Eine Straße mit Zebrastreifen und Baustelle. Auf einem Straßenschild steht "Universitätsring"
Dass der Uniring in Halle auf einem Teilstück in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt werden soll, hat eine Debatte über die Erinnerung an den ersten afrodeutschen Wissenschaftler ausgelöst. Bildrechte: Kio Weck

Studierende schreiben für den MDR Uniring Halle wird umbenannt: Kritik auch vom Anton-Wilhelm-Amo-Bündnis

21. März 2024, 17:03 Uhr

Ende vergangenen Jahres beschloss der Stadtrat in Halle die Umbenennung von Teilen des Unirings in Anton-Wilhelm-Amo-Straße. Doch die Entscheidung ist umstritten. Auch vom Anton-Wilhelm-Amo-Bündnis gibt es Kritik am bisherigen Gedenken an den ersten afrodeutschen Wissenschaftler. Eine Auseinandersetzung über Erinnerung, Rassismus und die Neuinterpretation von Geschichte: Ein Gastbeitrag aus Halle.

Dieser Text ist im Rahmen des Projekts "Studierende schreiben" in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entstanden.

Ein Teil des Universitätsrings in Halle wird umbenannt. Das hat der Stadtrat in seiner letzten Jahressitzung für 2023 bestimmt. So wird eine Abzweigung des Universitätsrings zwischen den Straßen Harz/Weidenplan und Unterberg künftig Anton-Wilhelm-Amo-Straße heißen. 24 Stadträte stimmten für die Namensänderung, 17 stimmten dagegen, vier enthielten sich. Mit der Umbenennung soll dem Schaffen und Wirken von Anton Wilhelm Amo gedacht werden, der als erster schwarzer Akademiker im 18. Jahrhundert an der Universität Halle tätig war.

Anwohner wehren sich gegen den Vorschlag

Es dauerte nicht lange und eine Online-Petition gegen die Umbenennung wurde gestartet. Initiiert hat sie Silke Liebmann. Sie ist Anwohnerin und lebt in einem der rund zehn Häuser, die von der Umbenennung betroffen sind. "Es ist eine unglückliche Lösung, mitten in der Innenstadt eine so bekannte Straße umzubenennen", sagt sie.

Es ist eine unglückliche Lösung, mitten in der Innenstadt eine so bekannte Straße umzubenennen.

Silke Liebmann, Anwohnerin

Bereits im Vorfeld des Beschlusses hatte sich eine Kontroverse entsponnen. In den Bürgersprechstunden der Stadtratssitzungen hatten sich Liebmann und andere betroffene Anwohner beschwert, weder über den Vorschlag informiert noch aktiv in den Prozess einbezogen worden zu sein.

Eine Straße mit einem Park daneben
Die Anwohner hatten vorgeschlagen, den Park neben dem Uniring nach Amo zu benennen. Bildrechte: Kio Weck

Initiative: Entscheidung im Stadtrat Halle kam sehr plötzlich

Für Silke Liebmann kam die Zusage durch den Stadtrat sehr plötzlich. Nachdem der Vorschlag im Oktober eingebracht wurde, habe es noch Bemühungen gegeben, ein Konzept auszuarbeiten, das für alle akzeptabel ist. Bei einem einmaligen Bürgergespräch haben sich demnach Vertreter aus der Universität, der Politik und interessierte Bürger ausgetauscht. Hier hätten Anwohner den Gegenvorschlag gemacht, Amo einen Park am Uniring zu widmen. Dieser wird derzeit ohnehin umgebaut.

"Eine Straßen-Umbenennung sagt ja noch nichts über die Persönlichkeit aus, nach der die Straße benannt wird", argumentiert Liebmann. "Da steht dann einfach nur ein Schild und wenn man Glück hat, gibt es noch so einen Verein, der dann unten drunter nochmal schreibt, von wann bis wann derjenige gelebt hat."

Straßenschild Anton-W.-Amo Straße 1 min
Bildrechte: imago images/Steinach

Zu weiteren Treffen sei es jedoch nie gekommen, Nachfragen blieben laut Liebmann unbeantwortet. Stattdessen seien die Anwohner wenige Stunden vor der Stadtratssitzung im Dezember per Mail über die anstehende Entscheidung informiert worden. "Wir waren recht zurückhaltend, hatten eigentlich wirklich noch auf Gespräche mit der Stadt gehofft und das wurde uns dahingehend verwehrt", so Liebmann. Die Onlinepetition wurde in der Stadtratssitzung kritisiert. Sie arbeite mit Unwahrheiten, hieß es laut einem Bericht der "Mitteldeutschen Zeitung".

Initiativen bemühen sich seit Jahren um Würdigung Amos in Halle

Seit 2019 setzt sich das Anton-Wilhelm-Amo-Bündnis für ein respektvolles Gedenken an Amo ein. Ihnen sei es wichtig, die eurozentrische Geschichtsschreibung zu dekolonisieren, heißt es im Selbstverständnis. Das Bündnis begrüßt zwar die Entscheidung des Stadtrates, empfindet jedoch die Umstände als ungünstig. "Wir waren alle nicht so ganz glücklich damit, dass erst noch Gesprächsrunden einberufen wurden, um dann kurz vor Weihnachten, wenn man eigentlich irgendwie schon woanders ist, den Beschluss durchzudrücken", meint Hân Le vom Bündnis. Sie kam über einen kritischen Stadtrundgang mit Anton Wilhelm Amo in Berührung und ist seither im Bündnis aktiv. "Wäre wirklich auf den Vorschlag der Bürger eingegangen worden, hätten sie sich in ihrer Selbst-Wirksamkeit gesehen und verstanden gefühlt", sagt sie.

