Ein Schädel 7 min
Die Meckelschen Sammlungen Halle umfassen rund 8.000 anatomische Präparate und sind "national wertvolles Kulturgut". Nun ist ein Teil davon in einer Sonderausstellung zu sehen. Theo M. Lies berichtet. Bildrechte: MDR/Anja Nititzki

Medizingeschichte Meckelsche Sammlungen Halle zeigen Sonderausstellung mit Anatomie-Präparaten

12. April 2024, 13:23 Uhr

Die Meckelschen Sammlungen in Halle gehören zu den Schätzen der Wissenschaft: Mit einem Umfang von rund 8.000 anatomischen Präparaten zählen sie zu den größten ihrer Art. Wegen ihrer medizinhistorischen Seltenheit sind sie seit 2015 "national wertvolles Kulturgut". Die ersten Objekte hat bereits der 1724 geborene Berliner Anatom und Arzt Johann Friedrich Meckel d. Ä. für Forschung und Lehre gesammelt. Eine Sonderausstellung erinnert nun an seinen 300. Geburtstag und 250. Todestag.

Der klar gegliederte, sachliche Backsteinbau steht am Rande des einstigen Universitätsklinikums in der halleschen Innenstadt. "Anatomie" steht da seit 1880 selbstbewusst in großen dunklen Lettern über dem Eingangsportal. Das führt auch zu den Meckelschen Sammlungen, die hier unter dem Dach ihre Heimstatt gefunden haben. Dort wartet eine imposante Vitrinenlandschaft mit einer schier unglaublichen Vielfalt und Anzahl an anatomischen und entwicklungspathologischen Präparaten auf. Diese liefern Wissenschaftlern aus aller Welt bis heute genügend Forschungsstoff.

Historische Lehr- und Forschungssammlung

Die Meckelschen Sammlungen zeigen u.a. Anomalien (Missbildungen), bei Mensch und Tier: So wurden doppelköpfige Kälber, siamesische Zwillinge oder menschliche Torsi ohne Gliedmaßen für die Sammlung präpariert und dienen seitdem vor allem als Anschauungsmaterial für angehende Mediziner.

Blick auf ein anatomisches Präparat, dass die einen Menschen von hinten mit Einsicht auf seine Organe zeigt
Ein Präparat der Meckelschen Sammlungen Halle, das Einblick auf menschliche Organe gewährt. Bildrechte: MDR/Anja Nititzki

Das sei deren ureigenster Zweck, verweist Kuratorin Claudia Steinicke auf die wesentliche Aufgabe der Sammlung: "Es war damals schon bei der Gründung kein Museum, kein Kuriositätenkabinett, sondern eine reine Lehr- und Forschungssammlung." Damals – vor 300 Jahren – hätte es eben einen Mangel an Leichen gegeben, an denen anatomische Kenntnisse vermittelt werden konnten. So wären die Anatome jener Zeit gezwungen gewesen, dauerhafte Präparate herzustellen.

Auch heute sei die Sammlung mit ihren für den Laien oft imposant und kurios anmutenden Exponaten eben keine Publikumsschau. Allerdings gibt es seit geraumer Zeit eine öffentliche Führung, bei der mit nötigem Sachverstand einmal im Monat historische, ethische und medizinische Zusammenhänge erläutert werden können.

Anatomisches Modell mit inneren Organen steht in einer Vitrine.
Ein sehr seltener Fall von Situs inversus totalis: Die Leber ist links und das Herz rechts. Bildrechte: Institut für Anatomie und Zellbiologie

Die Sonderausstellung jedoch ist ohne Anmeldung und Beschränkung an drei Nachmittagen in der Woche zugänglich. Dazu wurde ein kleinerer Schau-Raum mit besonderen Exponaten bestückt, die vor allem den Werdegang der Sammlung beschreiben. Dort beeindruckt gleich in der ersten Vitrine ein präparierter menschlicher Torso, der den Blick auf die inneren Organe zulässt. Deren Lage ist ungewöhnlich: Sie sind spiegelverkehrt angeordnet bei diesem Situs inversus totalis. Das sei, so Claudia Steinicke, nicht nur ein historisch sehr wichtiges Präparat, weil es zu den ältesten in der Sammlung gehöre und noch aus der Ära von Johann Friedrich Meckel dem Älteren stamme, es sei auch extrem selten, dass hier die Leber eben links sei und das Herz rechts.

