt. In diesem Fall sollte unverzüglich die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt werden, weil sich (nur) dann die Haftung des Erben für Verbindlichkeiten auf den Nachlass beschränkt. 

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 13. April 2017. Er wurde zur Wiederveröffentlichung im Juli 2023 umfassend aktualisiert.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 27. Juli 2023 | 17:00 Uhr

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