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An der Uni Halle haben sich studentische Mitarbeiter unter anderem bei den Warnstreiks Ende vergangenen Jahres für ihre Arbeitsrechte eingesetzt. Bildrechte: Anton Droof

Studierende Schreiben für den MDR Studenten streiten für Arbeitsrechte an der Uni

20. März 2024, 15:14 Uhr

Studentische Mitarbeiter an Universitäten, sogenannte Hiwis, sind eine der größten Beschäftigungsgruppen ohne Tarifvertrag im öffentlichen Dienst. Seit einiger Zeit engagiert sich ein Bündnis in Halle für die tarifliche Absicherung von Betroffenen. Bei den Verhandlungen konnten sie dieses Ziel nicht erreichen, ganz erfolglos waren sie dennoch nicht. Ein Gastbeitrag eines Studenten aus Halle.

Dieser Text ist im Rahmen des Projekts "Studierende schreiben" in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entstanden.

An den Universitäten in Sachsen-Anhalt waren Anfang des Jahres etwa 1.800 studentische Mitarbeitende, sogenannte Hiwis (kurz für Hilfswissenschaftler), beschäftigt. Das Problem an diesen Jobs: Diese Hiwis sind als einzige Beschäftigungsgruppe vom Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes ausgenommen. Dadurch genießen sie viele Vorteile ihrer Kollegen nicht, obwohl sie zum Teil die gleiche Arbeit leisten. Ende vergangenen Jahres gab es unter anderem deshalb Warnstreiks an den Universitäten in Sachsen-Anhalt.

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Warnstreik in Leipzig am Mittwoch kurz vor der dritten Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder. Auf einer Kundgebung wird auf einem Transparent auch ein "TV Stud", ein Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte gefordert.
Warnstreik in Leipzig am Mittwoch kurz vor der dritten Runde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder. Auf einer Kundgebung wird auf einem Transparent auch ein "TV Stud", ein Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte gefordert. Bildrechte: Jasmin Koch

Student aus Halle: Hiwis werden zu wenig wertgeschätzt

Im November beschäftigte sich auch Sachsen-Anhalts Landtag mit der Frage nach einem Tarifvertrag für studentische Mitarbeiter. Der CDU-Abgeordnete Marco Tullner erklärte: Man sei doch "dankbar, wenn man von Professor A und B etwas lernen könne". Tariflich geregelte Arbeitsbedingungen würden die Universitäten zu "Behörden" machen und den Wissens- und Forscherdrang ersticken, der an Universitäten zuhause ist.

Benedikt Bader sieht das anders. Er ist seit zwei Jahren studentischer Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität in Halle. Seit 2022 engagiert er sich im Rahmen der Initiative "TV Stud Sachsen-Anhalt" für den sogenannten TV Stud, einen Tarifvertrag für Hiwis im Universitätsbetrieb. Er sieht im Fehlen des Tarifvertrags für studentische Beschäftigte eine mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit in ganz Deutschland: "Hiwis sind die kleinen unsichtbaren Leute, die das Ding am Laufen halten."

Benedikt Bader von der TVStud in Halle
Benedikt Bader kämpft seit zwei Jahren für den Tarifvertrag für studentische Mitarbeitenden an Hochschulen. Bildrechte: Felix Jakobs

Studentische Mitarbeiter erledigen Arbeit in vielen Bereichen

Um Licht auf die Situation der betroffenen Studenten zu werfen, hat ein deutschlandweites Bündnis von TV-Stud-Initiativen gemeinsam mit den Gewerkschaften Verdi und GEW die Studie "Jung, Akademisch, Prekär" beim Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen in Auftrag gegeben. Im Rahmen dieser Arbeit wurden mehr als 22.000 Hilfswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu den Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft befragt.

