Eine junge Frau steht vor einer Bühnenkonstruktion im MDR Landesfunkhaus Magdeburg.
Lara Behrend wird zur Pflegefachfrau ausgebildet. Es fehlen ihr noch die letzten Prüfungen. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

"Walk of Care" in Magdeburg Pflege-Auszubildende: "Wir arbeiten für Gewinne, nicht für Gesundheit"

12. Mai 2023, 13:42 Uhr

Lara Behrend ist Auszubildende im Pflege-Bereich. Sie war beim ersten "Walk of Care" in Magdeburg dabei – einer Demo von Pflegekräften, die auf Missstände im Pflege-Beruf aufmerksam machen soll. MDR SACHSEN-ANHALT hat mit Behrend über die Forderungen der Pflegerinnen und Pfleger gesprochen.

Lara Behrend, 22 Jahre, fehlen nur noch ein paar Prüfungen im August, dann ist sie ausgebildete Pflegefachfrau. Sie übt ihren Beruf zwar mit Herzblut aus, findet aber, dass es an Empathie für die Pflege fehlt.

Sie war beim ersten "Walk of Care" Magdeburgs dabei. Das ist eine Demo, mit der auf Missstände im Pflege-Bereich aufmerksam gemacht werden soll. MDR SACHSEN-ANHALT hat mit der Auszubildenden gesprochen. Im Interview erklärt sie, warum der "Walk of Care" für den Pflege-Beruf so wichtig ist.

Eine junge Frau lächelt in die Kamera.
Lara Behrend hat beim ersten "Walk of Care" Magdeburgs mitgemacht. 2022 war sie auch beim "Walk of Care" in Halle dabei. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

MDR SACHSEN-ANHALT: Frau Behrend, die Pflege ist ein Beruf, der durch Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung an Attraktivität verloren hat. Warum haben Sie sich dazu entschieden, in die Pflege zu gehen?

Lara Behrend: Ich wollte schon immer im Krankenhaus arbeiten und finde die Arbeit dort ganz toll. Ich arbeite auch super gern mit Menschen, bin ein sehr sozialer Mensch. Die Ausbildung gibt mir ganz viel – vor allem bei der Kommunikation mit Menschen, auch wenn sie schwierig ist.

Es ist ein schöner Beruf. Natürlich ist es manchmal anstrengend. Auch durch die Arbeitsbedingungen denkt man sich manchmal, man kann einfach nicht mehr. Aber dann hat man jeden Tag mindestens ein, zwei Momente, in denen man sich denkt, dass man das Richtige macht. Dafür lohnt es sich, früh aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Und das habe ich wirklich jeden Tag und bin froh, in dem Beruf und in der Ausbildung zu sein.

Hatten Sie Angst, dass Sie irgendwann sagen, Pflege ist doch nichts für mich?

Angst hatte ich vor der Ausbildung nicht. Ich wusste grob, wie die Bedingungen sind, aber als Laie oder Außenstehende hat man da natürlich nicht so den Einblick. Doch gerade durch die Ausbildung habe ich die schönen Seiten kennengelernt und ich wusste auch vorher, dass die Arbeit mit Menschen schön sein kann. Das gibt mir viel Kraft und deshalb halte ich das auch durch.

Welche Probleme gibt es in Sachsen-Anhalts Pflegesystem, die Sie betreffen?

Generell die Arbeitsbedingungen in der Pflege machen es mir sehr schwer, dort zu arbeiten. Und die Profit-Orientierung ist ein großes Problem. Dadurch, dass die Krankenhäuser immer mehr privatisiert werden und auf Gewinne aus sind, geht die Empathie verloren und die Konzentration auf den Menschen an sich. Wir arbeiten eben für die Gewinne und nicht für die Gesundheit.

Die Arbeitsbedingungen in der Pflege machen es mir sehr schwer, dort zu arbeiten. Und die Profit-Orientierung ist ein großes Problem.

Lara Behrend Pflegefachfrau in Ausbildung

Das merkt man tagtäglich in unserer Arbeit. Das versaut es ein bisschen, sage ich mal. Ansonsten braucht es auf jeden Fall bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen, damit eben wieder mehr Menschen in der Pflege arbeiten wollen.

Sie wollen auf diese Probleme aufmerksam machen und beteiligen sich beim ersten "Walk of Care" Magdeburgs. Warum ist dieser gerade jetzt wichtig?

Die Pflege muss sichtbarer werden. Es ist irgendwie selbstverständlich, dass es uns gibt und das Gesundheitssystem funktioniert. Aber es funktioniert gerade nur, weil sich die Pflege dafür aufopfert und das System am Laufen hält, obwohl es eigentlich nicht funktioniert.

Der "Walk of Care" ist eine große Demo für die Pflege, um diese besser zu gestalten und um die Pflege stärker zu machen, als sie jetzt gerade ist. Der "Walk" war in Berlin gestartet und hat sich dann auch auf weitere Städte ausgebreitet. Ich war letztes Jahr auch bei der Organisation in Halle dabei und fand das toll. Es war einfach eine sehr gute Stimmung und ein gutes Gefühl, für den eigenen Beruf und für die eigene Wertschätzung auf die Straße zu gehen.

