Die Bürgermeisterkandidaten in Kemberg, Torsten Seelig (CDU) und Matthias Lieschke (AfD) v.l.n.r.
Torsten Seelig (CDU) und Matthias Lieschke (AfD) wollen Bürgermeister in Kemberg werden (v.l.n.r.). Bildrechte: Torsten Seelig/MDR/André Damm

Landkreis Wittenberg Bürgermeisterwahl in Kemberg: Duell zwischen CDU und AfD

24. August 2023, 08:34 Uhr

Bei der Bürgermeisterwahl in Kemberg im Landkreis Wittenberg kommt es zu einem Zweikampf. Am 3. September haben etwa 8.400 wahlberechtigte Einwohner darüber abzustimmen, ob der bisherige Rathauschef Torsten Seelig eine weitere Amtszeit bestreiten kann oder nicht. Auch Matthias Lieschke von der AfD kandiert um das kommunale Spitzenamt. Der Landtagsabgeordnete will einen ähnlichen Coup wie sein Parteifreund Hannes Loth einfahren, der Anfang Juli zum Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz gewählt wurde.

MDR-Reporter André Damm
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Der Wahlkampf in Kemberg beginnt mit Raguhn-Jeßnitz. Dort im Nachbar-Landkreis Anhalt-Bitterfeld war Anfang Juli Hannes Loth zum ersten AfD-Bürgermeister Deutschlands gewählt worden. Die Partei feierte sich, dass sie endlich einen Fuß in einer Rathaustür hat. Und das lange sieben Jahren lang. Das will Matthias Lieschke nun auch in Kemberg im Landkreis Wittenberg schaffen: "Wir schauen natürlich, wo wir Chancen und geeignete Kandidaten haben. Raguhn-Jeßnitz war ein Meilenstein, in Bad Schmiedeberg hat es leider nicht geklappt. Aber in Kemberg rechnen wir uns etwas aus."

Lieschke, ein 52-jähriger Mann mit blonden Haaren, spricht gern in der Wir-Form. 2014 ist der inzwischen dreifache Vater in die AfD eingetreten, 2016 in den Landtag gewählt worden. Für AfD-Verhältnisse fast ein Veteran der ersten Stunde. "Wir haben derzeit einen Lauf. Das liegt aber nicht unbedingt an uns, sondern weil die anderen Parteien so schwach sind."

Lieschke, der auf dem flachen Elbauen-Land im Dörfchen Bietegast wohnt, will das ausnutzen. In seinem Wahlkampf spielt dabei die AfD eine untergeordnete Rolle. Zurückhaltend sagt der gelernte Schlosser und spätere Kfz-Meister, dass er den Einwohnern der Einheitsgemeinde Kemberg erst einmal eine richtige Wahl bieten wolle. "Es soll eine demokratische Entscheidung geben. Sonst wäre ja nur der Bürgermeister allein angetreten."

Dabei gibt sich Lieschke bürgernah. Die Parteimitgliedschaft sei doch nicht entscheidend, sagt er. Ob AfD oder CDU, das sei den Leuten eigentlich egal. "Ich komme von hier, kenne mich aus, weiß, wo die Probleme liegen." Er nennt den Straßenbau, den Hochwasserschutz und einiges mehr. Ab und zu lässt er aber einen Seitenhieb fallen. "Wenn man es genau betrachtet, ist heute die AfD wie früher die CDU. Nur moderner."

Parteitag: AfD-Spitze kündigt Sturm auf Rathäuser an

Dass die Christdemokraten aber zu keiner Zeit durch völkische Reden, offene Ausländerfeindlichkeit oder krude Verschwörungstheorien auffielen, lässt der Mann aus Bietegast außen vor – auch, dass die AfD in Sachsen-Anhalt als politische Heimat Rechtsextremer gilt und unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Von einem Schmuddel-Image will Lieschke jedenfalls nichts wissen. Der 52-Jährige sagt stattdessen, dass es zur Normalität gehört, wenn die AfD bald wichtige kommunale Ämter besetzt. So wie es beim Sachsen-Anhalt-Parteitag im April vorgegeben wurde. Damals hatte die AfD-Spitze einen Sturm auf die Rathäuser angekündigt.

Aktueller Rathauschef seit 2009 im Amt

Diesem Sturm stellt sich Torsten Seelig entgegen – der 59-jährige Rathauschef, den viele Einwohner als Glücksfall für Kemberg bezeichnen. Seit zwei Amtsperioden lenkt der dreifache Vater die Geschicke der Einheitsgemeinde, zu der 28 Ortsteile zählen. Zuvor war er schon Verwaltungschef. Es gibt viele Einwohner in der Gegend, die mit Torsten Seelig als Bürgermeister aufgewachsen sind. Der selbstbewusste und zugleich hemdsärmelig wirkende Mann ist eine Konstante, gilt als gut vernetzt und umtriebig. Vor sieben Jahren wollte – wegen vermeintlicher Chancenlosigkeit – niemand gegen ihn antreten.

