Reinigungskraft bei der Arbeit in einem Bürogebäude.
80 Cent pro Stunde sollen die Flüchtlinge für ihre Arbeit erhalten und unter anderem im Reinigungsdienst von Gemeinschaftsunterkünften eingesetzt werden (Symbolfoto). Bildrechte: imago/Sven Simon

Saale-Orla-Kreis 80 Cent pro Stunde: Landrat will Flüchtlinge zur Arbeit verpflichten

27. Februar 2024, 13:06 Uhr

Der neue Landrat des Saale-Orla-Kreises, Christian Herrgott (CDU), will etwa 150 Flüchtlinge zur Arbeit verpflichten. Damit sollen sich die Menschen schneller integrieren. Wer nicht will, dem drohen finanzielle Sanktionen. Der Flüchtlingsrat kritisiert das Vorgehen.

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Im Saale-Orla-Kreis sollen 150 Flüchtlinge zur Arbeit verpflichtet werden. Laut CDU-Landrat Christian Herrgott betrifft das Männer und Frauen aus Gemeinschaftsunterkünften. Die Regel gelte zum einen für jene, die arbeiten dürfen, dies aber aus verschiedenen Gründen bisher nicht tun. Zum anderen sollen auch Geflüchtete betroffen sein, die nicht auf dem regulären Arbeitsmarkt tätig sein dürfen.

Geplant ist, dass sie an vier Stunden pro Tag gemeinnützige Tätigkeiten übernehmen, beispielsweise Reinigungsarbeiten in der Gemeinschaftsunterkunft oder die Pflege des Außenbereichs.

Träger und Kommunen seien bereits informiert

Herrgott will die Menschen zum Arbeiten animieren, um sie so schneller zu integrieren. Mit Nachdruck: Gezahlt werden 80 Cent pro Stunde - dieser Betrag ist im Asylgesetz reguliert. Lehnen die Flüchtlinge die Arbeit ab, drohen finanzielle Sanktionen. Nach Angaben eines Kreissprechers soll die Arbeit zunächst an Geflüchtete verteilt werden, die freiwillig dazu bereit sind. Der Saale-Orla-Kreis arbeitet dabei mit sozialen Trägern und Kommunen zusammen. Sie seien schon im Dezember angefragt worden, welche Arbeiten die Menschen übernehmen könnten, so der Landrat. Er spricht von einigen positiven Rückmeldungen.

Es ist keine Ausbeutung, wir setzen einfach Recht und Gesetz um.

Christian Herrgott (CDU), Landrat Saale-Orla-Kreis

Christian Hergott
Seit Januar Landrat des Saale-Orla-Kreises: Christian Herrgott. (CDU) Bildrechte: MDR/Alexander Reißland

Saale-Orla-Kreis setzt Arbeitspflicht bereits um

Bereits im Januar habe der Landkreis damit begonnen, die Pläne umzusetzen, die gesetzlich seit Längerem möglich sind. Das Landratsamt koordiniert und unterstützt den Einsatz der Flüchtlinge und stellt Kontakte her. Es sei ein hoher zusätzlicher Aufwand für die Kommunen und die Träger, so Herrgott. Die Flüchtlinge müssten angeleitet und betreut werden. Zudem müssten es Tätigkeiten sein, die auch ohne große Sprachkenntnisse ausgeführt werden könnten. Den Menschen werde mit der Arbeit aber eine Tagesstruktur gegeben.

Zum Aufklappen: Was steht im Asylbewerberleistungsgesetz zur Arbeitspflicht für Flüchtlinge?

Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es im Paragraf fünf: "Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet."

Herrgott, zugleich Generalsekretär der CDU in Thüringen, sieht sich und den Landkreis auf dem richtigen Weg. "Es ist keine Ausbeutung, wir setzen einfach Recht und Gesetz um", sagt er. Er könne nur alle auffordern, es genauso zu tun. Herrgott ist seit Februar neuer Landrat des Kreises und hatte sich knapp gegen den AfD-Herausforderer durchgesetzt.

Kritik von Integrationsbeauftragter und Flüchtlingsrat

Die Thüringer Integrationsbeauftragte Mirjam Kruppa kritisiert eine "populistische Wirkung". Der Vorstoß des Saale-Orla-Kreises suggeriere, dass Asylsuchende nicht arbeiten wollen. Das sei aber falsch. Viele Flüchtlinge kämen gar nicht in den ersten Arbeitsmarkt, obwohl sie es gerne wollten.

Deswegen müssten die Arbeitsverbote komplett abgeschafft werden, damit die Menschen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Das sei aber nur auf Bundesebene zu regeln. Schon jetzt gebe es in den Gemeinschaftsunterkünften viele Menschen, die sich freiwillig einbringen, sagte Kruppa MDR THÜRINGEN.

Mirjam Kruppa, Thueringer Beauftragte fuer Integration, Migration und Fluechtlinge, beim Tag der offenen Tuer in der Thueringer Staatskanzlei
Migrationsbeauftragte Mirjam Kruppa Bildrechte: IMAGO / photo2000

Auch der Flüchtlingsrat Thüringen kritisiert das Vorgehen und sieht viele Menschen diskreditiert. Erst dürften Flüchtlinge nicht arbeiten, später falle der Ausschluss Stück für Stück weg, werde aber den Betroffenen zum Verhängnis gemacht, sagte Sprecherin Liane Kemnitz. Grundsätzlich brauche es keine Verpflichtung zu arbeiten und keine Sanktionen, es brauche aber einen schnelleren Zugang zu Sprachkursen. Wenn man jemanden verpflichten wolle, dann die Träger der Sprachkurse, ausreichend Plätze bereitzustellen, so Kemnitz.

Kemnitz gab auch zu bedenken, dass die Arbeiten, für die die Flüchtlinge nun herangezogen werden sollen, auch als sozialversicherungspflichtige Arbeiten an Unternehmen vergeben werden könnten. Die Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde sei lächerlich.

Landkreis Greiz hatte Idee ebenfalls geprüft, aber verworfen

Martina Schweinsburg, CDU-Landrätin im Landkreis Greiz, sieht "gewisse Komplikationen". Die seien aber nicht rechtlicher, sondern organisatorischer Natur. Die Menschen müssten von der Unterkunft zum Einsatzort gefahren und betreut werden, da stelle sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Die Idee an sich sei gut, der Landkreis Greiz habe so etwas vor einiger Zeit auch geprüft, aber wieder verworfen, sagte Schweinsburg MDR THÜRINGEN.

Die erfahrene Kommunalpolitikerin plädiert für pragmatische Regeln. "Früher war es selbstverständlich, dass wir die Wohnheime sauber gemacht haben. Da musste uns auch niemand bezahlen", sagte sie. Als Präsidentin des Thüringischen Landkreistages wollte sich Schweinsburg nicht zum Thema äußern, dafür fehlten ihr die Bewertungen der Landkreise.

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MDR (kk,jml)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 27. Februar 2024 | 12:00 Uhr

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