Offiziell haben die Hiwis Aufgaben im Bereich der Dienstleistung in Forschung und Lehre. Daran ist ihre Ausnahme vom Tarifvertrag geknüpft. Laut der Studie übernehmen studentische Beschäftigte im Durchschnitt 4,4 unterschiedliche Aufgaben bei ihrer Arbeit. Zwei davon fallen demnach in den Bereich Technik und Verwaltung – und damit nicht in ihren eigentlichen Aufgabenbereich. Ein Streik studentischer Mitarbeiter könnte deshalb den Universitätsbetrieb erheblich beeinträchtigen.

Beschäftigungszeiten reichen nur von einem kurzen Vertrag zum Nächsten

Benedikt Bader und seine Initiative erkennen einige Problemlagen, die sich im Arbeitsalltag der Hilfswissenschaftler ändern müssten. Studentische Mitarbeiter erhalten nur sehr kurz befristete Verträge. Laut der Studie ist ein studentischer Arbeitsvertrag in Sachsen-Anhalt im Schnitt auf sechs Monate befristet und wird meist erst kurz vor Vertragende erneuert.

Wenn ich einen Drei-Monatsvertrag habe, dann kämpfe ich dafür nicht, dann mache ich das und danach mache ich etwas anderes.

Benedikt Bader, Mitglied der Initiative TVStud Sachsen-Anhalt

Bundesweit haben studentische Beschäftigte im Schnitt bereits rund fünf aufeinanderfolgende Arbeitsverträge abgeschlossen. Diese Praxis der Kettenbefristung macht es für sie unmöglich, längerfristig zu planen. Und sie erschwere, gegen diese Verhältnisse vorzugehen, sagt Benedikt: "Wenn ich einen Drei-Monatsvertrag habe, dann kämpfe ich dafür nicht, dann mache ich das und danach mache ich etwas anderes."

Studenten in einer Vorlesung 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa

Studenten arbeiten an der Uni in ungleichen Machtverhältnissen

Studentische Mitarbeiter befinden sich immer in einem Abhängigkeitsverhältnis. Ihr Professor ist nicht nur Arbeitgeber, sondern auch ein Lehrer, der die Noten vergibt. "Das ist natürlich so ein Verhältnis, wo man sich zweimal überlegt, ob man jetzt was sagt, wenn man schon wieder Überstunden gemacht hat", sagt Benedikt, "Das merken wir ganz oft, dass Leute einfach Angst haben mit ihrem Prof zu reden." In der Studie gaben nur etwa 56 Prozent aller Befragten an, ohne Angst vor Konsequenzen Rechte einfordern zu können.

Campus Martin Luther Universität Halle
An der Uni Halle sind nach eigenen Angaben 1.039 studentische Hilfskräfte beschäftigt. Bildrechte: imago images / Steffen Schellhorn

Die Stelle als Hiwi ist oft der erste richtige Kontakt mit der Arbeitswelt

Viele Beschäftigte sind sich ihrer Rolle als Arbeitnehmer nicht bewusst. Denn Stellen als Hilfswissenschaftler werden oft informell im Rahmen einer persönlichen Ansprache nach dem Seminar oder der Vorlesung vergeben. Lediglich 31 Prozent der studentischen Mitarbeiter in Sachsen-Anhalt sind laut Studie durch eine klassische Stellenanzeige an ihren Nebenjob gekommen. Der Rest wurde persönlich angesprochen oder auf einem anderen Weg informell rekrutiert. Laut Benedikt Bader fühlen sich viele durch diese persönliche Auswahl geehrt: Sie meckern nicht bei Überstunden und geben sich mit dem Mindestlohn zufrieden.

Bei vielen ist die Tätigkeit als Hilfswissenschaftler außerdem das erste richtige Anstellungsverhältnis. Die jungen Arbeiter wissen oft gar nicht, dass sie Anspruch auf Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben und nehmen diese Rechte dementsprechend auch nicht wahr. In Sachsen-Anhalt arbeitet beispielsweise rund ein Drittel der Hilfswissenschaftlerinnen Krankheitstage nach, obwohl sie Anspruch auf Lohnfortzahlung haben.