Jetzt aber kommt zum Zweikampf. Seelig gibt sich betont gelassen. "So ist das bei einer Wahl. Die Bürger sollen entscheiden, wem sie vertrauen. Ich denke, ich habe für Kemberg und die Ortsteile viel erreicht. Da wären andere Orte neidisch drauf. Und ich habe noch eine Menge vor." Als Beispiele führt er stabile Kita-Gebühren an, Straßenbauvorhaben und geplante neue Radwege.

Bürgermeister verzichtet auf Wahlkampfhilfe

Seinen Wahlkampf will er nicht eigens auf die AfD zuschneiden. "Warum sollte ich das tun?", fragt er und antwortet selbst. Bisher seien diese Leute weder durch Ideen noch durch konkrete Projekte aufgefallen, findet der Bürgermeister. Er wisse dagegen, wie viel Mühe es mache, für Bauvorhaben Mehrheiten zu finden und Fördergeld aufzutreiben. Seelig, der in der waldreichen Gegend in Uthausen lebt, verzichtet deshalb freiwillig auf Wahlkampfhilfe. "Die CDU unterstützt mich schon, aber hier muss nicht jeden Tag ein Prominenter aufkreuzen. Schließlich habe ich zu arbeiten."

Dass die anderen Parteien im Stadtrat zur bevorstehenden Bürgermeisterwahl bislang geschwiegen haben, ist für Seelig auch kein Problem. "Jeder hat seine freie Meinung und wird die am Wahlsonntag zum Ausdruck bringen." Er brauche keine Wahlempfehlung, sagt der Mann mit den kurzen dunklen Haaren.

Nach Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz: Kritik an fehlender Unterstützung durch demokratische Parteien

Im Nachgang der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz war genau das kritisiert worden. Der mit 49 Prozent knapp unterlegene Kandidat Nils Naumann fühlte sich unzureichend von den demokratischen Parteien unterstützt. Kritisch sah er auch die Rolle der Medien, die ihren Fokus auf den möglicherweise ersten demokratisch gewählten AfD-Kandidaten gerichtet hatten und diesen damit erst populär machten. 

Torsten Seelig lässt sich davon nicht beeindrucken. In seinem Wahlkampf spart er auch mit Plakaten. Und die wenigen großen Aufsteller, erzählt der Rathauschef, lassen sich später wiederverwerten. Unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht.

MDR (André Damm, Anne Gehn-Zeller) | Erstmals veröffentlicht am 23.08.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 23. August 2023 | 15:30 Uhr

11 Kommentare

Bernd_wb vor 37 Wochen

@enkschnecke richtiger Einwand. Bei 8.400 Einwohnern kennt man die Kandidaten. Und die Frage ist hat es der bisherige gut gemacht oder traut man dem Herausforderer zu es besser zu können. Finde die Aussagen des CDU Mannes gut der auf Hilfe von außen verzichtet. Könnte ihm nutzen

Thommi Tulpe vor 37 Wochen

Lol. Shantuma. Logischerweise wird sehr sicher jener gewinnen, der die meisten Wählerstimmen, folglich die "größte Unterstützung seitens der Bevölkerung" erhält. Das Ganze nennt man Demokratie, welche die Blaubraunen aber bei wirklicher Macht zu gern abgeschafft hätten.

Thommi Tulpe vor 37 Wochen

Der MDR als Öffentlich-Rechtlicher sollte nicht Fehler wiederholen, welche man bei der Landratswahl in Sonneberg und der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz gemacht wurden: Vorrangig über Rechtsaußen-Kandidaten berichten, die so in den Fokus zu stellen, dass der Eindruck entsteht, es gebe einzig diesen Blaubraunen zu wählen bzw. dieser hätte die Wahl bereits gewonnen.
Jeder Blaubraun-Wähler weiß, dass seine Stimme eine sinnlos verschleuderte ist. Deutschlandweit wollen nach gegenwärtigen Umfragen um die 80 Prozent der Wähler diese Partei der Ausgrenzung, der Ablehnung gegenüber allen scheinbar Fremden, der Angst- und Panikmache nicht, in Sachsen-Anhalt sind es um die 70 Prozent.
Wie begegnen die Blaubraunen der Demokratie? Sie verhöhnen und diffamieren tagtäglich demokratische Parteien, lehnen ab und torpedieren das, was von den verhassten "Altparteien" kommt. Im Fall des Erfolges erwarten die aber, dass die Demokratie demokratisch mit denen umgeht. Sehr schizophren - denke ich.

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