Das Logo der Ameos-Klinik
Der Krankenhausbetreiber Ameos strukturiert Kliniken um. Bildrechte: MDR/Mario Köhne

Salzlandkreis Was der Umbau der Ameos-Kliniken für die Patienten bedeutet

04. April 2024, 15:38 Uhr

Im Salzlandkreis strukturiert der Krankenhausbetreiber Ameos um. Kliniken spezialisieren sich. Die Notaufnahme in Bernburg fokussiert sich auf neurologische Notfälle. Der Krankenhausbetreiber bündelt Leistungen. Der Grund: Kostendruck und Fachkräftemangel. Die Umstrukturierungen können auch Auswirkungen auf den Rettungsdienst haben – wenn Wege ins nächste geeignete Krankenhaus weiter werden. Ein Besuch beim Rettungsdienst in Aschersleben.

Tom Gräbe
Bildrechte: MDR/Fabian Frenzel

Sieben Uhr morgens ist Schichtwechsel auf der Rettungswache des Arbeiter-Samariter-Bundes in Aschersleben (Salzlandkreis). Daniel Schweigert prüft Fahrzeug, Technik, Verbandsmaterialien. "Also im Schnitt fahren wir hier so fünf bis zehn Einsätze in 24 Stunden. Das variiert natürlich sehr stark", sagt er.

Wenig später gehen die Funkmeldempfänger los: Ein Notruf aus einer Senioreneinrichtung. Nach einer Blaulichtfahrt über rote Ampeln sind die Retter schnell vor Ort. "Wir haben hier einen älteren Herrn, dessen Zustand sich zunehmend verschlechtert hat, schon seit Tagen. Der Mann bleibt in der Einrichtung, nach Rücksprache mit den Angehörigen", sagt Daniel Schweigert, Leiter Rettungsdienst beim ASB Salzlandkreis. Die Notärztin ist noch beim Patienten. Das Pflegeheim übernimmt eine Sterbebegleitung. Die Retter fahren wieder ab.

So kommen Patienten ins richtige Krankenhaus

Wenn Daniel Schweigert und seine Kollegen Patienten ins Krankenhaus bringen, steuern sie die nächstgelegene geeignete Klinik an. Wohin Patienten gebracht werden, hängt von der Art und Schwere des Notfalls ab und von den Kapazitäten der Kliniken. Und das muss nicht immer das nächstgelegene Krankenhaus sein. Welche Krankenhäuser mit welchen Leistungen Patienten aufnehmen können, sehen die Retter in einer App. Außerdem gibt es Absprachen mit den Leitstellen.

Allerdings gibt es Änderungen im Netz der Notfallmedizin. 39 Klinikstandorte haben 2020 an der Notfallversorgung teilgenommen. Seit einiger Zeit gibt es in Hettstedt keine Notaufnahme mehr. Und in Bernburg sollen nur noch neurologische Notfälle behandelt werden, also zum Beispiel Schlaganfälle.

Ein Mann vom Rettungsdienst prüft, ob das Material vollständig ist.
Wohin Patienten gebracht werden, hängt von der Art und Schwere des Notfalls ab und von den Kapazitäten der Kliniken. Bildrechte: MDR / Tom Gräbe

So strukturiert Ameos um

Umstrukturierungen gab es in den vergangenen Jahren einige in der Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt. Und die Situation der Krankenhäuser ist angespannt. Kurz vor dem Jahresende hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine düstere Prognose abgegeben: Bis zu 80 Klinik-Insolvenzen sagt sie 2024 voraus – doppelt so viele wie 2023.

Der Krankenhausbetreiber Ameos unterhält im Salzlandkreis Kliniken in Aschersleben, Staßfurt, Bernburg und Schönebeck. Der Klinik-Konzern strukturiert um. Stationen für Chirurgie und Innere Medizin werden ab Mai ausschließlich in Aschersleben und Schönebeck konzentriert und ausgebaut, teilte das Unternehmen mit.

Das sind die Auswirkungen auf das System

"Das wird spannend. Man kann das so vorher nicht sagen", stellt Daniel Schweigert mit Blick auf mögliche Auswirkungen fest. Der Bereich Bernburg habe dann seine internistische und chirurgische Notaufnahme verloren, fasst Daniel Schweigert zusammen. "Die Patienten müssen irgendwo anders hin." Andere Häuser müssten Kapazitäten schaffen. Dadurch werde die Notaufnahme vielleicht etwas voller. Und das könnte auch dazu führen, dass Rettungsdienste vielleicht den einen oder anderen Einsatz mehr fahren müssten, um Patienten weiter zu verlegen.

So funktioniert das Notfall-System

Der Rettungsdienst ist ein komplexes System. Innerhalb von zwölf Minuten müssten die Retter nach dem Notruf am Einsatzort sein – zu jeder Zeit. Wenn sie aber Patienten über weite Strecken ins nächste geeignete Krankenhaus fahren, sind Personal und Einsatzfahrzeuge mitunter lange gebunden. Das kann dann unter Umständen dazu führen, dass Rettungsdienste aus anderen Bereichen die Versorgung mit abdecken.

Ebenso bei Krankenhäusern: sind Kapazitäten belegt oder nicht verfügbar, puffern umliegende Krankenhäuser den Bedarf an Behandlungsmöglichkeiten mit. "Es war auch schon so, dass man intensivpflichtige Patienten dann auch mal bis Magdeburg fährt, wenn die Krankenhäuser hier in den Notaufnahmen überlastet sind", sagt Daniel Schweigert.

