Prozess Attentäter Halle
Am vierten Prozesstag wurden die Schlussplädoyers gehalten. Bildrechte: dpa, MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Vierter Prozesstag gegen Halle-Attentäter Frust und Formalitäten

19. Februar 2024, 19:53 Uhr

Rund ein Jahr ist es her, dass der Halle-Attentäter in der JVA Burg Geiseln genommen und einen Fluchtversuch unternommen haben soll. Dafür wird ihm nun der Prozess gemacht. Der vierte Prozesstag bringt neben Pathos und Uneinigkeit zwischen Verteidigung und Nebenklage reichlich Emotionen mit sich. Reporterin Kathrin Köcher war vor Ort.

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Der vierte Verhandlungstag im neuen Prozess gegen den Halle-Attentäter beginnt mit reichlich Formalitäten. Über zweieinhalb Stunden wird im Schweinsgalopp ein Dokument nach dem anderen vorgelesen. Zwar mit brisantem Inhalt, wie den Gesundheitsgutachten der Geiseln oder einer ausführliche Dokumentation des Halle-Attentats im Oktober 2019. Doch in der Form alles schnell und emotionslos runtergelesen.

Gähnen vor der Mittagspause

Währenddessen: Gähnen im Gerichtssaal, einer der vier Sicherheitsbeamten hinter dem Angeklagten verlässt mal kurz für eine biologische Pause den Raum. Die Zuschauer rutschen immer mehr auf den Stühlen hin und her, wie in einem nie enden wollenden schlimmen Theaterstück. Die Richterin erlöst alle mit einer Mittagspause.

 Emotionaler Staatsanwalt

Nach dieser wird es emotional. Als Oberstaatsanwalt Volker Meyer von der Generalstaatsanwaltschaft mit seinem Plädoyer beginnt und verdeutlicht, warum dieser Prozess überhaupt geführt wird. Obwohl der Angeklagte doch bereits eine lebenslange Haftstrafe verbüße. Meyer betont den präventiven und abschreckenden Charakter, den der Prozess verfolgen soll. Er schildert noch einmal ausführlich die Motive des Angeklagten, wie er getrieben sei von rassistischem und antisemitischen Gedankengut.

Meyer räumt einen großen Teil seines Plädoyers den Geiseln und Bediensteten des Gefängnisses in Burg ein. Wie sie bis zu 30 Minuten lang unter massiven Druck standen. Wie sie von Stephan B. vor sich hergetrieben worden sind, um ihn bei seinem Fluchtversuch die Türen zu öffnen. Und wie der Druck erhöht wurde, in dem der Angeklagte von zehn rückwärts zählt.

Haftstrafe und Sicherheitsverwahrung gefordert

Neun Jahre Haft fordert der Oberstaatsanwalt, mit anschließender Sicherungsverwahrung. Dem schließen sich auch beide Anwälte der Nebenklage an. Die Verteidigung selbst bringt keinen Antrag ein. Einig sind sich in den Plädoyers alle, dass es nichts gebe, was die Tat rechtfertige.

Uneinigkeit besteht darin, welche Verantwortung die beiden Geiseln selbst tragen. Und damit eben auch, ob und wie viel Schmerzensgeld ihnen zustehe.

Empörte Anwälte der Nebenkläger

Gerade die Aussagen des Verteidigers Rutkowski lösen Emotionalität aus. Der räumt ein, die Geiseln hätten gegen Sicherheitsbestimmungen in der JVA in Burg verstoßen und somit die Geiselnahme erst möglich gemacht. Dabei bezieht er sich auf eine interne Vorschrift, nach der für den Einschluss zwei Beamte vor der Zellentür sein müssen, es aber nur einer war.

Ein Fakt, der beide Anwälte der Nebenklage empört. Thomas Klaus, der Anwalt der ersten Geisel, zieht in diesem Zusammenhang den Vergleich mit Vergewaltigungsopfern. Wenn man denen vorwerfe, sie hätten einen zu kurzen Rock getragen. Die Beamten hätten die Pflicht gehabt, die Kollegen zu schützen und den Ausbruch nach draußen zu verhindern. Auch sei es nicht um einen Einschluss gegangen, sagt Jan Siebenhüner, der Anwalt der zweiten Geisel. Das sei schlichtweg nicht haltbar dieser Vorwurf.

Jetzt ist es Aufgabe der Richterin, aus dieser Gemengelage zu entscheiden: Über die Strafe für die Geiselnahme und auch, wie diese beiden Männer entschädigt werden.

MDR (Kathrin Köcher)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 19. Februar 2024 | 19:00 Uhr

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