Ein Ort, der verpflichtet Leipzig: Robert-Capa-Haus als Erinnerungsort neu eröffnet

05. September 2023, 04:00 Uhr

Dieses Haus in Leipzig hat Geschichte geschrieben. Im April 1945 hat der Fotograf Robert Capa hier das ikonische Bild vom "letzten Toten des Zweiten Weltkrieges" gemacht. Nun wurde das Capa-Haus vom Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig wiedereröffnet – als Geschichtsort und Erinnerungsstätte ganz auf das Erbe Capas zugeschnitten.

Das Eckhaus ist nicht pompös, nicht besonders auffallend. Die Fassade ist ockerbeige gestrichen, eine leicht schmuckvolle Architektur aus dem 19. Jahrhundert. Es steht in der Jahnallee 61 im Leipziger Stadtteil Lindenau.

Von außen dringt Straßenlärm dezent in die Räume, innen erzählt eine kleine Ausstellung die Lebensgeschichte des Namensgebers: Robert Capa (1913-1954). Er war Kriegsreporter und vor allem Kriegsfotograf. Geboren wurde er als Endre Ernő Friedmann in einer jüdischen Familie in Budapest. Weil er sich politisch engagierte, musste er fliehen und landete im Exil in Paris. Dort traf er auf die ebenfalls geflohene Jüdin Gerta Pohorylle. Beide wurden nicht nur privat ein Paar, sondern auch beruflich. Sie machten sich beide als Kriegsfotografen einen Namen.

Schwarz-Weiß-Bild von Robert Capa: Ein Mann mit nach hinten gekämmten Haaren und Zigarette im Mund.
Robert Capa begleitete mehrere Kriegseinsätze. Bildrechte: imago/United Archives International

Jüdisches Leben in Leipzig

Gerda Taro und Robert Capa – beide mit anderen Namen ausgestattet, beide mit einer jüdischen Identität und beide mit einem Bezug zu Leipzig. "Das macht sie so besonders", sagt Nora Pester, Autorin und Verlegerin. Ihr Verlag Hentrich und Hentrich hat seinen Sitz nun auch im Capa-Haus. Ein Verlag, der sich explizit jüdischen Kontexten widmet. Die Biografien der beiden Kriegsfotografen hat Nora Pester nochmals aufgearbeitet – vor allem mit Blick auf die Familie Pohorylle.

ine Fotowand zeigt ein junges Frauengesicht, darunter steht: Gerda Taro (1910-1937). Im Hintergrund ist eine Bar zu sehen.
Das Capa-Haus erinnert auch an die langjährige Partnerin den Reporters: Gerda Taro. Bildrechte: MDR/Blanka Weber

Die Wurzeln dieser Familie liegen in Ostgalizien. Über Stuttgart zog die Familie nach Leipzig, wo der Vater ein kleines Unternehmen eröffnete. Gerda Taro wurde also in Leipzig groß, kam erstmals mit linken politischen Gruppen in Kontakt und begeisterte sich für die politische Arbeit. Aus demselben Grund wie Robert Capa musste auch sie bald fliehen und ihre Wege führten sie nach Frankreich. 

Ort für Geschichte und Erinnerung

An beide Menschen soll im Capa-Haus nun erinnert werden: Bilder, Tafeln, Fotoarbeiten sind zu sehen und erzählen etwas über den Beruf und die Menschen hinter der Kamera. 70.000 Negative hat Robert Capa hinterlassen, darunter Werke von ikonischer Bedeutung. Es sind Bilder, die heute wie ein Signet in den Geschichtsbüchern zu finden sind, die zu Filmvorlagen wurden und einzigartige Dokumente der Geschichte sind. 

Für uns als Stadtgeschichtliches Museum ist dies ein wichtiger Anker, um Themen wie NS-Diktatur, Befreiung und Krieg künftig noch stärker und glaubwürdiger mit den historischen Bauzeugen zeigen zu können.

Anselm Hartinger, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig

Künftig soll das Haus, das durch eine bürgerschaftliche Initiative gerettet wurde, ein Begegnungsort sein. Ausstellungen, Gespräche, politische Bildung, Vereinsarbeit – für all das sei man offen und werde den Ort entsprechend entwickeln, so Anselm Hartinger vom Stadtgeschichtlichen Museum in Leipzig. "Ich bin auch sehr froh, dass die Stadt sich dazu bekannt hat, die Mittel zur Verfügung gestellt hat", so Hartinger. "Es ist Teil des Konzeptes der Erinnerungskultur, das wir jetzt in Leipzig haben, was sich bewähren wird, mit Vereinen und Partnern."

Historische Fotografien

Auch Nora Pester sieht das Robert-Capa-Haus als einen Ort, der verpflichtet. Allein beim Blick auf die Bilder, die Robert Capa hinterlassen hat: "Der letzte Tote des Zweiten Weltkriegs" – im April 1945.

Schwarz-Weiß-Bild: Ein verwundeter Mann liegt in einem Balkon-Durchgang.
Im Original trägt Capas berühmtes Bild den Titel "Last Man to Die" Bildrechte: Capa Culture

"Draußen tobte ein Häuserkampf", erzählt Nora Pester, "völlig sinnlose Kämpfe, der Krieg war verloren für die Deutschen, alles war längst ausgefochten." Und doch gab es diese letzten sinnlosen Opfer – oftmals blutjunge Männer auf beiden Seiten. Robert Capa fotografierte an der Seite der US-Streitkräfte. 

Seine Bilder erzählen genau diese Grausamkeiten, aber auch Menschliches zwischen Leben und Tod. Er hatte zuvor alliierte Streitkräfte bei der Landung in der Normandie begleitet und war mit seiner Partnerin und Kollegin Gerda Taro zu vielen Einsätzen unterwegs, unter anderem im Spanischen Bürgerkrieg, was ihr letzter gemeinsamer Weg war. 

Mehr Informationen Capa-Haus

Adresse:
Jahnallee 61
04177 Leipzig

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag, von 11 bis 16 Uhr
jeden 3. Sonntag im Monat, von 11 bis 16 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: in, tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. September 2023 | 07:10 Uhr

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