Es wär natürlich schön, wenn es den einen fiesen Boss gäbe und einzelne Schuldige kann man auch ausmachen, aber es ist insgesamt ein System, das sich so eingeschliffen hat.

Benedikt Bader, Mitglied der Initiative TVStud Sachsen-Anhalt

Einen klaren Verantwortlichen für die Situation der studentischen Arbeiter auszumachen ist nicht einfach. "Es wär natürlich schön, wenn es den einen fiesen Boss gäbe", sagt Benedikt, "einzelne Schuldige kann man auch ausmachen, aber es ist insgesamt ein System, das sich so eingeschliffen hat."

Die Martin-Luther-Universität verweist auf Anfrage auf die Verhandlungen der Tarifgemeinschaft mit den Gewerkschaften. Die Tarifgemeinschaft wiederum verweist auf die Haushaltspläne ihrer Mitgliedsländer, die durch die Krisen der vergangenen Jahre stark strapaziert sind.

Auch ohne Tarifvertrag sieht das Bündnis an der Uni Halle Erfolge

Vor diesem Hintergrund sind Benedikt Bader und die Initiative stolz darauf, was sie erreicht haben: "Vor drei Jahren waren beim Warnstreik an der Uni 80 Leute. Dieses Jahr waren wir trotz richtig schlechtem Wetter 300 Leute. Das sind die kleinen Erfolge, die man nicht auf dem Papier sieht, die aber trotzdem verdammt wichtig sind." Bei den Verhandlungen im Dezember mussten Bader und seine Mitstreitenden zwar über ihre Schmerzgrenze gehen, trotzdem waren die Verhandlungen nicht erfolglos.

Demonstration
Bei den Streiks im öffentlichen Dienst war das Bündnis TV Stud sichtbar. Bildrechte: Anton Droof

Am Ende wurde es kein Tarifvertrag, sondern eine "schuldrechtliche Vereinbarung". In dieser wurde eine Mindestvertragslaufzeit von zwölf Monaten vereinbart, womit man der Praxis der Kettenbefristung ein Ende setzen möchte. Darüber hinaus haben sich die Verhandlungsparteien geeinigt, das Entgelt ab dem nächsten Sommersemester von 12 auf 13,25 Euro zu erhöhen.

Für Benedikt aber fast am wichtigsten: In einer Klausel wurde festgehalten, dass in zwei Jahren erneut über den TV Stud verhandelt werden soll. So behalte das Bündnis einen Fuß in der Tür. Mit Blick auf die Zukunft ist er vorsichtig optimistisch: "Wir haben verdammt viel geschafft und wir haben eine gute Ausgangslage für die nächsten zwei Jahre. Gewerkschaften und Hochschule war lange kein Thema – und das ist jetzt anders."

Ein junger Mann mit Brille lächelt in die Kamera
Bildrechte: Felix Jakobs

Über den Autor Felix Jakobs studiert seit Oktober 2023 den Master Multimedia und Autorschaft in Halle. Davor
hat er seinen Bachelor in Medien- und Politikwissenschaft an der Universität Trier absolviert.
Während seines Studiums hat er sowohl für Print als auch für Radio und Fernsehen gearbeitet.
Am liebsten recherchiert er zu lokalen und skurrilen feel-good Themen mit interessanten Protagonisten.

Mehr zum Thema Uni, Hochschule und Studium in Sachsen-Anhalt:

MDR (Maren Wilczek)

MDR SACHSEN-ANHALT

2 Kommentare

hilflos vor 5 Wochen

Ja was soll das Theater. Soll man doch froh sein, dass man mehr als Mindestlohn bekommt. Letztlich verdienen sich die Studenten etwas hinzu und haben oft den Vorteil Erfahrungen und Wissen zu erfahren

DanielSBK vor 5 Wochen

Ich könnte es jetzt einfach mit 2 Worten sagen: Geht arbeiten!

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