Klimaziele Klimaschutz: Wenn Landwirte im Moor stehen

10. Dezember 2023, 05:00 Uhr

Früher sind viele Moore trockengelegt worden, um Platz für Vieh und Felder zu schaffen. Nun sollen viele dieser Flächen wieder vernässt werden. Denn: Moore haben große Bedeutung als Kohlenstoffspeicher. Doch wie gehen die Bauern mit weniger Flächen um?

Früher war hier eine Viehweide und darauf konnte Landwirt Karsten Ittner seine Kühe grasen lassen. Noch viel früher war auf dem Gelände in der Dübener Heide in Sachsen eine Moorwiese. Diese wurde trockengelegt. Diese wurden im Rahmen eines Bundesnaturschutzprojektes wieder vernässt. Denn inzwischen gelten Moorgebiete als besonders wertvoll fürs Klima – mit Folgen für die Landwirte.

Von daher sind wir nicht gerade Fan von der Vermoorung.

Karsten Ittner Landwirt

"Für uns stellt es ein klares Nutzungserschwernis dar", sagt Ittner von der Agrargenossenschaft Sprotta. "Von daher sind wir nicht gerade Fan von der Vermoorung." Auch wenn er Verständnis für Natur und Artenvielfalt habe. Zum Ausgleich erhielt der Bauer vom Landkreis Nordsachsen trockene Flächen zum Eigentum und Feuchtflächen mit viel Schlamm und flachstehendem Wasser günstig zur Pacht. Hinzu kommen noch Zuschüsse für neue Technik. Ittner wurde unfreiwillig zum Moorbauern. Er erlebte schon früh, was auf etliche Bauern jetzt zukommen könnte.

Mehr Moore für den Klimaschutz

Die Vernässung auch der landwirtschaftlich genutzten, trockenen Moorflächen ist Ziel der Bundesregierung. Laut Nationaler Moorschutzstrategie soll es bis 2030 gelingen, jährlich fünf Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Dafür stellte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis90/ Die Grünen) ursprünglich 1,2 Milliarden Euro bereit. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes Mitte November – und den dadurch fehlenden 60 Milliarden Euro – ist derzeit allerdings noch unklar, wie viel Geld nun noch für die Moore ausgegeben werden kann.

Denn: Intakte Moore helfen dem Klima mehrfach. An Land verrotten Pflanzen und setzen CO2 frei. Unter Wasser dagegen bleibt der Kohlenstoff gespeichert. So binden Moore rund viermal mehr Kohlendioxid als Wald oder Acker. Außerdem kühlen sie ihre Umgebung ab und beugen Austrocknung vor.

So hat die Bundesregierung eine Renaturierung von historischem Ausmaß geplant: Seit dem Mittelalter wurden in Deutschland rund anderthalb Millionen Hektar Moore trockengelegt, um Land nutzbar zu machen. Würden alle wieder unter Wasser gesetzt, könnte das 50 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich im Boden binden – ganze sieben Prozent der deutschen Kohlendioxid-Emissionen. Dafür müsste Deutschland aber bis 2045 im Schnitt jährlich 50.000 Hektar vernässen.

"Wenn wir die nicht schaffen, dann verfehlen wir unser Klimaziel", sagt Sophie Hirschelmann von der Succow-Stiftung Greifswald. Es gehe um das gesetzliche Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Dafür würden die Moore unbedingt benötigt. Ansonsten: "Verfehlen wir eben auch unseren Beitrag zum globalen Klimaschutz, dem wir im Pariser Klimaabkommen zugestimmt haben."

Bauer hat nun eine kleinere Herde Kühe

Die Erwartungen sind riesig, die Probleme nicht unwesentlich: Wie kann man Landwirte überzeugen, ihre Böden zu vernässen?  Denn zwei Drittel der einst trockengelegten Moore werden landwirtschaftlich genutzt. Bei Landwirt Ittner sind vor drei Jahren ein Fünftel seiner Flächen wieder vermoort worden. Seitdem habe es auch immer wieder Dürrephase gegeben. "Für unseren Betrieb auf leichtem Boden bedeutet das, dass wir nicht genügend Futter bereitstellen können für die hochleistende Herde."

Deshalb habe er seinen Tierbestand nun reduziert. Statt 300 stehen jetzt nur noch 240 Milchkühe im Stall. Deshalb liefert der Betrieb ein Fünftel weniger Milch – seine Haupteinnahme – an die Molkerei. Außerdem muss Ittner nun teuer Futter zukaufen. "Natürlich fehlt uns auch ein Teil des Grünlands, was inzwischen in Moor verwandelt wurde", so der Landwirt. "Da muss man auch sagen, es waren ja mit die besten Wiesen, weil es ja im Feuchtgebiet war."

Was das ausmacht, in der Summe betrachtet, denke ich mal, um die 30.000 Euro im Jahr.