Die Landkreise haben die Erfüllung der Hilfsfristen und die Einsatzkennzahlen der Retter genau im Blick. Bei Bedarf wird aufgestockt. Vorhaltezeiten von Fahrzeugen werden angepasst. Als der Krankenhausbetreiber Helios in Mansfeld-Südharz die Notaufnahme in Hettstedt geschlossen hat, wurden im Rettungsdienst in Mansfeld-Südharz zusätzliche Kapazitäten geschaffen.

Die Gründe für die Umstrukturierung

Für die Umstrukturierung beim Krankenhausbetreiber im Salzlandkreis gibt es im Wesentlichen zwei Gründe, sagt Ameos-Regional-Geschäftsführer Stephan Freitag. "Die Inflationskrise der letzten zwei Jahre und daraus resultierend die Energiekrise, bedingt durch den Ukrainekrieg, aber auch durch die verfehlte Krankenhauspolitik, vor allem seitens des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach."

Die Krankenhäuser würden derzeit nur überleben, indem sie versuchten, ihre Kosten zu senken. "Denn die Einnahmen, die wir als Krankenhaus haben, sind gedeckelt, also einem planwirtschaftlichen System unterworfen, während wir bei den Ausgaben einer freien Marktwirtschaft unterliegen." Das bedeutet: Wenn die Krankenhäuser nicht handeln würden, gingen sie in die Insolvenz. Und das führe zu strukturellen Veränderungen.

Bedenken aus der Bevölkerung nimmt der Krankenhausbetreiber ernst.

Wir arbeiten eng mit den Rettungsdiensten zusammen, um sicherzustellen, dass Notfallpatienten schnell und effizient in die richtigen Einrichtungen gebracht werden können.

Stephan Freitag Ameos-Regional-Geschäftsführer

Medizinische Versorung sicherstellen

"Unser Ziel ist es, die Patientenversorgung auch unter diesen schwierigen Bedingungen auf einem hohen Niveau zu halten." Dazu gehöre auch, die Zugänglichkeit der Versorgung sicherzustellen, so Freitag. "Wir arbeiten eng mit den Rettungsdiensten zusammen, um sicherzustellen, dass Notfallpatienten schnell und effizient in die richtigen Einrichtungen gebracht werden können."

Außerdem investiert Ameos in die Digitalisierung und andere Technologien, um Abläufe zu optimieren und die Kommunikation mit anderen Gesundheitseinrichtungen zu verbessern.

Die Zukunft wird von weiteren Veränderungen geprägt sein. "Wir müssen akzeptieren, dass nicht jedes Krankenhaus alle Arten von Leistungen anbieten kann. Stattdessen müssen wir auf eine stärkere Spezialisierung und Vernetzung hinarbeiten, um die Versorgungsqualität zu steigern und gleichzeitig effizient zu bleiben." Wichtig sei, dass die grundlegende medizinische Versorgung in allen Regionen Deutschlands erhalten bleibt.

Auswirkungen noch unklar

Zurück nach Aschersleben: Wieder gehen die Funkmeldeempfänger des Rettungsdienstes. Anwohner vermissen eine Nachbarin; sie öffnet nicht. Die Feuerwehr öffnet nun die Tür. Daniel Schweigert und seine Kollegen stehen bereit. "Falls da ein medizinischer Notfall vorliegt, sind wir vor Ort und schauen uns das Ganze an", so Schweigert. Die Feuerwehr ist mit einer Drehleiter im Einsatz. Die Haustür wird aufgebrochen, Zeitungen stapeln sich im Flur. Für die Frau kommt jede Hilfe zu spät.

Rettungs- und Polizeikräfte stehen vor einem Gebäude
Rettungseinsatz in Aschersleben: Eine Person öffnet nicht. Bildrechte: MDR / Tom Gräbe

Auf dem Rückweg gibt es noch einen Einsatz. Ganz normaler Alltag für den Rettungsdienst hier. Notfälle sind nicht planbar. Wie sich aber die Arbeit für den Rettungsdienst verändert, ob und wie sich die Spezialisierungen der Krankenhäuser hier im Salzlandkreis auswirken, das wird sich noch zeigen.

Rettungsdienst
Der Rettungsdienst ist vor Ort. falls es sich um einen medizinischen Notfall handeln sollte Bildrechte: MDR / Tom Gräbe

MDR (Tom Gräbe, Hanna Kerwin)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. April 2024 | 09:30 Uhr

4 Kommentare

Tupolev vor 4 Wochen

Sachsen-Anhalt und der Bund geben 2024 zusammen rund 119 Mio. € an Zuschüssen und Förderungen für die Kliniken hier im Land aus, etwaige Zahlungen aus Sondervemögen der letzten Jahre noch nicht mitgerechnet. Die Kosten für den Radweg in Lima liegen bei einem Fünftel (unabhängig von der Frage, ob man das gut oder schlecht findet). Dass AMEOS als privater Konzern (Jahresgewinn 2019: 843 Mio. €, spätere Zahlen ließen sich auf die Schnelle nicht finden) mit seinem Wunsch nach mehr Geld durchaus eigen- und nicht patientennützig denkt, sollte man auch nicht vergessen. Und dass die "GEZ"/Rundfunkgebühr in den Steuersäckel fließt, wäre mir neu. Aber Hauptsache irgendeinen Schuldigen "da oben" suchen, klassisches Sachsen-Anhalter-Syndrom.

ElBuffo vor 3 Wochen

Inwiefern finanzieren die Krankenkassen Radwege in Peru oder gar den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

harzer vor 4 Wochen

Ja, es ist schon traurig, dass an den Kranken gespart wird !

Daniel SBK; kann mich Ihnen nur anschließen.

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