Wäre wirklich auf den Vorschlag der Bürger eingegangen worden, hätten sie sich in ihrer Selbst-Wirksamkeit gesehen und verstanden gefühlt.

Hân Le Anton-Wilhelm-Amo-Bündnis Halle
Luftbild der Innenstadt von Halle 1 min
Bildrechte: imago images/Steffen Schellhorn

Auch an der Universität Halle setzt sich seit 2020 eine eigens einberufene Rektoratskommission mit der Würdigung Amos auseinander. Denn es gibt bereits eine Gedenk-Plakette beim Robertinum, dem Archäologischen Institut in Halle. Allerdings befindet sich diese direkt neben einer Statue mit dem Namen "Freies Afrika", die in der DDR aus diplomatischen Gründen von einem Bildhauer aus Halle angefertigt wurde. Beide Denkmäler stehen aber in keinem Zusammenhang. "Man könnte unterstellen, dass man dachte, das hat beides was mit Afrika zu tun, das stellen wir mal in die gleiche Ecke", sagt Hân Le. 

Im Vordergrund eine Gedenktafel auf dem Boden, rundherum eine Wiese, im Hintergrund zwei Statuen und ein Gebäude
Eine Gedenktafel für Amo am Archäologischen Institut in Halle befindet sich in unmittelbarer Nähe des Denkmals "Freies Afrika" – die nichts mit Amo zu tun hat. Bildrechte: Kio Weck

Amo-Bündnis: Bisheriges Andenken ist nicht angemessen

Die Plastik zeigt zwei schwarze Menschen und symbolisiert die anti-koloniale politische Befreiung und die Gleichstellung von Mann und Frau im Sozialismus. Beide sind mit freiem Oberkörper, nackten Füßen und vom Künstler offenbar als traditionell empfundener Kleidung dargestellt. Dies verfestige nicht nur rassistische Stereotype, heißt es auf der Website der Universität Halle, es sei auch missverständlich. Man könnte fälschlicherweise denken, dass es sich bei der Darstellung um Amo und seine Partnerin handle. Zudem sei anzunehmen, dass Amo wie ein Universitäts-Gelehrter gekleidet war.

Sowohl das Anton-Wilhelm-Amo-Bündnis als auch die Rektoratskommission fordern, dass die Verbindung beider Denkmäler aufgelöst oder zumindest kontextualisiert wird. Sie argumentieren, dass es angesichts seiner außergewöhnlichen Biografie wichtig sei, Amos Leben und Arbeit im Zusammenhang mit einem größeren Blick auf Rassismus und die Veränderung eurozentrischer Sichtweisen zu betrachten.

Eine Gedenktafel auf einer Wiese erinnert an Anton Wilhelm Amo
Bislang erinnert in Halle nur eine Gedenktafel an Anton Wilhelm Amo, den ersten afrodeutschen Wissenschaftler. Bildrechte: Kio Weck

Umbenennung der Straße könnte lange dauern

Straßen-Umbenennungen sind ein langwieriger Prozess. In Berlin wurde auf Bemühen verschiedener Initiativen hin bereits 2021 beschlossen, eine Straße Anton Wilhelm Amo zu widmen. Auch dort kam es zu einer Klage durch Anwohner mit der Begründung, nicht ausreichend am Verfahren beteiligt worden zu sein, heißt es in einer Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin. Erst zwei Jahre später entschied das Berliner Verwaltungsgericht dann zugunsten der Straßen-Umbenennung.

In Halle bleibt abzuwarten, wie lange es dauert, bis der Entschluss in die Tat umgesetzt wird und ob die betroffenen Anwohner rechtliche Schritte gegen den Stadtratsbeschluss einleiten werden.

Über Kio Weck Kio Weck (keine Pronomen) studiert seit Oktober 2023 den Master "Multimedia und Autorschaft" an der Universität Halle-Wittenberg. Kio spricht am liebsten im Freien Radio mit Menschen darüber, was sie bewegt – meisten mit dem Fokus auf soziale Bewegungen.

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MDR (Maren Wilczek)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. Dezember 2023 | 06:30 Uhr

10 Kommentare

steka vor 5 Wochen

Verstehe die Aufregung nicht, immerhin ist die Straße unmittelbar am Universitätsring und Uni, also nicht irgendwo in einem Neubaugebiet.
Komisch, wenn um ehemalige Westpolitiker geht, wie Willy-Brandt-Straße (Adenauer ist uns zum Glück erspart geblieben) hat es nicht so ein Palaver gegeben, obwohl er mit Halle überahpt nichts zu tun hatte,nie hier gewesen ist. Damals wurde auch niemand gefragt.

SGDHarzer66 vor 5 Wochen

Die Ablenkung von den wahren Problemen durch Nichtigkeiten war schon immer ein beliebtes Stilmittel und Kennzeichen einer verwahrlosten Gesellschaft.

Marcel1404 vor 5 Wochen

Das ganze ist doch nur wieder reine Geld Verschwendung. Ich verstehe auch nicht das Theater was um den Mann gemacht wird. Lässt man mal die Hautfarbe weg, was man ja macht wenn man kein Rassist ist, hat er einfach nur studiert. Es ist auch anzunehmen daß er ohne die Versklavung, kaum die Gelegenheit zum studieren bekommen hätte. Die Sache ist doch wir wissen doch gar nichts über diesen Mann außer das er studiert hat. Ich finde das ist zu wenig. Es gibt Menschen die mehr geleistet haben und keine Ehrung erfahren und in Vergessenheit geraten.

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