Mann auf einem Acker
Fred Neuling betreibt Landwirtschaft in einer der trockensten Gegenden von Deutschland. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Klimawandel So gehen Landwirte mit der Dürre um

21. Juli 2023, 05:00 Uhr

Hitze, kaum Regen und damit anhaltende Trockenheit. Im fünften Jahr in Folge erleben auch große Teile Ostdeutschlands eine schwere Dürre. Das trifft insbesondere Landwirte. Die geraten unter den klimatischen Bedingungen zunehmend in Existenznot und die große Frage ist: Wie können sie in Zukunft Lebensmittel produzieren?

Das Feld steht voll, dennoch ist Fred Neuling damit nicht zufrieden. "Viel Weizen ist nicht mehr zu erkennen", sagt der Landwirt. Die Körner seien viel zu klein. "Ein gutes Weizenkorn von einer Pflanze, die ausreichend mit Wasser versorgt ist, ist mehr als doppelt so groß." Neuling betreibt einen Hof mit 3.000 Hektar in einer der trockensten Gegenden Deutschlands. In Wallstawe im Norden Sachsen-Anhalts hat es in den vergangenen Wochen kaum geregnet. Die Folge: Einbußen bei der Ernte. Das Ertragsziel beim Weizen liege für den 33-Jährigen eigentlich bei sieben Tonnen. "Ich würde schätzen, dass hier eine Tonne Ertrag ist."

Eine Hand mit Weizenkörnern
Ein gutes Weizenkorn müsste doppelt so groß sein, sagt Fred Neuling. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Solche Ernteausfälle werden für Neuling immer mehr zur Normalität. Allein die Prognose für die Getreideernte dieses Jahr liegt laut dem Deutschen Bauernverband unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Der Verband rechnet mit 6 Prozent weniger als im Vorjahr. Einige Bauern in seinem Umfeld, so Neuling, würden in der Landwirtschaft keine Zukunft mehr sehen und verkauften ihre Betriebe.

Neuling ist erst seit sieben Jahren Landwirt. Aufgeben will er trotz aller Widrigkeiten aber nicht – stattdessen will er versuchen, den Betrieb der Trockenheit anzupassen. Statt Weizen überlegt er Roggen anzubauen. Für den gebe es zwar weniger Geld, aber der vertrage die Hitze besser.

Nur zwei statt 20 Kartoffeln an der Pflanze

Der Landwirt fährt zu seinem nächsten Problemfeld. Dort ist alles grün. Doch auch hier muss man genauer hinschauen. Neuling bückt sich hinunter und lässt etwas Erde durch seine Hand rieseln. "Nur noch Staub und Sand. Ganz sandiger, staubiger Boden, keine Feuchtigkeit mehr da", sagt er. Dann zieht der Bauer eine der Pflanzen aus der Erde. "Hier nur zwei kleine Knollen. Wenn es gut läuft, hat man eigentlich zehn bis 15 Kartoffeln pro Pflanze."

Nur noch Staub und Sand. Ganz sandiger, staubiger Boden, keine Feuchtigkeit mehr da.

Fred Neuling Landwirt

Weil Kartoffeln viel Wasser brauchen und der Regen im Sommer mittlerweile regelmäßig ausbleibt, muss Neuling immer größere Flächen künstlich bewässern. Seit dem Dürrejahr 2018 hat er zwei neue Brunnen bohren lassen, ein weiterer ist geplant.

Da Wasser auch in Zukunft immer knapper werden wird, investiert Neuling in eine sogenannte Kreisbewässerung. So kann bis zu 30 Prozent weniger Wasser verbraucht werden als mit der herkömmlichen Beregnungsmaschine. Und die teure Anschaffung zahlt sich für ihn aus – auf dem Feld nebenan, wo die Bewässerungs-Anlage bereits läuft. Neuling zieht eine Kartoffelpflanze heraus und zeigt: "Also hier sind wir bei über 15 bis 20 Knollen und auch von der Größe schon das Doppelte dran."

Welche Auswirkungen das Wetter in der Zukunft hat

Doch was kommt auf die Landwirte in Zukunft zu? Die Folgen der Klimaerwärmung für die Bauern werden etwa in Bad Lauchstädt erforscht. Dort, im Süden von Sachsen-Anhalt, betreibt das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) das weltweit größte Klima-Landnutzungs-Experiment. In Konstruktionen, in denen die Sonneneinstrahlung und die Regenmenge auf den Feldern reguliert werden können, simulieren Wissenschaftler die postulierten, klimatischen Bedingungen in Mitteldeutschland um das Jahr 2070: Eine Temperaturerhöhung um zwei Grad, zudem fallen im Sommer 20 Prozent weniger Regen und dafür im Frühjahr und Herbst zehn Prozent mehr.

Wir werden in Zukunft deutlich häufiger so eine Aneinanderreihung von trockenen Jahren haben.

Martin Schädler Ökologe
Ein Mann mit grauem Bart steht auf einem Feld
Martin Schädler forscht für das UFZ in Sachsen-Anhalt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Auf den Versuchsfeldern konnten die Forscher schon jetzt ein Absenken des Grundwassers um drei Meter feststellen. Je weiter der Grundwasserspiegel sinkt, desto schwieriger wird es für die Pflanzen, an der Oberfläche an Wasser zu kommen. Und umso wichtiger wird der Regen.

"Wir werden in Zukunft deutlich häufiger so eine Aneinanderreihung von trockenen Jahren haben, die dazu führen, dass so ein Boden richtig nachhaltig austrocknet", sagt der Leiter der Forschungsstation, Ökologe Martin Schädler. Ein oder zwei trockene Jahre seien nicht ganz so schlimm. "Aber, wenn das noch länger dauert, dann sehen wir hier ganz andere Effekte." Denn Trockenheit, Dürre und ausbleibender Regen haben nicht nur Einfluss auf eine aktuelle Ernte, sondern auch auf die Aussaat für das folgende Jahr.

Bauern brauchen einen alternativen Plan für Dürre

"Wenn es so trocken ist im Spätsommer, dass die Aussaat keinen Sinn mehr macht, dann ist auch die Ernte im nächsten Jahr dahin. Dann ist es auch egal, wieviel es im nächsten Jahr regnet", sagt Schädler. Für den Wissenschaftler sei klar: Die Bauern müssten für solche Fälle einen alternativen Plan in der Tasche haben.

So will sich etwa Landwirt Neuling weiter an die sich wandelnden klimatischen Bedingungen anpassen. Dabei versucht er nicht nur seine Feldfrüchte hitzeresistenter zu machen und effizienter zu bewässern, sondern setzt auch auf andere Wirtschaftsbereiche.

"Wo wir uns vom Gesamtbetrieb am meisten anpassen, ist, dass wir uns diversifizieren und weitere Betriebszweige aufbauen", sagt Neuling. Das Unternehmen solle breiter aufgestellt werden. Er plane Biogas- und Photovoltaikanlagen, um die schwankenden Erträge bei der Ernte auszugleichen. Die Landwirtschaft allein rechne sich nicht mehr. "Jedenfalls nicht hier." In Zukunft wäre Neuling dann nicht nur Bauer, sondern auch Energiewirt.

Quelle: mpö

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 19. Juli 2023 | 20:15 Uhr

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