Sonderschau zeigt Original-Präparate

Dann zeigt Claudia Steinicke auf ein Hühnerskelett, das auf den ersten Laien-Blick wenig verrät. Doch der Zeigefinger der Sammlungskuratorin verweist auf den hinteren Teil und auf zwei, wenn auch verkümmerte, weitere Beinchen: "Das ist der Meckel-Hahn!" Das Tier hat tatsächlich vier Beinchen gehabt und wuchs auf dem Hühnerstall von Meckel Senior auf, bevor er dann präpariert worden und schließlich auch in der Sonderausstellung zu sehen ist. Nicht alle Exponate sind leichte Kost, auch deshalb sollten die Besucher mindestens 16 Jahre alt sein, verweist Claudia Steinicke auf eine weitere Besonderheit im Institut. 

Nahaufnahme des Skelett eines Hahns mit vier Beinen.
Der sogenannte Meckel-Hahn hatte vier Beine und gehört zu den wenigen noch erhaltene Originalen der Sammlung Johann Friedrich Meckels. Bildrechte: MDR/Mario Hesselbarth

Allerdings steht nicht nur dieser kleine Sonderausstellungsraum für die nächsten drei Monate unkompliziert für Besucher offen. Auch die zahlreichen Vitrinen des vergleichend-anatomische Sammlungsbereichs sind zugänglich. Der umfasst Skelette von Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugetieren sowie viele Feucht- und Weichtierpräparate. Allein hier sind etwa 3.500 Exponate zu sehen, die meist noch aus der Meckelschen Privatsammlung stammen.

Restriktiver sei der Zugang zum human-anatomischen Bereich. Das habe auch seinen Grund in noch offenen Fragen zur Provenienz einzelner Positionen. Vor allem, wenn ein kolonialer Zusammenhang vermutet werden könne, beschreibt Claudia Steinicke die aktuelle Diskussion. Das betrifft beispielsweise Schädel oder Körperteile, die der hallesche Forschungsreisende Riebeck im 19. Jahrhundert sammelte. Da werde aber intensiv geforscht, um solche weißen Stellen in der Biografie der Sammlung zu tilgen. 

Meckel und Söhne – eine Anatomen-Dynastie

Der Sammlungsgründer Johann Friedrich Meckel der Ältere hinterließ nach seinem Tod 1774 alle Präparate seinem Sohn, der ebenfalls Medizin studiert hatte und 1779 an die hallesche Universität als Anatomie-Professor berufen wurde. Im Gepäck hatte dieser Philipp Friedrich Theodor Meckel (1755–1803) die Sammlung seines Vaters, die er dann wiederum seinem Sohn übergab. Auch der führte als Arzt und Anatom die Familientradition mit dem Blick auf die bereits auf mehrere Tausend Exemplare angewachsene Kollektion fort.

Drei Schädel liegen in einer Vitrine
Blick in den human-anatomischen Bereich der Meckelschen Sammlungen. Bildrechte: MDR/Anja Nititzki

Unter der Ägide von Johann Friedrich Meckel dem Jüngeren (1781–1833) sollte sie sogar noch auf etwa 16.000 Präparate beträchtlich erweitert worden sein. Nach dessen Tod kaufte die hallesche Universität dann von der Meckelwitwe den Bestand auf und bewahrt bis heute nicht nur das Erbe der Meckel-Dynastie. Nachfolgende Professoren auf dem halleschen Anatomie-Lehrstuhl profitierten dabei nicht nur von der Anschaulichkeit der Objekte, sondern erforschten auch die Geschichte der Sammlung, die nun weitgehend dokumentiert und auch restauriert werden konnte.  

Über die Sammlung

Meckelsche Sammlungen
Institut für Anatomie und Zellbiologie
Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg
Große Steinstraße 52
06108 Halle

Öffnungszeiten der Sonderausstellung:
12. April bis 31. Juli 2024
Mittwoch bis Freitag 13 bis 18 Uhr (außer an Feiertagen)
Mindestalter 16 Jahre

Redaktionelle Bearbeitung: tmk, hki

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. April 2024 | 12:10 Uhr

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