Karsten Ittner Landwirt

Heute seien für den Bauern diese Wiesen zum Teil nicht mehr nutzbar. "Beziehungsweise klassisch erst mal eine Form vom Einkommensverlust, wenn ich mal allein von der Hektarzahl ausgehe", so Ittner. "Was das ausmacht, in der Summe betrachtet, denke ich mal, um die 30.000 Euro im Jahr, auf alle Fälle."

Reicht die bisherige Förderung nicht aus? 

Jetzt machen sich Moorpflanzen breit, wie Seggen und Binsen, die als Futter für Kühe wenig taugen. Das Wasser stieg deutlich an. Flächen werden unbefahrbar. Um die sinkenden Erträge bei Futtergras auszugleichen, bauen die Landwirte im Projektgebiet den teureren Mais als Viehfutter an. Das vernässte Grünland schmälere den Gewinn. Doch als Pächter auf öffentlichem Land hatten sie keine echte Wahl. Der Landkreis hatte die Flächen gekauft und die Vernässung zur Auflage gemacht.

Doch: Weder die günstige Pacht noch die Agrarförderung gleiche die Verluste aus. "Dadurch, dass das ja Naturschutz-Großprojekt war, war man ja gezwungen, dort mitzuarbeiten und sich einzubringen", sagt Ittner. "Sonst könnten wir gar nicht überleben. Die Fläche wäre weg und wir hätten gar nichts davon. So haben wir wenigstens noch ein bisschen was."

Moore: Die Situation in Sachsen

Aus solchen Fällen habe die Politik gelernt und will die Flächennutzer früher und freiwillig ins Boot holen, sagt der sächsische Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Bündnis90/ Die Grünen). "Unsere Moore liegen zum großen Teil im Gebirge, in den Wäldern." So seien in Sachsen nur wenige Bauern betroffen. Hinzu komme: Wir haben glücklicherweise fast 40 Prozent unserer Wälder in den Händen des Sachsen-Forstes." Der Großteil des Moor-Programmes finde in den Wäldern und auf Flächen des Sachsen-Forstes statt.

Trotzdem planen Sachsen wie Sachsen-Anhalt gerade große Moor-Projekte, von denen auch Landwirte betroffen sein werden. Wenn die freiwillig mitmachen sollen, brauchen sie deutlich attraktivere Angebote als in der Vergangenheit. Denn laut Landwirt Ittner würde sich sonst keiner freiwillig darauf einlassen: "Weil er von der Fläche abhängig ist. Und es wird jeden Tag weniger Fläche in Deutschland. Aber der Ernährungszwang nimmt ja nicht ab, sondern der nimmt er zu." In diesem Dilemma stecke jeder Landwirt, wenn er Fläche etwa für Moore abgebe.

Solche Konfliktfälle dokumentiert die Moorexpertin Hirschelmann aus Greifswald. Trotzdem ist sie optimistisch, da nur ein kleiner Teil der Landwirtschaft auf entwässerten Moorböden liegt. "Die Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion ist jetzt nicht so groß. Es sind fünf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, die aber eben einen sehr großen Klimaeffekt haben. Da können wir sehr viele Klimagase auf einer relativ kleinen Fläche einsparen."

Sind Wasserbüffel eine Lösung?

Doch die Herausforderung für betroffene Landwirte bleibt: Was tun mit den nassen Flächen? Bauer Ittner liebäugelte vor Jahren mit Wasserbüffeln und besuchte damals einen Züchter im Altenburger Land. Die Tiere beeindruckten ihn. Doch angeschafft hat er keine: "Wasserbüffel sind ein bisschen speziell. Die sind ziemlich menschengeprägt." Bei häufig wechselndem Personal sei es schwierig mit der Herdenführung. "Da scheuen wir uns so ein bisschen vor."

Dabei sind Wasserbüffel die einzigen großen Nutztiere, die perfekt im Moor zurechtkommen. Es sind gute Schwimmer und robust. Anders als Hochleistungskühe verzehren sie auch Schilf und Seggen, die im Moor wachsen. Gefördert werden sie wie Stallrinder, doch ihre Haltung im Freien ist aufwändiger und braucht eigentlich Anschubhilfen.

Also, wenn es die Fälle gibt, sind wir sehr offen, dort Lösungen zu finden.

Wolfram Günther Landwirtschaftsminister in Sachsen

"Also, wenn es die Fälle gibt, sind wir sehr offen, dort Lösungen zu finden", erklärt Landwirtschaftsminister Günther gegenüber MDR Investigativ. "Dass wir bei den Mooren vorankommen, das ist wirklich ein gemeinsames Anliegen."

In der Nationalen Moorschutzstrategie verspricht die Politik, die Agrarförderung neu auszurichten, so dass sie künftig die Gemeinwohl-Leistung von Moor-erhaltender Bewirtschaftung angemessen berücksichtigt. Doch wie, ist noch unklar. Die Details will das Bundesumweltministerium erst Anfang 2024 veröffentlichen.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 01. November 2023 | 20:15 Uhr

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