Menschen(an)Schauen Ausstellung in Dresden: "Völkerschauen" und ihre Nachwirkungen

05. November 2023, 10:48 Uhr

Um 1900 waren sogenannte "Völkerschauen" europaweit populär. Auch im Dresdner Zoo wurden dutzende Male Menschen aus nicht-europäischen Ländern als Anschauungsobjekte hinter Zäunen dargeboten. Die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser herabwürdigenden Zurschaustellung sind bis heute spürbar. Die Ausstellung "Menschen(an)Schauen. Von Blicken zu Taten" im Stadtmuseum Dresden will das aufzeigen.

Die Ausstellung "Menschen(an)Schauen" im Stadtmuseum Dresden zeigt ab dem 5. November die Menschen- bzw. Völkerschauen, bei denen Angehörige "ferner Völker" und "Rassen" unter anderem in Tierparks, Hotels oder Restaurants der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Millionen Menschen strömten damals europaweit in diese Zurschaustellungen, die ihren Höhepunkt um 1900 hatten.

Postkarte mit Schrift und den gezeichneten Abbildungen von Menschen verschiedener Völker.
Postkarte zu einer Völkerschau im Zoo Dresden, datiert auf den 27. April 1898 Bildrechte: Kunstanstalt Wilhelm Hoffmann AG, Dresden, Museen der Stadt Dresden

Zoo Dresden veranstaltete Dutzende Völkerschauen

Auch der Dresdner Zoo war seit den 1870er-Jahren einer der zentralen Veranstaltungsorte des Deutschen Kaiserreiches für solche "Völkerschauen". Das Stadtmuseum konnte 65 solcher Veranstaltungen zwischen 1878 und 1934 nachweisen. Die Menschen wurden hinter einem Zaun präsentiert und damit zu Objekten der sie betrachtenden weißen Dresdnerinnen und Dresdner, die dabei Ablenkung und Unterhaltung suchten.

Damals wurden Bilder konstruiert, Stereotypen, Klischees, die bis heute fortwirken.

Christina Ludwig, Direktorin des Stadtmuseums Dresden

Dabei seien, wie beim Theater, bei den "Völkerschauen" unterschiedliche Dramaturgien inszeniert worden, sagt die Direktorin des Stadtmuseums Dresden, Christina Ludwig, "Es ging immer relativ harmlos los. Dann gab es irgendwie eine kriegerische Szene und am Ende dann eine Aussöhnung."

Die Puppe eines schwarzen Mädchens mit gestreiftem Kleid.
Die Puppe erhielt ein sechsjähriges Mädchen 1906 von einem Teilnehmenden einer Menschenschau im Dresdner Zoo überreicht. Ihr Onkel, Direktor bei der Dresdner Schokoladenfabrik Hartwig & Vogel, hatte diese besondere Geschenkübergabe organisiert. Bildrechte: Museen der Stadt Dresden, Foto: Philipp WL Günther

Auswirkungen bis in die Gegenwart

Was damals veranstaltet wurde, hatte aber noch ganz andere Auswirkungen, die bis in die heutige Zeit hinein wirken. So seien Hierarchien aufgemacht worden zwischen den europäischen Menschen und den vermeintlich minderwertigen "fremden Völkern", sagt Ludwig und fasst zusammen: "Damals wurden Bilder konstruiert, Stereotypen, Klischees, die bis heute fortwirken."

Frau als Indianerin kostümiert mit großem Federschmuck auf dem Kopf.
Klischeebilder eines "Indianers" gibt es bis heute als Faschingskostüm. Bildrechte: imago images/Shotshop

Ein plakatives Beispiel dafür sei der Stereotyp des sogenannten "Indianers", bei dem viele einen Menschen mit Federhaube im Kopf hätten. Diese Federhauben seien aber gar nicht typisch für diese Völker, es sei ein Klischee, meint Wagner.

"Völkerschauen" erfahren auch im Zuge der postkolonialen Forschung verstärkte Aufmerksamkeit. Aus dieser Sichtweise gelten sie als koloniales Unrecht, das problematisiert und erinnert werden muss. Die Darstellung der Auswirkungen dieser Völkerschauen bis in die heutige Zeit seien das Novum ihrer Ausstellung, so Ludwig.

Gezeichnete Übersichtskarte des Dresdner Zoos, mit Nummerierungen und darunterstehenden Erläuterungen der Orte.
Historische Übersichtskarte des Dresdner Zoos um 1920, zwischen Meerschweinchen und Nilpferden findet sich eine Fläche zur Schaustellung von Menschen. Bildrechte: Museen der Stadt Dresden

Als kulturhistorische Ausstellung werde den Menschen zunächst das Geschehene nahegebracht. Zudem gebe es aber auch die Zusammenarbeit mit dem Partnermuseum, dem Kunsthaus in Dresden, wo zeitgenössische Kunst aufzeige, was die Gegenwart mit diesem Teil der Geschichte zu tun habe, sagt Ludwig und hebt hervor, dass die Nachwirkung von Menschenschauen bis heute in Form von Rassismus und Alltagsrassismus existieren.

Quelle: MDR KULTUR, Presseinformationen Ausstellung Menschen(an)Schauen, Redaktionelle Bearbeitung: op,lig

Die Ausstellung Menschen(an)Schauen. Von Blicken zu Taten
5. November 2023 bis 7. Juli 2024

Stadtmuseum Dresden
Wilsdruffer Straße 2 (Eingang Landhausstraße), 01067 Dresden

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, Feiertage 10 bis 18 Uhr
Freitag 10 bis 19 Uhr
Montag geschlossen

"Raster der Gewalt. Von Blicken zu Taten"
Zeitgenössische Kunst zur Geschichte und Gegenwart von Rassismus

Ein Projekt in Zusammenarbeit von Kunsthaus Dresden – Städtische Galerie für Gegenwartskunst und Stadtmuseum Dresden. Zu sehen im Stadtmuseum.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. November 2023 | 16:10 Uhr

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