Sanierungskosten Mieten steigen: Wohnungsgenossenschaften legen Baukosten häufig um
Hauptinhalt
05. Februar 2024, 11:16 Uhr
Wegen steigender Baukosten können die Wohnungsbaugenossenschaften Sanierungen teilweise nicht mehr stemmen. Statt zu modernisieren, entscheiden sie sich für den Abriss. Wird doch saniert, steigen die Mieten. Im März will das zuständige sachsen-anhaltische Infrastrukturministerium über die Situation beraten.
- Die Wohnungsbaugenossenschaften sehen sich mit hohen Baukosten konfrontiert. Statt zu sanieren, werden Gebäude abgerissen.
- Neubauten sind kaum rentabel. Kaltmieten lägen ansonsten jenseits der 15 Euro pro Quadratmeter, schätzen die Genossenschaften.
- Sanierungskosten werden entsprechend auf die Mieter umgelegt. Im März will das Infrastrukturministerium über die Situation beraten.
Wohnen wird teurer. Nicht nur die Nebenkosten steigen, auch die Kaltmieten. Die Wohnungsbaugenossenschaften können Kosten für Sanierungen nur noch mit Mühe stemmen. In Magdeburg hat sich die Wohnungsbaugenossenschaft Otto von Guericke zum Abriss eines ganzen Wohnblocks entschieden, obwohl bereits alle Umbaumaßnahmen geplant waren. Der Grund: Die Baukosten stiegen plötzlich durch die Decke.
Im März lädt Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) zum ersten Wohnungsbau-Dialog. Dann will sie mit den Genossenschaften über die aktuelle Situation beraten.
Abriss statt Sanierung
Oliver Hornemann steht vor einem Stück grüner Wiese. Hier stand einmal ein Plattenbau wie die, die man einige Meter entfernt sieht. Sie alle gehören der Wohnungsbaugenossenschaft Otto von Guericke, derem Vorstand Hornemann angehört. Die Bauten im Magdeburger Stadtteil Olvenstedt wurden in den letzten Jahren saniert. Neben einem neuen Anstrich gab es barrierefreie Aufzüge und größere Balkone.
Den letzten Plattenbau wollte die Wohnungsbaugenossenschaft eigentlich so sanieren, dass dieser sich selbst mit Energie versorgt. Pläne und Finanzierung standen 2022 bereits. Doch dann stiegen die Baukosten. "Innerhalb des Jahres hatten wir alleine schon in den Ausschreibungen einen Kostenaufwuchs von einer Million Euro", erzählt Hornemann, "und da war noch nicht das Ende erreicht."
Es folgte Ernüchterung: "Hier kippt es in die Unwirtschaftlichkeit." Doch was machte man mit dem sanierungsbedürftigen Plattenbau? Hornemann fasst die damaligen Gedanken zusammen: "Ein Gebäude nur stehen zu lassen, macht die Bausubstanz nicht besser. Und wenn man dann einmal den Bagger dort stehen hat, muss man eine Entscheidung treffen."
Die Wohnungsbaugenossenschaft Otto von Guericke entschied sich dazu, das Gebäude komplett abzureißen. Seitdem liegt das Gelände brach – und das wird wohl auch noch einige Jahre so bleiben. "Wenn sich die Rahmenbedingungen verändern, gibt es vielleicht Aussicht darauf, hier neu zu bauen", erklärt Oliver Hornemann und meint sowohl die finanziellen als auch die politischen Rahmenbedingungen.
Wegen Baukosten: Neubauten lohnen sich nicht
Neubauten sind in der aktuellen Zeit kaum rentabel. Das registriert auch der Verband der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalt. "Wir stellen fest, dass sich die Neubauaktivität in den letzten ein, zwei Jahren signifikant verringert hat", bilanziert Verbandsdirektor Matthias Kuplich. Er untermauert seine Aussage mit Zahlen. Investierten die Genossenschaften in Sachsen-Anhalt 2019 noch knapp 70 Millionen Euro in Neubauten, waren es 2022 nur noch 48,5 Millionen Euro.