Eine junge Frau hält eine jacke in der Hand und schaut sich in Büroräumlichkeiten um.
Die Demonstrierenden fordern unter anderem eine Pflegekammer für Sachsen-Anhalt. Die Pflege brauche mehr politisches Mitspracherecht. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Der "Walk of Care" soll am Freitag, um 12:05 Uhr auf dem Domplatz starten. Für Sie als Pflegefachkraft ist es damit symbolisch fünf nach zwölf. Was soll mit der Demo erreicht werden?

Es gibt fünf zentrale Forderungen. Zum Beispiel, dass die Ausbildungs-Bedingungen besser werden. Auch das Gesundheitssystem sollte gerechter finanziert werden. Vor allem brauchen wir eine gerechte Personal-Bemessung am Pflege-Bedarf.

Ein weiterer Punkt ist eine Pflege-Kammer. Was würde eine solche für Sachsen-Anhalt bedeuten?

Wir wollen mehr politische Mitbestimmung. Die Entscheidungen werden nun mal auf politischer Ebene getroffen. Wenn man da nicht Entscheidungen treffen darf, dann wird das keiner für einen mit übernehmen. Und deshalb müssen wir eben auch da präsent und Fach-Experten sein und die Politik beraten, was uns wichtig ist und was umgesetzt werden muss.

Vor den Zwischenprüfungen haben Lara und Belana starke Rückenschmerzen - Folge ihres harten Alltags als Auszubildende zur Pflegekraft. Doch meckern bringt nichts. Die Klasse entscheidet, bei einer Demo mitzumachen. 19 min
Vor den Zwischenprüfungen haben Lara und Belana starke Rückenschmerzen - Folge ihres harten Alltags als Auszubildende zur Pflegekraft. Doch meckern bringt nichts. Die Klasse entscheidet, bei einer Demo mitzumachen. Bildrechte: MDR

Was wünschen Sie sich für die Zukunft, was soll sich bestenfalls für den Pflege-Beruf ändern?

Ich wünsche mir, dass wir die Möglichkeit haben, unsere Arbeit so auszufüllen, wie wir sie möchten – dass wir nach dem Dienst nach Hause gehen und sagen, wir sind glücklich mit dem, was wir heute geschafft haben. Aber das geht gerade nicht.

Zukünftig würde uns auf jeden Fall viel helfen, wenn Pflegekräfte realisieren, was sie eigentlich für eine Macht haben und einfach mit uns dafür kämpfen, dass die Arbeitsbedingungen besser werden. Sie sollen nicht nur auf Station sitzen und meckern, sondern man kann auch etwas machen. Wir sind viele und wenn wir uns zusammentun, dann kann man ja auch viel schaffen.

Die Fragen stellte Lucie Sophie Bruchhold.

MDR (Maximilian Fürstenberg, Lucie Sophie Bruchhold)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 11. Mai 2023 | 08:00 Uhr

27 Kommentare

Matthi vor 48 Wochen

Es ist schön das es immer noch Junge Leute gibt die Pflegeberufe erlernen trotz der Arbeitsbedingungen. Ich kann mich noch gut erinnern das viele Fachkräfte frisch ausgebildet ob in Krankenhäusern oder Pflegeheimen nicht übernommen wurden weil keine Planstellen vorhanden waren, Personal kostet. Heute haben wir durch diese Fehler der Vergangenheit das Problem des Fachkräftemangels in der Pflege, da hilft auch die bessere Bezahlung nicht solange die Arbeitsbedingungen sich nicht verbessern. Die Realität sieht doch so aus, viele Überstunden 40 Stundenwoche vielleicht, Familien Freizeit Planung schwierig weil man öfters für Personal Ausfall einspringen muss und dann noch Schichtdienst. Spätestens wenn Weibliche Pflegekräfte Kinder bekommen oder der Druck Körperlich zu groß wird verlassen sie den Beruf da hilft auch der Import von ausländischen Pflegekräften nicht.

Mustermann vor 48 Wochen

@Peter Die Altenpflege ist zu allererst in der Familie entstanden/wurde betrieben. Erst dann kamen die Kirchen ins Spiel...Ich sag nur Pfründe etc. Jeder halbwegs informierte Bürger sollte das wissen. Und ich behaupte mal ganz steil, dass heute der Anteil der kirchlichen Institutionen gerade im Osten bei 30 bis max. 40 % liegt.

Mustermann vor 48 Wochen

Sie haben offensichtlich von der Pflege und den Mitarbeitern wenig bis gar keinen Überblick. Ich möchte sogar so weit gehen, dass die Benutzung der englischen Sprache, gerade den einfachen Pflegekräften gegenüber die tägliche die Patienten aus der Sch***e holen, ausgrenzend, ja fast hätte ich gesagt diskriminierend ist. In Deutschland verstehen die meisten Pflegekräfte nun mal Deutsch.

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