Gedenktag Stadtrat: Wie angemessen an Anschlag von Halle erinnern?

27. Oktober 2022, 10:02 Uhr

Wie angemessen an den Anschlag von Halle vom Oktober 2019 gedacht und erinnert werden kann – darüber wird in der Stadt schon länger diskutiert. Zuletzt hat für Kritik gesorgt, dass auch ein Marathon am Jahrestag der Tat veranstaltet worden ist. Am Mittwoch hatte der Stadtrat das Thema auf der Tagesordnung.

Im Stadtrat in Halle stand am Mittwoch das angemessene Gedenken an den Anschlag vom 9. Oktober 2019 als Thema auf der Tagesordnung.

Die CDU-Fraktion war in der Stadtrats-Sitzung der Meinung, dass der Stadtrat gar nicht zuständig sei und die AfD wollte die Stadt-Gesellschaft nicht zum Gedenken verpflichten. Eine Einigung gab es nicht. Die Diskussionen werden in den Ausschüssen des Stadtrates weiter gehen.

Linke-Fraktion: Gedenken oberste Priorität

Die Fraktion der Linken hatte zuvor gefordert, dass die Stadtverwaltung dem stadtweiten Gedenken an den Anschlag "oberste Priorität" einräumt. Veranstaltungen, die diesem Ziel nicht gerecht werden, sollten "auf einen anderen Termin" verlegt oder in einem "angemessenen und würdigen Rahmen in das Gedenken" eingebettet werden.

Vorausgegangen war dem Antrag eine Kontroverse innerhalb der Stadt zum diesjährigen Gedenktag an den Anschlag. An dem Jahrestag wurde ebenfalls der Mitteldeutsche Marathon veranstaltet.

Das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) und die Linke-Fraktion im Landtag hatten die Ansetzung des Laufs im Vorfeld kritisiert. Die Überschneidung mache "fassungslos", sagte Mamad Mohamad, Geschäftsführer des LAMSA Anfang des Monats.

AfD-Aussage sorgte für Empörung

Die Stadtverwaltung hält dagegen: Trotz des Marathons habe in der Stadt ein "würdiges und vielfältiges Gedenken und an den Terroranschlag zu erinnern mit zwei Todesopfern vor drei Jahren stattgefunden", heißt es in einer Stellungnahme für den Stadtrat. Schon jetzt sei der 9. Oktober ein "zentraler Tag in der städtischen Erinnerungskultur".

Der Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019 Am 9. Oktober 2019 hatte ein schwerbewaffneter Terrorist versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in die Synagoge von Halle einzudringen und ein Massaker anzurichten. Er gelangte jedoch nicht in das Gotteshaus, erschoss dann die 40-jährige Passantin Jana L. und später in einem Döner-Imbiss den 20-jährigen Kevin S.. Auf der Flucht verletzte er weitere Menschen und lieferte sich einen Schusswechsel mit der Polizei, bevor er festgenommen wurde. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt und Sicherungsverwahrung angeordnet.

Für Empörung hatte im Vorfeld der Stadtrats-Sitzung der hallesche AfD-Stadtrat Alexander Raue gesorgt. In einem Beitrag der Mitteldeutschen Zeitung über die Diskussion merkt Raue an, Gedenken und Erinnerung "belasten unser Bewusstsein so, dass wir kaum Freude empfinden". Es sei "furchtbar, wenn Betroffene des Anschlags dieses Zitat vorfinden", schreibt dazu der hallesche SPD-Politiker Igor Matviyets bei Twitter.

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MDR (Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 26. Oktober 2022 | 08:30 Uhr

8 Kommentare

ralf meier am 28.10.2022

Herrn Mamad Mohamad machtes also fassungslos, dass der Lauf stattfindet. Da sollte der gute Mann mal der jüdischen Gemeinde gehörig ins Gewissen reden, die das nicht so sieht. Auch einige Foristen können ihrer Empörung gar nicht genug Ausdruck verleihen. Allerdings habe ich das Gefühl, das es denen eher um das beliebte AFD bashing geht. Letzteres ist nicht nur aus meiner Sicht eine durchsichtige Instrumentalisierung und Relativierung des Mordanschlages. Wie sagte doch ein Herr Lobo anlässlich des islamistisch motivierten Mordanschlages in Dresden in einer Kolumne bei Der Spiegel (online): „Auf einen rechtsextremen Mord folgt linke Empörung, auf einen islamistischen Mord folgt eine stille, linke Zerknirschtheit, wie man sie Erdbebenopfern entgegenbringt. Manchmal sogar ergänzt durch Relativierungen.
Dem AFD-Abgeordneten empfehle ich etwas mehr Gelassenheit. Ich kann auch angesichts eines noch so fürchterlichen Mordanschlages und dem darauffolgenden Gedenken Freude am Leben empfinden

Lavendel am 28.10.2022

Schon klar, dass die AfD nicht möchte, dass die Gesellschaft in Halle daran erinnert wird, dass ein Rechtsextremist versucht hat eine jüdische Gemeinde zu überfallen und zu ermorden. Letztendlich ist die AfD ja selbst wegen ihrer rechtsextremen Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung in Sachsen als Verdachtsfall Rechtsextremismus eingestuft. Das sieht nicht nur der Verfassungsschutz so, sondern auch das Verwaltungsgericht Magdeburg, bei dem die AfD mit einer Klage gegen die Einstufung scheiterte. (Pressemitteilung: 05/2022, (VG-MD) Einstufung der AfD als Verdachtsfall,
Aktenzeichen: 9 B 273/21 MD, Verwaltungsgericht Magdeburg)

Sicherlich kann man den Tag des Baumes und ein Volksfest am gleichen Tag feiern. Ein Volksfest und die Ereinnerung an den versuchten Mord an einer ganzen jüdischen Gemeinde.... das geht wohl kaum zusammen.

Ines W. am 27.10.2022

Ein versuchtes Massaker an einer ganzen jüdischen Gemeinde in Deutschland.
Was, wenn nicht an diese verbrecherische Tat eines bekennenden Rechtsextremisten sollte man sich wohl an diesem Tag erinneren? Es ist ja nicht so, dass diese Tat schon Jahrzehnte zurück liegt und die braune Ideologie, die ihr zugrunde liegt, in Mitteldeutschland heute keine Rolle mehr spielt.

Wenn der AfD Abgeordnete behauptet, dass er keine Freude mehr empfinden könne wegen solcher Gedenktage, dann sollte er mal in sich gehen und sich fragen, warum solch ein Gedenktag nötig wurde und welche Ideologien, Lügen und Verschwörungstheorien, die auch seine AfD verbreitet, den Täter wohl zu seiner Tat inspiriert und motiviert haben könnten. Mir fällt da einiges ein.

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