Für Neubauten seien die Kosten von 3.000 auf bis zu 4.500 Euro pro Quadratmeter gestiegen – die Grundstückskosten nicht mit einberechnet. Diese enormen Summen müssten über eine Miete finanziert werden, so Kuplich. "Wenn man diese Baukosten mal ganz konservativ kalkuliert, landen wir bei Mieten jenseits der 15 Euro kalt." Die durchschnittliche Miete in Sachsen-Anhalt liege bei 5,33 Euro.
Sanierungen in Magdeburg
Doch nicht nur Neubauten belasten die Branche. Die Wohnungsbaugenossenschaft Otto von Guericke saniert derzeit zwei Gebäude mit etwa 300 Wohnungen in der Magdeburger Innenstadt. Von unten bis oben wird im Grunde alles gemacht. Neben Arbeiten am Dach und an den Balkonen erhalten die zwei Wohnblöcke dann ebenerdige, barrierefreie Aufzüge.
"Die Sanierung kostet zwischen zweieinhalb und drei Millionen Euro", weiß Bauleiter Karsten Luka. Im Gegensatz zu der geplanten Sanierung in Olvenstedt, die schließlich im Abriss endete, waren mögliche Kostensteigerungen hier bereits eingerechnet. Davon profitiert man jetzt, denn die Preise haben sich wie angenommen erhöht. Deswegen kann Luka feststellen: "Wir sind total im Plan."
Mieten steigen
Doch auch ohne noch höhere Baukosten werden die Mieter dort bald tiefer in die Tasche greifen müssen. Vorstand Oliver Hornemann erklärt: "Wir werden natürlich die Modernisierungskosten anteilig umlegen müssen. Es gibt dafür gesetzliche Vorgaben, die nutzen wir aus." Zwar schaue man, dass die Wohnungen nach wie vor bezahlbar blieben, aber in der Innenstadt würden die Mietpreise weiter steigen – auf acht bis zehn Euro pro Quadratmeter, vermutet Hornemann.
Die Miete ist das einzige Finanzierungsmittel, das unsere Mitglieder haben.
Ähnlich äußert sich auch Matthias Kuplich vom Verband der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalt. Der Wohnungsmarkt werde sich wohl daran gewöhnen müssen, dass die Mieten weiter steigen. "Die Miete ist das einzige Finanzierungsmittel, das unsere Mitglieder haben", so Kuplich. Die höheren Kosten müssten irgendwie refinanziert werden.
Ministerium lädt zum Wohnungsbau-Dialog
Zumindest teilweise können Sanierungen jedoch auch durch verschiedene Förderprogramme finanziert werden. Bund und Land unterstützten die Modernisierung vorhandenen Wohnraums, teilt Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit. Zudem sei ein neues Förderprogramm für Aufzüge noch in diesem Jahr geplant.
Dennoch habe sie mit Blick auf die aktuelle Situation zum ersten Wohnungsbau-Dialog in Sachsen-Anhalt eingeladen. Dieser wird am 7. März stattfinden. Dann können die Wohnungsbaugenossenschaften gemeinsam mit der Ministerin besprechen, welche Lösungen es bräuchte, damit Wohnen nicht immer teurer wird.
MDR (Engin Haupt)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. Februar 2024 | 12:00 Uhr
pwsksk vor 43 Wochen
@steka, auch. Hier wirken viele Faktoren zusammen. Aber die inflationär gestiegenen Baukosten der letzten insgesamt 3 Jahre sind nicht kompensierbar.
Nudel81 vor 43 Wochen
Wenn man Jahrzehnte nicht investiert hat, soll man jetzt nicht über die hohen Kosten jammern. Für Hausbesitzer ist genauso teuer geworden und keiner bedauert die!
Hobby-Viruloge007 vor 44 Wochen
Das Problem der Kommunalen und Genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen ist noch viel größer als geschildert. Nach der Wende hatte man die Versorgungsleitungen erneuert. Die und die Fenster sind jetzt alle wieder "dran".
Für die Sanierung von Versorgungsleitungen gibt es keine Mieterhöhung.
Das Geld muss aus dem laufendem Geschäft kommen. Das tut es aber häufig nicht ausreichend.
Wir bewegen uns langsam in Zustände wie in der DDR hin, wo von der Substanz der Gebäude gelebt wurde.